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"Ein Schuldeingeständnis ist fällig"
Angst vor einem Präzedenzfall: Das vermutet der Staatsrechtler Christoph Möllers hinter der Weigerung der Bundesregierung, sich für den Völkermord an den Herero und Nama zu entschuldigen. Denn weitere Länder könnten Entschädigungszahlungen fordern.
Bisher verweigert die Bundesregierung den Herero und Nama eine offizielle Entschuldigung für den Völkermord an Angehörigen dieser Volksgruppen, den deutsche Kolonialtruppen zwischen 1904 und 1908 in Namibia begingen.
Der Staatsrechtler Christoph Möllers hält das für falsch: Als Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland, die wiederum Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches ist, habe die Bundesregierung hier eine Verpflichtung: "Ich würde sagen, das Schuldeingeständnis ist auf jeden Fall fällig – ohne Wenn und Aber."
Moralisch fragwürdiges politisches Kalkül
Möllers bezweifelt die Stichhaltigkeit des Arguments der Bundesregierung, dass eine Entschuldigung auch eine Haftung für entstandene Schäden nach sich ziehen könnte:
"Wir wissen, was da passiert ist. Wir haben historische Forschung darüber, wir werden noch mehr historische Forschung kriegen", sagt er. "Ob dann der Tatbestand irgendwie noch eines Schuldeingeständnisses bedarf, also ob da sozusagen durch das Schuldeingeständnis selbst irgendwie auf einmal neue Ansprüche begründet werden, ist ja sehr zweifelhaft."
"Ungute Geschichte der Haftungsvermeidung"
Hinter der zögerlichen Haltung der Bundesregierung vermutet der Berliner Staatsrechtler die Angst, mit einem Schuldeingeständnis einen Präzedenzfall zu schaffen. Der sofort weitere nach sich ziehen könnte:
Denn die Bundesrepublik habe insgesamt eine "etwas ungute Geschichte der Haftungsvermeidung", so Möllers. "Wir haben natürlich eigentlich nie wirklich für die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs Geld gezahlt, wir wurden von den Alliierten eigentlich rausgelassen." In letzter Zeit gab es wieder vermehrt Forderungen nach Entschädigungszahlungen für die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands, etwa aus Italien, Griechenland oder Polen.
"Gibt es bei Völkermord Verjährung?"
Völkerrechtlich gesehen gebe es allerdings kein Schadensersatzrecht zwischen Staaten, das vergangenes Unrecht kompensieren könne, räumt Möllers ein. "Da gibt es ja auch viele Probleme. Wie bemisst man so einen Schaden? Gibt es vielleicht so etwas wie Verjährung? Die es normalerweise natürlich tatsächlich gibt für fast alle Schadensersatzansprüche. Das heißt, wir sind hier eigentlich erst einmal auf einem politischen Feld."
Der Fall hat allerdings eine juristische Komponente bekommen: Denn in den USA wird seit 2017 eine Schadenersatzklage von Herero und Nama gegen Deutschland verhandelt. Und im Prinzip seien natürlich amerikanische Urteile schon vollstreckbar, meint Möllers.
(uko)