Das neue Superfood aus Afrika
Die Früchte des Affenbrotbaums sind voller Vitamine und Mineralstoffe. Als Pulver in Smoothies gemischt oder als Saft sollen sie fit machen und die Laune heben. Guter Nebeneffekt: Durch die hohe Nachfrage wird die Abholzung der imposanten Bäume aufgehalten.
Tom Kithoku greift eine Handvoll dünner Zweige über seinem Kopf. Gekonnt zieht der junge Mann sich hoch und klettert auf die dickeren Äste weiter oben. In wenigen Sekunden hat er sich in schwindelnde Höhe vorgearbeitet, dorthin, wo die Früchte des uralten Baumriesen hängen.
Tom pflückt eine nach der anderen und wirft sie metertief ins hohe Gras. Die halsbrecherische Klettertour ist Alltag für ihn, sagt er.
"Viele sind schon von den Bäumen gefallen. Einige sind gestorben. Aber ich brauche das Einkommen und kann es mir nicht leisten, zu sagen: Ein anderer ist abgestürzt, deshalb höre ich damit auf."
Die Bäume heißen Baobabs oder auf Deutsch Affenbrotbäume. Im Flachland rund um Kibwezi im Südosten Kenias wachsen sie überall. Und sie sind äußerst nützlich, erklärt Gabriel Ngale von der Naturschutzorganisation Wildlife Clubs of Kenya.
"Baobabs sind sehr gut für die Umwelt. Ökologisch sind sie hilfreich, weil sie den Boden anreichern, Lebensraum für Wildtiere bieten und weil sie wie Sukkulenten Wasser speichern."
In der Trockenzeit, wenn alles andere verdorrt, sind die Früchte der wild wachsenden, knorrigen Bäume echte Lebensretter.
"Wir verwenden sie schon eine sehr lange Zeit. Immer dann, wenn anderes Essen knapp war, haben wir Baobab gegessen. Und wir haben damals schon gemerkt, dass sie uns mehr Power geben als andere Nahrungsmittel."
David Kiuse Moke läuft über den Hof seiner kleinen Farm zu einem neuen Backsteinbau. Darin stapeln sich weiße Säcke. Dutzende davon. Alle voller Baobab-Früchte.
"Ich ernte nur diesen Baum da vorne ab und den anderen da drüben. Aber meine Nachbarn bringen mir ihre Baobabs auch, und das Lagerhaus hier ist voll."
Was früher nur ein Vorrat für Notzeiten war, ist heute ein gutes Geschäft für den Farmer. David Kiuse Moke verkauft die Früchte an Weiterverarbeiter wie das lokale Unternehmen Ubuyu.
"Wir machen Pulver aus den Baobabs. Aus den Samen produzieren wir Massageöl. Und aus der Schale machen wir Holzkohle aus Biomasse."
Richard Mutiso schließt die Tür seines Baobab-Lagers auf – ein einfacher Drahtkäfig auf Stelzen gebaut, mit einem Dach – zum Schutz vor dem Wetter und vor Ungeziefer.
Er klettert über den großen Haufen loser Früchte - auf der Suche nach einem besonders schönen Exemplar. Das knallt er dann mit Schwung auf einen Stein, um die Schale aufzubrechen
Die ist sehr hart, murmelt er und zeigt auf das Innere der ungewöhnlichen Frucht. Kein Fruchtfleisch wie bei einem Apfel oder einer Mango, sondern einzelne fette Samen, umgeben von einer weißen, pudrigen Substanz.
Daraus machen wir Saft, sagt er, sehr nahrhaften Saft. Das süß-säuerliche Pulver schmeckt nicht nur lecker, sondern hat auch das Zeug, das nächste Superfood zu werden.
"Die Baobab-Früchte sind sehr gesund, weil sie viele Vitamine und Mineralien enthalten. Sie liefern mehr Vitamin C als eine Orange. Sie sind reich an Kalzium, Magnesium, Kalium und Phosphor. Und sie enthalten reichlich Ballaststoffe, die gut für die Verdauung sind."
Amisha Patel war eine der ersten in Kenia, die das Geschäft mit den Baobabs entdeckt hat. In einem Vorort von Nairobi stellt sie das Pulver her - vor allem für einen lokalen Gesundheitsladen. Die Kunden machen Smoothies daraus, mixen es in Säfte oder essen es teelöffelweise pur. Aus den Samen wird ein Kosmetiköl gewonnen.
"Das ist ein Feuchtigkeitsöl und sehr reich an Omega3-Fettsäuren. Also sehr gut für empfindliche Haut. Für Menschen mit extrem trockener Haut oder mit Ekzemen ist es sehr hilfreich."
Als Superfood, Lotion oder Feuchtigkeitsöl
In der Fabrikhalle laufen zwei relativ kleine Maschinen. Eine trennt das pudrige Fruchtfleisch von den Samen. Die andere ist eine Kaltpresse für das Öl.
Im Moment ist nicht viel zu tun. Im Lager sind nur noch Restbestände, die neuen Früchte werden gerade erst geerntet. Bisher sind nur ein paar Probeexemplare eingetroffen, zur Qualitätskontrolle. Nicht alle erfüllen die Hygienestandards.
"Sehen Sie, auf diesem Stück hier ist Dreck. Das da ist verfärbt. Dieses ist von einem Schimmelpilz befallen."
Jede Frucht wird von Hand geöffnet, inspiziert und - wenn nötig - aussortiert. Der Arbeitsaufwand ist hoch, der Ertrag niedrig. Das macht ihre Baobab-Produkte teuer: Etwa fünf Dollar für 100 Gramm Pulver – für die meisten Kenianer unerschwinglich. Aber ein potenzieller Verkaufsschlager bei Gesundheitsfanatikern in Übersee.
"Dieser riesige globale Markt ist gut. Das wird die lokalen Gemeinden transformieren. Und wir wollen dieses Potenzial voll nutzen."
Auch, um die Baobabs zu retten, sagt Naturschützer Gabriel Ngale. Die markantesten Bäume Afrikas sind bedroht: von einem mysteriösen Baumsterben, das Wissenschaftler für eine mögliche Folge des Klimawandels halten. Und von den Menschen.
Baobab-Auslese per Hand
"Die meisten Farmer fällen sie heutzutage. Sie beschweren sich, dass sie jede Menge Platz wegnehmen. Da, wo sie etwas anbauen wollen. Also schlagen sie sie ab", erklärt Joice Katiku von der Waldforschungsbehörde Kenias, KEFRI. Aber der Verkauf der Früchte ändert diese Einstellung. Farmer David Kiuse Moke:
"Im Moment ist Erntezeit, und die Früchte sind ein gutes Geschäft. Sie helfen den Menschen hier in der Gegend. Sie sind an den Baobabs interessiert, weil sie Geld bringen. Für einen Sack voller Früchte bekommen wir 300 Shilling."
Knapp drei Euro. Das ist kein Vermögen, aber die meisten Farmer in Kibwezi bauen Nahrungsmittel nur für den eigenen Bedarf an. Bargeld ist knapp - und jedes bisschen hilft. Die wachsende Nachfrage nach ihren Früchten könnte den Baobabs allerdings auch gefährlich werden, fürchtet Amisha Patel.
"Es wird eine Menge Konkurrenz um die Früchte geben. Das heißt, sie werden immer früher in der Saison geerntet. Ihre Qualität wird schlechter, und es schadet auch den Bäumen. Die müssen nämlich ihre Blätter abwerfen, bevor man die Früchte pflückt. Erntet man früher, wenn noch Blüten an den Zweigen sind, dann ist das langfristig schlecht für die Gesundheit der Bäume."
Die Zahl der Hersteller von Baobab-Produkten in Kenia hat sich allein in den vergangenen drei Jahren ungefähr verzehnfacht. Wenn die Industrie weiter wachsen soll, braucht sie mehr Bäume.
Joice Katiku präsentiert stolz die Baumschule des Forschungsinstituts. In schwarzen Plastiksäcken sprießen hier rund 300 Minisetzlinge, kaum 20 Zentimeter hoch, die eines Tages zu riesigen Baobabs heranwachsen sollen.
"Die züchten wir für Farmer, die sie haben wollen, weil sie gelernt haben, wie wichtig die Bäume sind."
Eine Langzeitinvestition, denn es dauert 20 bis 25 Jahre, bis die jungen Baobabs zum ersten Mal Früchte tragen. Aber das Interesse der Farmer ist da. Amisha Patel träumt davon, dass die Baobabs für Kenia genauso wichtig werden wie Kaffee, Tee oder Rosen.
"Es wäre eine fabelhafte Idee, in dieser Gegend eine ganze Plantage von Baobabs zu pflanzen. Und theoretisch ist das möglich. Es wird ein bisschen Zeit brauchen, bevor die Baobabs zum Nationalprodukt werden können. Aber das Potenzial dafür ist da."