Vodou-Kunst aus Haiti
Eine Ausstellung im Ethnologischen Museum in Berlin will mit Vodou-Klischees aufräumen. Sie zeigt Geisterfiguren und Objekte aus Haiti - fantastische Fabelwesen, bunte Heiligenstatuen und selbstgenähte Puppen, die zuvor wirklich im Einsatz waren.
"Während der Zeremonie trommeln wir, sodass die Geister zu uns kommen. Und wenn diese Geister dann kommen, das löst etwas in uns aus, in unserem Innersten. So sind wir in der Lage, im Sinne dieser Geister, dieser Götter zu handeln. Und ihre Kräfte zu empfangen","
erläutert Rachel Beauvoir-Dominique, die in Vertretung für die Sammlerin Marianne Lehmann nach Berlin gekommen ist. "Loa" werden diese Geister genannt. Geister des Windes, des Wassers, der Liebe, aber auch des Krieges.
""Vodou, das ist der Glaube an einen Gott. Aber der ist so allmächtig, dass man ihn nicht begreifen, fassen kann. Und diese Loa – das sind für uns die verschiedenen Gesichter Gottes, sie gehören zu seinem Wesen. Durch sie können wir ihm nahe sein"."
Um diesen Geistern, die da gerufen werden, näher zu sein, um ihnen Opfer wie Eier oder Wein, aber auch geheimnisvolle Tränke und Kräuter zu bringen, hat man symbolische Abbilder geschaffen. Man hat Götterfiguren aus Holz geschnitzt oder aus Stoff genäht. Bunt bemalt, reich verziert, und mit geheimnisvollen Dingen gefüllt.
Und wenn man sie so betrachtet, dann kann man bei manchen verstehen, warum die 73-jährige Schweizerin sie mit solcher Obsession sammelt, seit ein Vodou-Priester ihr den ersten Geist ins Haus brachte.
Zum Beispiel der dicke Mann, der mit einer Pfeife im Mund und einem Kind im Arm gemütlich im Sessel sitzend ein umgänglicher Schutzgeist zu sein scheint. Der Kochtopf auf drei Beinen, der zwar pummlig wirkt, aber bestimmt recht feurig unterwegs ist. Oder der bunte, sich in alle Richtungen biegende Holzscheit, der ganz poetisch "Loco" versinnbildlicht – den Geist der Kommunikation, der sich wie der Wind in alle Richtungen ausbreitet.
Ganz vertraut wirken Madonnenfiguren, die zeigen, wie sehr sich Vodou und Katholizismus in Haiti vermengt haben. Die Religion, die die westafrikanischen Sklaven mitbrachten mit dem Glauben der spanischen Eroberer. Andere Figuren dagegen sind vom düster mystischen Klischee des Vodou so weit nicht entfernt. Haben doch viele von ihnen echte Menschenschädel als Kopf und starren einen aus tiefen augenlosen Höhlen an. Manchmal blitzen auch Spiegel daraus hervor und verschaffen dem Betrachter eine unheimliche Begegnung mit sich selbst. Kurator Richard Haas:
""Es hat ja schon etwas nicht nur Martialisches, sondern etwas, was stark an den Tod heranführt, was beängstigend ist. Aber das wirkt auf Haitianer nicht abstoßend. Der Haitianer hat ein völlig anderes Verhältnis zum Tod. Und das bestätigen uns auch die haitianischen Gäste - dass der Tod allgegenwärtig ist und dass der Tod in einer anderen Form gesehen wird. Die Toten gehen ins Jenseits, aber sie bleiben. Die Verwandtschaft wird nicht aufgelöst. Man gedenkt seiner Toten in einer fröhlichen Form"."
Dabei nimmt man die Gegenwart des Jenseits im Diesseits im Vodou-Kult sehr ernst. In teils tagelangen Zeremonien wird getanzt und gesungen bis zur Trance. Ausgedehnte Gottesdienste, die aber nicht immer für jeden offen stehen. So gibt es in Haiti zahlreiche Geheimbünde. Ende des 18. Jahrhunderts gegründet von entlaufenen Sklaven im Kampf für die Unabhängigkeit von den französischen Kolonialherren. Im Berliner Museum ist zum Beispiel die Armee der Bizango aufmarschiert – eine finstre Riege mannshoher Puppen, die den Mitgliedern des Geheimbundes einst symbolische Kraft verlieh. Heute stehen sie Spalier, wenn diese an rituell bestückten Altären etwas zusammenbrauen, und sie sind im Geiste dabei, wenn die Männer und Frauen losziehen in geheimer Mission
""Die sind nachts auf den Straßen unterwegs zu den Leuten, mit denen es Probleme gibt - wenn einer etwas gestohlen hat, wenn jemand gewalttätig wurde. Die haben die Möglichkeiten und das Wissen, diese Menschen zur Verantwortung zu ziehen, wenn sie sie gemeinsam für schuldig befunden haben. Sie tun das spirituell, aber auch ganz direkt. Sie ziehen durch die Straßen, schwarz-rot gekleidet, des Nachts, oder auch tagsüber während einer Art Karneval. Dann pusten sie etwa ein Pulver in Luft, und wenn das ein Schuldiger einatmet, dann fühlt er sich bald schlecht und muss sich Hilfe suchen."
Uns in Europa mag es befremden, wenn solche Richter und Vollstrecker durch die Straßen ziehen. Für Rachel Beauvoir-Dominique, Tochter eines Hohen Priesters und selbst eine sogenannte Mambo, gehört das - wie Vodou überhaupt - dazu zum Leben. Als Religion und Teil des gesellschaftlichen Systems. Er verleihe den Menschen in diesem von Unterdrückung und Armut gebeutelten Land Kraft, ist die Ethnologin überzeugt. Auch wenn das verheerende Erdbeben im Januar die Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttert habe.
Eine Kraft, ja eine Magie, die man bei diesem Rundgang immer wieder spürt, wenn man den erfreulicherweise meist freistehend präsentierten Objekten gegenübersteht. Man spürt das so sehr, dass man lieber nicht mit diesen geisterhaften Figuren allein sein möchte – selbst wenn Meerjungfrauen und andere fantastische Fabelwesen Teil dieser illustren Gesellschaft wären.
erläutert Rachel Beauvoir-Dominique, die in Vertretung für die Sammlerin Marianne Lehmann nach Berlin gekommen ist. "Loa" werden diese Geister genannt. Geister des Windes, des Wassers, der Liebe, aber auch des Krieges.
""Vodou, das ist der Glaube an einen Gott. Aber der ist so allmächtig, dass man ihn nicht begreifen, fassen kann. Und diese Loa – das sind für uns die verschiedenen Gesichter Gottes, sie gehören zu seinem Wesen. Durch sie können wir ihm nahe sein"."
Um diesen Geistern, die da gerufen werden, näher zu sein, um ihnen Opfer wie Eier oder Wein, aber auch geheimnisvolle Tränke und Kräuter zu bringen, hat man symbolische Abbilder geschaffen. Man hat Götterfiguren aus Holz geschnitzt oder aus Stoff genäht. Bunt bemalt, reich verziert, und mit geheimnisvollen Dingen gefüllt.
Und wenn man sie so betrachtet, dann kann man bei manchen verstehen, warum die 73-jährige Schweizerin sie mit solcher Obsession sammelt, seit ein Vodou-Priester ihr den ersten Geist ins Haus brachte.
Zum Beispiel der dicke Mann, der mit einer Pfeife im Mund und einem Kind im Arm gemütlich im Sessel sitzend ein umgänglicher Schutzgeist zu sein scheint. Der Kochtopf auf drei Beinen, der zwar pummlig wirkt, aber bestimmt recht feurig unterwegs ist. Oder der bunte, sich in alle Richtungen biegende Holzscheit, der ganz poetisch "Loco" versinnbildlicht – den Geist der Kommunikation, der sich wie der Wind in alle Richtungen ausbreitet.
Ganz vertraut wirken Madonnenfiguren, die zeigen, wie sehr sich Vodou und Katholizismus in Haiti vermengt haben. Die Religion, die die westafrikanischen Sklaven mitbrachten mit dem Glauben der spanischen Eroberer. Andere Figuren dagegen sind vom düster mystischen Klischee des Vodou so weit nicht entfernt. Haben doch viele von ihnen echte Menschenschädel als Kopf und starren einen aus tiefen augenlosen Höhlen an. Manchmal blitzen auch Spiegel daraus hervor und verschaffen dem Betrachter eine unheimliche Begegnung mit sich selbst. Kurator Richard Haas:
""Es hat ja schon etwas nicht nur Martialisches, sondern etwas, was stark an den Tod heranführt, was beängstigend ist. Aber das wirkt auf Haitianer nicht abstoßend. Der Haitianer hat ein völlig anderes Verhältnis zum Tod. Und das bestätigen uns auch die haitianischen Gäste - dass der Tod allgegenwärtig ist und dass der Tod in einer anderen Form gesehen wird. Die Toten gehen ins Jenseits, aber sie bleiben. Die Verwandtschaft wird nicht aufgelöst. Man gedenkt seiner Toten in einer fröhlichen Form"."
Dabei nimmt man die Gegenwart des Jenseits im Diesseits im Vodou-Kult sehr ernst. In teils tagelangen Zeremonien wird getanzt und gesungen bis zur Trance. Ausgedehnte Gottesdienste, die aber nicht immer für jeden offen stehen. So gibt es in Haiti zahlreiche Geheimbünde. Ende des 18. Jahrhunderts gegründet von entlaufenen Sklaven im Kampf für die Unabhängigkeit von den französischen Kolonialherren. Im Berliner Museum ist zum Beispiel die Armee der Bizango aufmarschiert – eine finstre Riege mannshoher Puppen, die den Mitgliedern des Geheimbundes einst symbolische Kraft verlieh. Heute stehen sie Spalier, wenn diese an rituell bestückten Altären etwas zusammenbrauen, und sie sind im Geiste dabei, wenn die Männer und Frauen losziehen in geheimer Mission
""Die sind nachts auf den Straßen unterwegs zu den Leuten, mit denen es Probleme gibt - wenn einer etwas gestohlen hat, wenn jemand gewalttätig wurde. Die haben die Möglichkeiten und das Wissen, diese Menschen zur Verantwortung zu ziehen, wenn sie sie gemeinsam für schuldig befunden haben. Sie tun das spirituell, aber auch ganz direkt. Sie ziehen durch die Straßen, schwarz-rot gekleidet, des Nachts, oder auch tagsüber während einer Art Karneval. Dann pusten sie etwa ein Pulver in Luft, und wenn das ein Schuldiger einatmet, dann fühlt er sich bald schlecht und muss sich Hilfe suchen."
Uns in Europa mag es befremden, wenn solche Richter und Vollstrecker durch die Straßen ziehen. Für Rachel Beauvoir-Dominique, Tochter eines Hohen Priesters und selbst eine sogenannte Mambo, gehört das - wie Vodou überhaupt - dazu zum Leben. Als Religion und Teil des gesellschaftlichen Systems. Er verleihe den Menschen in diesem von Unterdrückung und Armut gebeutelten Land Kraft, ist die Ethnologin überzeugt. Auch wenn das verheerende Erdbeben im Januar die Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttert habe.
Eine Kraft, ja eine Magie, die man bei diesem Rundgang immer wieder spürt, wenn man den erfreulicherweise meist freistehend präsentierten Objekten gegenübersteht. Man spürt das so sehr, dass man lieber nicht mit diesen geisterhaften Figuren allein sein möchte – selbst wenn Meerjungfrauen und andere fantastische Fabelwesen Teil dieser illustren Gesellschaft wären.