Völkermord an Herero und Nama

"Ein Schuldeingeständnis ist fällig"

Return of stolen remains of Herero and Nama, Berlin DEU, Deutschland, Germany, Berlin, 29.08.2018 Schaedel in Vitrinen anlaesslich der Rueckgabe von Totenschaedel und Gebeinen nach Namibia waehrend deines Gedenkgottesdienstes der EKD und der namibischen Partnerkirchen und Zeremonie in der Franzoesischen Friedrichstadtkirche in Berlin. Das Gedenken ist zur Erinnerung an die afrikanischen Opfer von Versklavung, Kolonialismus und rassistischer Gewalt. Im Hintergrund steht die Forderung nach Anerkennung der Verbrechen gegen Schwarze Menschen und Menschen afrikanischer Herkunft Nachdruck zu verleihen. Die von Deutschland an den Herero und Nama begangenen Voelkermorde in Namibia und die Kriegsverbrechen in Tansania im Maji- Maji-Krieg warten immer noch auf offizielle Anerkennung. Sculls desplaced during a joint German and Namibian church and s
Feierliche Rückgabe geraubter Gebeine ja - aber eine offizielle Entschuldigung für den Völkermord an den Herero und Nama verweigert die Bundesregierung weiterhin. © imago / IPON
Christoph Möllers im Gespräch mit Anke Schaefer |
Angst vor einem Präzedenzfall: Das vermutet der Staatsrechtler Christoph Möllers hinter der Weigerung der Bundesregierung, sich für den Völkermord an den Herero und Nama zu entschuldigen. Denn weitere Länder könnten Entschädigungszahlungen fordern.
Bisher verweigert die Bundesregierung den Herero und Nama eine offizielle Entschuldigung für den Völkermord an Angehörigen dieser Volksgruppen, den deutsche Kolonialtruppen zwischen 1904 und 1908 in Namibia begingen.
Christoph Möllers ist Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.
Christoph Möllers ist Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.© imago/Reiner Zensen
Der Staatsrechtler Christoph Möllers hält das für falsch: Als Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland, die wiederum Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches ist, habe die Bundesregierung hier eine Verpflichtung: "Ich würde sagen, das Schuldeingeständnis ist auf jeden Fall fällig – ohne Wenn und Aber."

Moralisch fragwürdiges politisches Kalkül

Möllers bezweifelt die Stichhaltigkeit des Arguments der Bundesregierung, dass eine Entschuldigung auch eine Haftung für entstandene Schäden nach sich ziehen könnte:
"Wir wissen, was da passiert ist. Wir haben historische Forschung darüber, wir werden noch mehr historische Forschung kriegen", sagt er. "Ob dann der Tatbestand irgendwie noch eines Schuldeingeständnisses bedarf, also ob da sozusagen durch das Schuldeingeständnis selbst irgendwie auf einmal neue Ansprüche begründet werden, ist ja sehr zweifelhaft."

"Ungute Geschichte der Haftungsvermeidung"

Hinter der zögerlichen Haltung der Bundesregierung vermutet der Berliner Staatsrechtler die Angst, mit einem Schuldeingeständnis einen Präzedenzfall zu schaffen. Der sofort weitere nach sich ziehen könnte:
Denn die Bundesrepublik habe insgesamt eine "etwas ungute Geschichte der Haftungsvermeidung", so Möllers. "Wir haben natürlich eigentlich nie wirklich für die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs Geld gezahlt, wir wurden von den Alliierten eigentlich rausgelassen." In letzter Zeit gab es wieder vermehrt Forderungen nach Entschädigungszahlungen für die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands, etwa aus Italien, Griechenland oder Polen.

"Gibt es bei Völkermord Verjährung?"

Völkerrechtlich gesehen gebe es allerdings kein Schadensersatzrecht zwischen Staaten, das vergangenes Unrecht kompensieren könne, räumt Möllers ein. "Da gibt es ja auch viele Probleme. Wie bemisst man so einen Schaden? Gibt es vielleicht so etwas wie Verjährung? Die es normalerweise natürlich tatsächlich gibt für fast alle Schadensersatzansprüche. Das heißt, wir sind hier eigentlich erst einmal auf einem politischen Feld."
Vertreter der afrikanischen Volksgruppen Herero und Nama stehen am 12.10.2017 bei einer Anhörung im Verfahren gegen die Bundesregierung wegen des Völkermords im heutigen Namibia vor dem US-District Court in New York (USA).
Vertreter der Volksgruppen Herero und Nama bei einer Anhörung im Verfahren gegen die Bundesregierung wegen des Völkermords im heutigen Namibia vor dem US-District Court in New York© picture alliance / dpa / Johannes Schmitt-Tegge
Der Fall hat allerdings eine juristische Komponente bekommen: Denn in den USA wird seit 2017 eine Schadenersatzklage von Herero und Nama gegen Deutschland verhandelt. Und im Prinzip seien natürlich amerikanische Urteile schon vollstreckbar, meint Möllers.
(uko)

Die gesamte Sendung "Der Tag mit Christoph Möllers" können Sie hier nachhören: Audio Player

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