"Viva Diaspora" von Shantel

Griechen-Party des Zeremonienmeisters

Der Musikproduzent und DJ Stefan Hantel alias Shantel
Der Musikproduzent und DJ Stefan Hantel alias Shantel © Deutschlandradio / Torben Waleczek
Martin Risel |
Mit seinen osteuropäisch inspirierten Clubsounds hat DJ Shantel vor fast 15 Jahren einen neuen Popstil mit aus der Taufe gehoben: den Balkan-Beat. Seit mehr als zwei Jahren wohnt er neben Frankfurt am Main auch in Athen, wo sein Album "Viva Diaspora" mit entstanden ist.
"Mein Großvater war ja Grieche und ich bin in meiner Kindheit sehr oft in Griechenland gewesen. Und ich hab die Stadt dann vor zweieinhalb Jahren für mich noch mal komplett neu entdeckt und war so begeistert von diesem aberwitzigen Schmelztiegel, der gerade dabei ist, sich trotz Krise neu zu erfinden. Ja, der Kreis sollte sich für mich schließen."

Gastarbeiter nannte man so einen wie Shantels Großvater lange Zeit: Aus Griechenland gekommen, die deutsche Wirtschaft mitaufgebaut, selbstverständlich geblieben als besonders angepasster Deutscher.

Die Oma mütterlicherseits stammt aus der Bukowina – dieser Gegend zwischen Ukraine und Rumänien. Auf ihren Spuren hatte der Enkel den Balkan-Beat etabliert und sein Bukowina Club Orkestar gegründet.

Mit seinem neuen Album "Viva Diaspora" will Shantel diese Migrationsgeschichten und ihre persönlichen Folgen als Bereicherung feiern, dieses Leben in der Fremde, das für so viele so normal geworden ist.

"Also Viva Diaspora ist ja entstanden auch wie so ein roter Faden durch meine Familiengeschichte. Meine These ist in dem Zusammenhang auch zu sagen: Ich finde eigentlich für ´ne Gesellschaft ist Einwanderung ein extrem wichtiger Impuls, der so ´ne Kultur nicht nur musikalisch bereichert."
Ein akribischer musikalischer Feldforscher
Angefangen hat Shantel einst in Hessen – als Elektro-DJ – und so sind es Quellen aus ganz verschiedenen Kulturkreisen, aus denen er seinen Sound speist. Wie hier ein fast 40 Jahre alter Reggae-Klassiker, ansonsten viel Roma- und Klezmer-Musik – oder jetzt vor allem der Sound aus Smyrna, dieser ehemaligen Mittelmeer-Metropole. Der 47-Jährige arbeitet dabei als akribischer musikalischer Feldforscher mit musikalischen Skalen und alten Vinylplatten.

"Deswegen versuche ich – ausgehend von alten Aufnahmen – immer eine Brücke zu bauen in die Moderne, in die heutige Zeit. Das sind meist eher Zitate bezüglich einer Harmonie, einer Melodie oder einem Rhythmus. Denn ich mache schlussendlich Popmusik und keine historische Wiederaufbereitung. Ja, und das ist im Prinzip ´ne Patchwork-Arbeit. Rio ist ja eigentlich von ´ner Band produziert aus Patras, Carte Postal heißen die, und ist ´n Song, der von Migration handelt. Also: Ich verlass die Heimat, warum auch immer. Also eigentlich ´n brandaktuelles Thema."

Vorbei ist sie noch nicht, die Balkan-Party. Aber ihr Zeremonienmeister kann und will die Augen nicht vor den politischen Realitäten verschließen. Wegen nationalistischer Tendenzen in Russland und Osteuropa war das Vorgängeralbum schon ruhiger ausgefallen. Den Bezug zu Griechenland hatte Shantel allerdings schon vor der Krise. Und plant, "Viva Diaspora" – sein vielseitigstes und bestes Album – mit möglichst vielen von den griechischen Musikern, mit denen es entstanden ist, live zu auf der Bühne zu feiern.

"Also wir sind schon in diesem Jahr und im letzten Jahr unterwegs gewesen mit Musikern aus Athen. Und wir würden eigentlich auch sehr gerne Viva Diaspora mit vielen Musikern, die ich jetzt auch in Athen kennengelernt habe, für 2016 auf den Weg bringen. Daran arbeiten wir gerade."
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