Vogel: Wahl des Bundespräsidenten kein parteipolitisches Zeichen
Der CDU-Politiker Bernhard Vogel hat davor gewarnt, die Wahl des Bundespräsidenten am Mittwoch als parteipolitisches Zeichen zu deuten. Am Mittwoch werde ein Bundespräsident gewählt, "und nicht alle möglichen Zeichen oder sonstiges", sagte der ehemalige Ministerpräsident von Thüringen und Rheinland-Pfalz.
Jörg Degenhardt: In den Bestseller-Listen ist zurzeit eine Frau der Kirche ganz oben. "In der Mitte des Lebens" heißt das Buch von Margot Käßmann. Orientierung, Halt und Werte finden die Menschen nicht nur in Biografien und Ratgeber-Literatur; auch die Parteien könnten ihnen all das bieten, jedenfalls sollten sie sich darum bemühen, gerade in nicht so rosigen Zeiten. Das gilt für die eher Linken, wie für die sogenannten Konservativen. Um die SPD haben wir uns schon gekümmert, jetzt wollen wir der Union auf den Zahn fühlen.
Schlechte Umfragewerte, schwache Wahlergebnisse, schwindende Mitgliederzahlen - mein nächster Gesprächspartner kennt auch das alles, obwohl er zumeist auf der Seite der Sieger stand. Es ist Bernhard Vogel. Sie kennen ihn sicher noch als langjährigen Ministerpräsidenten im Freistaat Thüringen, davor hat er in Rheinland-Pfalz regiert, heute ist er Ehrenvorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung. Guten Morgen, Herr Vogel.
Bernhard Vogel: Guten Morgen, Herr Degenhardt.
Degenhardt: Machen Sie sich Sorgen um Ihre Partei, oder ist sie gesund?
Vogel: Also diese Werte, die Sie gerade genannt haben, sind natürlich beunruhigend und die muss man ernst nehmen. Es sind aber andererseits auch Momentaufnahmen und keine endgültigen Aussagen. Deswegen ernst nehmen ja, resignieren nein.
Degenhardt: Von der politischen Konkurrenz wird Ihre Partei gern als konservativ etikettiert. Das klingt so – und ich höre schon, wie Sie widersprechen -, als seien sie von gestern. Sind Konservative Bewahrer, oder Blockierer, oder vielleicht sogar beides?
Vogel: Leider ist für viele in Deutschland das Wort konservativ eine Art Schimpfwort, so wie wir gelegentlich von den Sozialdemokraten unhöflicherweise von Sozis reden. Konservativ ist ein Wert von Leuten, die alles prüfen, aber das Gute behalten, die dem Neuen eine Chance geben, aber dem Neuen auch die Beweislast zumuten, besser zu sein wie das Alte. Konservative sind nicht so bequem, alles mitzumachen, was gerade in Mode ist, sondern Konservative haben einen Schuss Skepsis in ihrer Grundauffassung.
Degenhardt: Ich habe mir vor unserem Gespräch überlegt, wer in Ihrer Partei könnte noch als Konservativer gelten. Mir sind Herr Koch und Herr Schönbohm eingefallen, oder Herr Merz, die jetzt aber alle keine große Rolle mehr spielen in der CDU - der Ministerpräsident von Baden-Württemberg Mappus vielleicht noch. Hat Ihre Partei inzwischen ein Problem mit den Konservativen?
Vogel: Ich weiß nicht, ob man solche Worthülsen als Orden verteilen darf. Richtig ist, dass es mehr konservative Elemente, mehr christlich-soziale, mehr freiheitliche bei dem einen oder anderen gibt. Aber nehmen Sie beispielsweise den hervorragenden langjährigen Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Herrn Böhmer; der hat einen Schuss konservativen Gedankengang, selbstverständlich, aber ist gleichzeitig auch ein außerordentlich fortschrittlicher Mann, sonst hätte er dieses schwierige Land nicht so lange erfolgreich regiert.
Degenhardt: Und wie konservativ ist Angela Merkel?
Vogel: Auch Frau Merkel ist der CDU und den Grundgedanken der CDU verpflichtet. Die Väter und Mütter unserer Partei fußten auf christlich-sozialen, liberalen und konservativen Wurzeln, und das muss auch für die Zukunft so bleiben und da kann man nicht mal ein paar Gramm mehr konservativ, dann mal wieder ein paar Gramm mehr liberal einmischen, sondern das ist die Grundlage für die Gründung dieser Partei, und das ist auch die Grundlage noch für heute, selbst wenn gegenwärtig es Klientelparteien mitunter leichter haben als Parteien, die den Anspruch erheben, Volksparteien sein zu wollen.
Degenhardt: Inwiefern ist denn der Zustand Ihrer Partei - wir haben ihn ja eingangs beschrieben - dem Wirken von Angela Merkel als Parteivorsitzende zuzuschreiben?
Vogel: Frau Merkel macht seit vielen Jahren als Bundesvorsitzende der CDU und dann auch als Kanzlerin einen hervorragenden Job, aber die Aufgaben sind sehr, sehr schwierig, gegenwärtig besonders sehr schwierig, und da kann man nicht nur an den jeweils aktuellen Wochenmeldungen der Sympathien oder der Zustimmung abmessen, sondern da muss man einen etwas längeren Atem haben. Glauben Sie, dass Kohl und Adenauer zu jeder Zeit eine Mehrheit in der Sympathie der Bevölkerung hatten? Das habe ich selbst anders erlebt.
Degenhardt: Dann schauen wir ein bisschen in die Zukunft und spekulieren. Wo sehen Sie, Herr Vogel, Ihre Partei sagen wir in zehn Jahren? Ist sie dann wieder die große konservative Volkspartei oder ein Angebot von vielen in der Parteienlandschaft, wenn auch aus Ihrer Sicht natürlich ein besonders gutes?
Vogel: Wir haben mit Volksparteien in der Geschichte der letzten 60 Jahre der Bundesrepublik sehr gute Erfahrung gemacht. Allerdings zwei Volksparteien muss es geben, und ich wünsche mir, dass auch in zehn Jahren noch oder wieder zwei Volksparteien ihre Position und ihr Profil zeigen, und ich wünsche mir, dass dazu die CDU gehört, die übrigens bei den letzten Wahlen, so mager das Ergebnis auch war, in allen Bevölkerungsgruppen und in allen Altersschichten die meisten Stimmen bekommen hat, nicht die Mehrheit, die meisten Stimmen bekommen hat, dass das auch für Zukunft so bleibt und dass sie sich stabilisiert, dass aber auch die Konkurrenz wieder Fuß fasst, denn wir sind durchaus daran interessiert, zwar stärker zu sein wie die Sozialdemokraten, aber dass es eine zweite Volkspartei gibt.
Degenhardt: Könnte die Wahl von Christian Wulff am Mittwoch da ein richtiges Zeichen setzen, wie gesagt aus der Sicht der CDU?
Vogel: Zunächst wählen wir am Mittwoch einen Bundespräsidenten und nicht alle möglichen Zeichen und Sonstiges. Dass das allerdings abstrahlt, dessen bin ich mir bewusst. Das war bei jeder Bundespräsidentenwahl. Natürlich ist Christian Wulff ein Kandidat, der aus den Grundgedanken der christlich-demokratischen Union über Jahrzehnte Politik gemacht hat, denkt und folglich auch als Bundespräsident denken wird.
Degenhardt: Bernhard Vogel war das, der Ehrenvorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Vogel.
Vogel: Auf Wiederschauen, Herr Degenhardt.
Schlechte Umfragewerte, schwache Wahlergebnisse, schwindende Mitgliederzahlen - mein nächster Gesprächspartner kennt auch das alles, obwohl er zumeist auf der Seite der Sieger stand. Es ist Bernhard Vogel. Sie kennen ihn sicher noch als langjährigen Ministerpräsidenten im Freistaat Thüringen, davor hat er in Rheinland-Pfalz regiert, heute ist er Ehrenvorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung. Guten Morgen, Herr Vogel.
Bernhard Vogel: Guten Morgen, Herr Degenhardt.
Degenhardt: Machen Sie sich Sorgen um Ihre Partei, oder ist sie gesund?
Vogel: Also diese Werte, die Sie gerade genannt haben, sind natürlich beunruhigend und die muss man ernst nehmen. Es sind aber andererseits auch Momentaufnahmen und keine endgültigen Aussagen. Deswegen ernst nehmen ja, resignieren nein.
Degenhardt: Von der politischen Konkurrenz wird Ihre Partei gern als konservativ etikettiert. Das klingt so – und ich höre schon, wie Sie widersprechen -, als seien sie von gestern. Sind Konservative Bewahrer, oder Blockierer, oder vielleicht sogar beides?
Vogel: Leider ist für viele in Deutschland das Wort konservativ eine Art Schimpfwort, so wie wir gelegentlich von den Sozialdemokraten unhöflicherweise von Sozis reden. Konservativ ist ein Wert von Leuten, die alles prüfen, aber das Gute behalten, die dem Neuen eine Chance geben, aber dem Neuen auch die Beweislast zumuten, besser zu sein wie das Alte. Konservative sind nicht so bequem, alles mitzumachen, was gerade in Mode ist, sondern Konservative haben einen Schuss Skepsis in ihrer Grundauffassung.
Degenhardt: Ich habe mir vor unserem Gespräch überlegt, wer in Ihrer Partei könnte noch als Konservativer gelten. Mir sind Herr Koch und Herr Schönbohm eingefallen, oder Herr Merz, die jetzt aber alle keine große Rolle mehr spielen in der CDU - der Ministerpräsident von Baden-Württemberg Mappus vielleicht noch. Hat Ihre Partei inzwischen ein Problem mit den Konservativen?
Vogel: Ich weiß nicht, ob man solche Worthülsen als Orden verteilen darf. Richtig ist, dass es mehr konservative Elemente, mehr christlich-soziale, mehr freiheitliche bei dem einen oder anderen gibt. Aber nehmen Sie beispielsweise den hervorragenden langjährigen Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Herrn Böhmer; der hat einen Schuss konservativen Gedankengang, selbstverständlich, aber ist gleichzeitig auch ein außerordentlich fortschrittlicher Mann, sonst hätte er dieses schwierige Land nicht so lange erfolgreich regiert.
Degenhardt: Und wie konservativ ist Angela Merkel?
Vogel: Auch Frau Merkel ist der CDU und den Grundgedanken der CDU verpflichtet. Die Väter und Mütter unserer Partei fußten auf christlich-sozialen, liberalen und konservativen Wurzeln, und das muss auch für die Zukunft so bleiben und da kann man nicht mal ein paar Gramm mehr konservativ, dann mal wieder ein paar Gramm mehr liberal einmischen, sondern das ist die Grundlage für die Gründung dieser Partei, und das ist auch die Grundlage noch für heute, selbst wenn gegenwärtig es Klientelparteien mitunter leichter haben als Parteien, die den Anspruch erheben, Volksparteien sein zu wollen.
Degenhardt: Inwiefern ist denn der Zustand Ihrer Partei - wir haben ihn ja eingangs beschrieben - dem Wirken von Angela Merkel als Parteivorsitzende zuzuschreiben?
Vogel: Frau Merkel macht seit vielen Jahren als Bundesvorsitzende der CDU und dann auch als Kanzlerin einen hervorragenden Job, aber die Aufgaben sind sehr, sehr schwierig, gegenwärtig besonders sehr schwierig, und da kann man nicht nur an den jeweils aktuellen Wochenmeldungen der Sympathien oder der Zustimmung abmessen, sondern da muss man einen etwas längeren Atem haben. Glauben Sie, dass Kohl und Adenauer zu jeder Zeit eine Mehrheit in der Sympathie der Bevölkerung hatten? Das habe ich selbst anders erlebt.
Degenhardt: Dann schauen wir ein bisschen in die Zukunft und spekulieren. Wo sehen Sie, Herr Vogel, Ihre Partei sagen wir in zehn Jahren? Ist sie dann wieder die große konservative Volkspartei oder ein Angebot von vielen in der Parteienlandschaft, wenn auch aus Ihrer Sicht natürlich ein besonders gutes?
Vogel: Wir haben mit Volksparteien in der Geschichte der letzten 60 Jahre der Bundesrepublik sehr gute Erfahrung gemacht. Allerdings zwei Volksparteien muss es geben, und ich wünsche mir, dass auch in zehn Jahren noch oder wieder zwei Volksparteien ihre Position und ihr Profil zeigen, und ich wünsche mir, dass dazu die CDU gehört, die übrigens bei den letzten Wahlen, so mager das Ergebnis auch war, in allen Bevölkerungsgruppen und in allen Altersschichten die meisten Stimmen bekommen hat, nicht die Mehrheit, die meisten Stimmen bekommen hat, dass das auch für Zukunft so bleibt und dass sie sich stabilisiert, dass aber auch die Konkurrenz wieder Fuß fasst, denn wir sind durchaus daran interessiert, zwar stärker zu sein wie die Sozialdemokraten, aber dass es eine zweite Volkspartei gibt.
Degenhardt: Könnte die Wahl von Christian Wulff am Mittwoch da ein richtiges Zeichen setzen, wie gesagt aus der Sicht der CDU?
Vogel: Zunächst wählen wir am Mittwoch einen Bundespräsidenten und nicht alle möglichen Zeichen und Sonstiges. Dass das allerdings abstrahlt, dessen bin ich mir bewusst. Das war bei jeder Bundespräsidentenwahl. Natürlich ist Christian Wulff ein Kandidat, der aus den Grundgedanken der christlich-demokratischen Union über Jahrzehnte Politik gemacht hat, denkt und folglich auch als Bundespräsident denken wird.
Degenhardt: Bernhard Vogel war das, der Ehrenvorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Vogel.
Vogel: Auf Wiederschauen, Herr Degenhardt.