"Königin der Ungeschicklichkeit"
Vivienne Westwood ist die bekannteste britische Modedesignerin und eine zentrale Figur der Punk-Geschichte. Dabei war für sie als Mädchen aus der Arbeiterklasse ein Leben als Künstlerin gar nicht vorgesehen. Ein Rückblick auf stürmische Zeiten.
Als Vivienne Westwood 1941 in der nordenglischen Provinz – als Vivienne Swire – geboren wird, da scheint ihr Lebensweg, ihre Karriere undenkbar: Ein Mädchen aus der Arbeiterklasse, das Künstlerin wird? Das ist im England der 60er-Jahre eigentlich nicht vorgesehen, erinnert sich Westwood in ihrer vor zwei Jahren erschienen Autobiografie. Sie wird zunächst Grundschullehrerin, ehe sie später doch ihrer Berufung folgt: Kleidung entwirft, näht und verkauft – Mode für eine, wie sie sagt, ideale Parallelwelt.
Ihre erste Ehe mit Derek Westwood endet, als Vivienne im London der 60er-Jahre Malcolm McLaren trifft, den Manager der Band Sex Pistols. Es ist der Beginn einer kreativen Partnerschaft, zur Keimzelle des Punk wird dieses auch – privat verbandelte – Anarchisten-Duo, das die herrschende Klasse für überflüssig hält.
Der Shop des Paares auf der King’s Road ist eine Mischung aus Galerie und Geschäft. Die Modeschöpferin entwirft den Look zur Punk-Botschaft: zerrissene Klamotten, bestückt mit Sicherheitsnadeln, Rasierklingen, Ketten, zerfetzte T-Shirts mit Sprüchen drauf.
Kleidung als Ausdruck ihrer politischen Mission, Punk als Uniform der Revolte gegen das Althergebrachte. Einfach waren ihre Jahre mit McLaren jedoch keineswegs, wie Westwood ihrem Biografen erzählt. Er kommt und geht, wie es ihm passt. Es ist keine glückliche Beziehung, wie sie im Rückblick erkennt.
Sohn möchte zum Pink-Jubiläum alle Erinnerungsstücke verbrennen
McLaren habe stets Streit gesucht und sei erst dann zufrieden gewesen, wenn er sie schon morgens zum Weinen gebracht habe. Doch Westwood bleibt bei ihm – und bringt Kinder, Karriere, Kunst unter einen Hut. Eine Feministin – in der Praxis, nicht in der Theorie. Ihr Motto, beruflich wie privat: Sie selbst muss an das glauben und das mögen, was sie macht.
Ihr Sohn aus der Ehe mit dem verstorbenen McLaren will im November alle geerbten Erinnerungsstücke verbrennen – aus Protest gegen die Vereinnahmung des Punk durch das Establishment zu dessen 40. Jubiläum. Westwood selbst versteht sich schon seit langem auch als politische Aktivistin: Sie kämpft gegen Atomwaffen und gegen Fracking, für den Klimaschutz und für den Whistleblower Julian Assange. Als Grundübel der heutigen Gesellschaft macht sie den Kapitalismus aus.
Zu einer globalen Marke in dieser kapitalistischen Welt ist aber auch Vivienne Westwood selbst geworden. Die Modedesignerin ist nicht mehr arm, sondern reich. Und seit Anfang der 90er-Jahre verheiratet mit dem 25 Jahre jüngeren Österreicher Andreas Kronthaler, dessen Dozentin sie an der Wiener Kunstakademie war – und mit dem sie heute ein Kreativteam bildet.
Ihr Mann bezeichne sie stets als "Königin der Ungeschicklichkeit", sagt die heute 75-Jährige, die in der Tat kein Blatt vor den Mund nimmt. Angeblich liest sie keine Zeitungen und guckt kein Fernsehen, aber sie gärtnert gern: Da ist Vivienne Westwood dann doch eine typische Engländerin.