Vivien Goldman: "Revenge of the She-Punks - A Feminist Music History from Poly Styrene to Pussy Riot"
University of Texas Press, 2019
210 Seiten, 13,99
Mit Musik gegen Ungerechtigkeit
07:09 Minuten
"Revenge of the She-Punks" ist eine feministische Musikgeschichte. Vivien Goldman würdigt Künstlerinnen, die in der männerdominierten Historie ihrer Meinung nach oft übersehen wurden.
Oppel: Wer sind die She-Punks, denen Goldman ihr Buch gewidmet hat?
Walter: Vivien Goldman ist eine Ikone dieser Punkbewegung und war auch selbst als Musikerin aktiv. Gleichzeitig arbeitete sie auch als Journalistin und schrieb schon in den 70er-Jahren für die Musikpresse in Großbritannien für Sounds, New Musical Express und Melody Maker - damals sehr unüblich. Ihre Protagonistinnen traf sie in dieser Zeit, Bands wie The Slits oder die Au Pairs.
Oppel: Wie ist das Buch entstanden?
Walter: Vivien Goldman hat zwei Jahre lang sehr aufwändig recherchiert. Goldman hat die Musikerinnen weltweit interviewt und gibt nun deren Erzählungen anekdotisch und in Zitaten wieder. Sie gibt einen Rundumblick: Was haben diese Frauen erlebt, was verbindet sie, was sind ihre Ziele und Wünsche gewesen - ein sehr schöner Überblick über die weibliche Punkszene.
Oppel: Was ist der Ausgangspunkt für Goldmans feministische Geschichte des Punk?
Walter: In den letzten Jahren gab es einige Bücher von Frauen, aber die Chronisten waren ganz oft Männer - es ist also schon ein bisschen eine männliche Sicht auf diese Historie. Und nun erzählt eine Frau das Ganze aus ihrer Perspektive. Das ist ihr Ansatz. Sie möchte, dass auch der Anteil der Frauen gewürdigt wird.
Oppel: Warum gab es weniger Frauen-Bands?
Walter: Einer der Gründe dafür, dass Frauen in der Minderheit waren - was ja auch noch heute gilt - war, dass ihnen Vorbilder fehlten. Viviane Albertine von den Slits erzählt, wie die Männer Helden hatten und Vorbilder. "Ich hatte keinen Held oder eine Heldin. Ich wollte nicht Joni Mitchell sein oder wie sie aussehen. Dann kapierte ich auf einmal, dass ich keine/n Held*in haben muss. Ich konnte einfach eine Gitarre nehmen und darauf spielen", sagte sie. Das inspirierte viele andere Frauen, Bands zu gründen.
Kein Gegensatz zu den Männern, sondern eigenes Genre
Oppel: Worum ging es den Frauen?
Walter: Sie wollten einfach den gleichen Zugang bekommen wie ihre männlichen Kollegen: In einer Band spielen, mal auf dem Cover einer Musikzeitschrift abgebildet sein - und das nicht nur als Fan oder Groupie. Goldman erzählt dazu eine typische Episode, die ihr selbst passierte. Ihr Song "Launderette" wurde aufgenommen, als Public Image Limited ihr Album "Flowers of Romance" in den Virgin Records’ Manor Studios in Oxfordshire einspielten. Sie hatten das Studio zwar gebucht, aber nutzten es nicht ständig und so durfte Goldman quasi die Pausen nutzen, wenn der Raum leer war, um "Launderette" aufzunehmen. Das ist bezeichnend für die Stellung der Frauen damals.
Oppel: Gab es denn tatsächlich einen Unterschied, wie Männer und Frauen in Bands agieren?
Walter: Goldman definiert weiblichen Punk nicht zwangsläufig als Antwort oder als Gegensatz zu männlichem Punk, sondern als Genre mit eigener Motivation und Prinzipien. Sie müssen sich nicht immer auf die Männer beziehen. Die Bands, die Frauen gründeten, waren auch weniger patriarchal aufgebaut - nicht der eine große Lead-Sänger, der glorifiziert wurde, sondern dass sie eher weg von diesem hierarchischen Muster wollten.
Oppel: Goldman thematisiert auch sexuellen Missbrauch oder Punk als Ventil gegen politische Unterdrückung.
Walter: Genau. Viele Frauen im Punk wehrten sich gegen soziale Missstände, indem sie etwa über Gewalt gegen Frauen schrieben und ihren Songs ihren Ärger darüber zum Ausdruck brachten. Eine Initialzündung für die Riot-Grrrls-Bewegung war etwa, dass Kathleen Hannas Mitbewohnerin vergewaltigt wurde.