Vogelgrippevirus kann "auch eine Pandemie beim Menschen auslösen"
Der Virologe Alexander Kekulé fordert internationale Absprachen bei der Forschung mit Vogelgrippe-Erregern. Auch in Europa sollte man Experimente von einer besonderen Kommission genehmigen lassen.
Matthias Hanselmann: "Forscher dürfen Killerviren züchten" hieß es auf der ersten Seite der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Vor einem Jahr wurden Versuche mit hochgefährlichen Varianten des Vogelgrippevirus gestoppt. Diese sollen jetzt wieder aufgenommen werden dürfen. Diese Unterbrechung, dieses Moratorium war auf Drängen amerikanischer Sicherheitsbehörden zustande gekommen. Sie hatten befürchtet, dass Forschungserkenntnisse in die Hände von Terroristen fallen könnten.
Was bedeutet das Ende dieses Moratoriums? Wie gefährlich können diese Killerviren sein? Wie sicher sind die Labore, in denen sie hergestellt werden? Darüber sprechen wir jetzt mit Alexander Kekulé. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für medizinische Mikrobiologie und Virologie der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg und Direktor des Instituts für medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Halle. Guten Tag, Herr Kekulé!
Alexander Kekulé: Guten Tag, Herr Hanselmann!
Hanselmann: Wie ist es? Geht das für Sie in Ordnung, dass dieses Moratorium beendet werden soll?
Kekulé: Das war zu erwarten, dass die irgendwann ihr freiwilliges Moratorium aufheben. Man muss das aus der Sicht der Wissenschaftler sehen. Die haben was ganz Tolles gefunden aus ihrer eigenen Sicht und dann aber auf Druck der Geldgeber gesagt: Okay, wir warten jetzt erst mal ab. Die Politik hat in diesem knappen Jahr eigentlich keine klaren Leitlinien festgelegt. Die Amerikaner überlegen noch, wie es weitergehen soll, die Holländer haben gesagt, wir machen es weiter wie bisher, und in Europa gibt es keine Leitlinien. Und jetzt sagen die, na gut, wir können nicht ewig warten, und jetzt wollen wir mal weiter forschen.
Hanselmann: Sie sagen, freiwillig hat diese Gruppe von Forschern verzichtet, das heißt, andere haben wirklich munter weitergemacht?
Kekulé: Es waren eigentlich zwei Arbeiten, eine von der Universität Wisconsin und eine von der Erasmus-Universität in Rotterdam, die ein besonderes Experiment gemacht haben. Das war schon sehr ungewöhnlich: Man hat dort das normale Vogelgrippevirus, was extrem gefährlich ist für Vögel, das hat man so verändert, dass es auch bei Säugetieren übertragen wird, bei sogenannten Frettchen, so kleinen Labortieren, die im Labor verwendet werden. Und damit hat man eigentlich gezeigt, dass dieses Vogelgrippevirus prinzipiell auch eine Pandemie beim Menschen auslösen könnte. Das war so ein spektakuläres Experiment, dass man daraufhin gesagt hat, das ist jetzt so ungewöhnlich und besonders gefährlich, da müssen wir erst drüber nachdenken. Und es hat im Wesentlichen nur diese zwei Arbeitsgruppen betroffen.
Hanselmann: Auf "Spiegel online" war zu lesen, dass solche weiterentwickelten oder untereinander kombinierten Viren, wie Sie eben sagten, Pandemien auslösen könnten mit vielen Millionen Toten. Ist an einem solchen Horrorszenario etwas dran?
Kekulé: Leider ja. Es ist so, dass wir wissen, dass dieses Virus, dieses spezielle H5N1-Virus, um das es da geht, das ist eine Variante der Vogelgrippe, dass dieses spezielle Virus bei bestimmten Tierarten 90 Prozent der Tiere tötet. Bei den wenigen Infektionen, wo es mal zufällig auf den Menschen gesprungen ist, starben immerhin über die Hälfte der Infizierten, so dass man prinzipiell befürchten muss, dass solch ein Virus, wenn es dann die entsprechenden Eigenschaften hat, auch beim Menschen 60 Prozent der Infizierten töten könnte. Und wenn man das verbindet mit einer Pandemie, kommt man auf solche Zahlen. Man muss aber dazu sagen, dass diese Experimente, die dort gemacht wurden, eben gerade gezeigt haben, dass beim Sprung auf eine andere Art, auf eine Säugetierart die Gefährlichkeit dieses Virus jetzt in diesem speziellen Fall nachgelassen hat. Das war also hinterher nicht mehr so gefährlich wie vorher bei den Vögeln.
Hanselmann: Ich habe es am Anfang schon gesagt, amerikanische Sicherheitsbehörden hatten befürchtet, dass eben Forschungserkenntnisse zu diesen Killerviren in die Hände von Terroristen fallen könnten. Für wie wahrscheinlich oder nicht halten Sie das?
Kekulé: Grundsätzlich ist es so, dass das Influenzavirus, also das normale Grippevirus – davor habe ich schon vor vielen Jahren gewarnt – aus meiner Sicht eigentlich das gefährlichste Virus als Biowaffenpotenzial ist. Weil es relativ leicht zu manipulieren ist, weil es viele Leute gibt, die da Zugang haben. Man kann das ja praktisch bei jeder Influenza-Saison einsammeln, wenn man so will. Es ist nicht bewacht als Virus, und es könnte, weil es eben hochinfektiös ist, als Biowaffe geeignet sein.
Die Frage ist nur, und da bin ich nicht der Meinung wie die Amerikaner, ob es einen Sinn macht, deshalb die Erkenntnisse geheim zu halten. Ich glaube, Wissen bahnt sich immer seinen Weg, und wenn man Forschungsergebnisse geheim halten würde, hätte das zur Folge, dass gerade die Leute, die damit Unsinn machen, wahrscheinlich doch an die Informationen rankommen und die braven Forscher in den staatlichen Einrichtungen sind dann unwissend, so dass wir uns eigentlich in der Abwehr schwächen, aber die potenziellen Angreifer damit nicht wirklich tangieren würden.
Hanselmann: Wer darf eigentlich überhaupt mit solchen Vogelgrippevirus und Varianten anderer Viren forschen beziehungsweise experimentieren?
Kekulé: Na, das ist so ein bisschen der Knackpunkt. Wer darf es machen, und was darf er damit machen? Das ist weltweit sehr, sehr unterschiedlich geregelt und man hat jetzt ein Jahr lang diskutiert über dieses berühmte Experiment und ist eigentlich zu keinem richtigen Ergebnis gekommen. Die Kanadier haben gesagt, wir setzen die Sicherheitsstufe für diese Viren hoch auf Stufe 4, das ist die höchste Stufe, die wir haben. Da läuft man dann in so einer Art Raumanzug im Labor rum, das wird zum Beispiel für Ebolaviren vorgeschrieben. Die USA überlegen noch, ob sie verschärfen sollen oder nicht, die Diskussion ist im Gange. Auch die Weltgesundheitsorganisation macht demnächst noch mal eine große Konferenz, wo sie darüber diskutieren will. In Holland bleibt alles beim Gleichen, und in Deutschland ist es so, dass wir eigentlich diese Viren ganz normal erst mal unter Stufe 3 bearbeiten. Das heißt, jeder, der ein Stufe-3-Labor hat, Sicherheitsstufe-3-Labor, da gibt es eine ganze Reihe in Deutschland, kann prinzipiell mal einen Antrag stellen, solche Experimente zu machen.
Hanselmann: Das klingt für mich als Laien offen gestanden nach einem ziemlichen Durcheinander. Welche internationalen Absprachen gibt es eigentlich über die Forschung an Viren? Also wissen die Forscher überhaupt jeweils, wer wann an welchem Virus forscht?
Kekulé: Ja, eben leider nicht. Das war eben bei diesem Experiment von Ron Fouchier ein ganz gutes Beispiel, so heißt der Wissenschaftler da von der Erasmus-Universität in Rotterdam, der hat bei einer Konferenz im Herbst 2011 bekannt gegeben, dass er diese Experimente gemacht hat, und viele Leute im Auditorium sind wirklich vom Stuhl gefallen, weil sie das vorher nicht geahnt hatten. Es gibt keine Absprachen, und ich plädiere ganz dringend dafür, dass man zumindest im europäischen Rahmen – wir sind ja in der EU ganz gut vernetzt und haben auch im Prinzip überall vernünftige Gesprächspartner, die gleiche Wertmaßstäbe haben –, dass man zumindest hier in Europa mal anfängt, Experimente, die von übergeordnetem Interesse sind und von übergeordneter Gefährlichkeit sind, wirklich durch eine besondere Kommission genehmigen zu lassen.
Es kann nicht sein, dass ein paar Kilometer von Köln entfernt, ich meine, Rotterdam ist ja nun wirklich nicht weit weg von uns, dass dort Leute Experimente machen, wo man überhaupt keine Ahnung hat, was da passiert, und dass die dort mit Viren umgehen, die tatsächlich grundsätzlich in der Lage wären, eine weltweite tödliche Pandemie auszulösen. Ich sage nicht, dass man so was nie machen darf. Die Experimente haben manchmal leider ihren Sinn. Aber ich meine, dass man es vorher genehmigen, vorher diskutieren und auch international absprechen soll, bevor man so was angeht.
Hanselmann: Klingt so, als wäre es höchste Zeit. Wie sicher sind eigentlich die Labore, in denen geforscht wird? Wie sichergestellt ist eigentlich, dass da kein Virus sozusagen entfleucht?
Kekulé: Also, da gibt es extreme Unterschiede, und es gibt leider auch schreckliche Beispiele. Gerade in Großbritannien zum Beispiel ist vor einigen Jahren die Maul- und Klauenseuche von einem Labor ausgebrochen, die eigentlich sogar unter Sicherheitsstufe 4 zum Teil erforscht wird. Das heißt also, es gibt immer Sicherheitslücken, da kann immer irgendetwas schief gehen. Natürlich sind die zwei Arbeitsgruppen, die das jetzt gemacht haben, sehr seriös – die haben sicher kein freiwilliges Risiko auf sich genommen.
Aber Sicherheitsstufe 3 heißt eben auf der Welt zum Teil ganz was anderes als bei uns oder in Holland. Und wenn wir da keine allgemeine Regel haben, muss man auch damit rechnen, dass das in Laboren erforscht wird, die eben nicht so zuverlässig sind. Und aus dem Grund hat zum Beispiel Kanada gesagt: Nein, wir wollen ganz bewusst die allerhöchste Sicherheitsstufe. Aus einem bestimmten Grund: Von diesen superspeziellen Laboren gibt es nämlich sehr wenige, und die kann man natürlich viel besser überwachen.
Hanselmann: Also Sie sind der Meinung, dass dieses Moratorium nicht aufgehoben werden sollte?
Kekulé: Ich bin der Meinung, dass das Moratorium sowieso nicht viel bringt. Da haben einfach Wissenschaftler selber gesagt: Wir hören mal freiwillig auf. Daher ist mir das nicht besonders wichtig, ob die das jetzt aufheben oder nicht. Letztlich geht es auch nur um diese zwei Arbeitsgruppen, die jetzt ja natürlich unter verschärfter öffentlicher Beobachtung stehen. Ich bin aber der Meinung, bevor weitere Arbeitsgruppen jetzt anfangen, ähnliche Experimente zu machen … die stehen natürlich schon in den Startlöchern weltweit, weil das interessante Fragestellungen sind. Ich meine, vorher muss man einen neuen Regelungsmechanismus haben, der hier die Genehmigungen verschärft. Das hat übrigens auch die Deutsche Gesellschaft für Virologie in einer aktuellen Stellungnahme gefordert. Die haben auch gesagt, dass wir für eine bestimmte Art von Experimenten mit hochgefährlichen Erregern einen neuen Mechanismus der Genehmigungen brauchen.
Hanselmann: Zum Thema Killerviren haben wir gesprochen mit Alexander Kekulé. Er ist Virologe und Mikrobiologe an der Uni Halle. Vielen Dank, Herr Kekulé.
Kekulé: Sehr gerne.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Was bedeutet das Ende dieses Moratoriums? Wie gefährlich können diese Killerviren sein? Wie sicher sind die Labore, in denen sie hergestellt werden? Darüber sprechen wir jetzt mit Alexander Kekulé. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für medizinische Mikrobiologie und Virologie der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg und Direktor des Instituts für medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Halle. Guten Tag, Herr Kekulé!
Alexander Kekulé: Guten Tag, Herr Hanselmann!
Hanselmann: Wie ist es? Geht das für Sie in Ordnung, dass dieses Moratorium beendet werden soll?
Kekulé: Das war zu erwarten, dass die irgendwann ihr freiwilliges Moratorium aufheben. Man muss das aus der Sicht der Wissenschaftler sehen. Die haben was ganz Tolles gefunden aus ihrer eigenen Sicht und dann aber auf Druck der Geldgeber gesagt: Okay, wir warten jetzt erst mal ab. Die Politik hat in diesem knappen Jahr eigentlich keine klaren Leitlinien festgelegt. Die Amerikaner überlegen noch, wie es weitergehen soll, die Holländer haben gesagt, wir machen es weiter wie bisher, und in Europa gibt es keine Leitlinien. Und jetzt sagen die, na gut, wir können nicht ewig warten, und jetzt wollen wir mal weiter forschen.
Hanselmann: Sie sagen, freiwillig hat diese Gruppe von Forschern verzichtet, das heißt, andere haben wirklich munter weitergemacht?
Kekulé: Es waren eigentlich zwei Arbeiten, eine von der Universität Wisconsin und eine von der Erasmus-Universität in Rotterdam, die ein besonderes Experiment gemacht haben. Das war schon sehr ungewöhnlich: Man hat dort das normale Vogelgrippevirus, was extrem gefährlich ist für Vögel, das hat man so verändert, dass es auch bei Säugetieren übertragen wird, bei sogenannten Frettchen, so kleinen Labortieren, die im Labor verwendet werden. Und damit hat man eigentlich gezeigt, dass dieses Vogelgrippevirus prinzipiell auch eine Pandemie beim Menschen auslösen könnte. Das war so ein spektakuläres Experiment, dass man daraufhin gesagt hat, das ist jetzt so ungewöhnlich und besonders gefährlich, da müssen wir erst drüber nachdenken. Und es hat im Wesentlichen nur diese zwei Arbeitsgruppen betroffen.
Hanselmann: Auf "Spiegel online" war zu lesen, dass solche weiterentwickelten oder untereinander kombinierten Viren, wie Sie eben sagten, Pandemien auslösen könnten mit vielen Millionen Toten. Ist an einem solchen Horrorszenario etwas dran?
Kekulé: Leider ja. Es ist so, dass wir wissen, dass dieses Virus, dieses spezielle H5N1-Virus, um das es da geht, das ist eine Variante der Vogelgrippe, dass dieses spezielle Virus bei bestimmten Tierarten 90 Prozent der Tiere tötet. Bei den wenigen Infektionen, wo es mal zufällig auf den Menschen gesprungen ist, starben immerhin über die Hälfte der Infizierten, so dass man prinzipiell befürchten muss, dass solch ein Virus, wenn es dann die entsprechenden Eigenschaften hat, auch beim Menschen 60 Prozent der Infizierten töten könnte. Und wenn man das verbindet mit einer Pandemie, kommt man auf solche Zahlen. Man muss aber dazu sagen, dass diese Experimente, die dort gemacht wurden, eben gerade gezeigt haben, dass beim Sprung auf eine andere Art, auf eine Säugetierart die Gefährlichkeit dieses Virus jetzt in diesem speziellen Fall nachgelassen hat. Das war also hinterher nicht mehr so gefährlich wie vorher bei den Vögeln.
Hanselmann: Ich habe es am Anfang schon gesagt, amerikanische Sicherheitsbehörden hatten befürchtet, dass eben Forschungserkenntnisse zu diesen Killerviren in die Hände von Terroristen fallen könnten. Für wie wahrscheinlich oder nicht halten Sie das?
Kekulé: Grundsätzlich ist es so, dass das Influenzavirus, also das normale Grippevirus – davor habe ich schon vor vielen Jahren gewarnt – aus meiner Sicht eigentlich das gefährlichste Virus als Biowaffenpotenzial ist. Weil es relativ leicht zu manipulieren ist, weil es viele Leute gibt, die da Zugang haben. Man kann das ja praktisch bei jeder Influenza-Saison einsammeln, wenn man so will. Es ist nicht bewacht als Virus, und es könnte, weil es eben hochinfektiös ist, als Biowaffe geeignet sein.
Die Frage ist nur, und da bin ich nicht der Meinung wie die Amerikaner, ob es einen Sinn macht, deshalb die Erkenntnisse geheim zu halten. Ich glaube, Wissen bahnt sich immer seinen Weg, und wenn man Forschungsergebnisse geheim halten würde, hätte das zur Folge, dass gerade die Leute, die damit Unsinn machen, wahrscheinlich doch an die Informationen rankommen und die braven Forscher in den staatlichen Einrichtungen sind dann unwissend, so dass wir uns eigentlich in der Abwehr schwächen, aber die potenziellen Angreifer damit nicht wirklich tangieren würden.
Hanselmann: Wer darf eigentlich überhaupt mit solchen Vogelgrippevirus und Varianten anderer Viren forschen beziehungsweise experimentieren?
Kekulé: Na, das ist so ein bisschen der Knackpunkt. Wer darf es machen, und was darf er damit machen? Das ist weltweit sehr, sehr unterschiedlich geregelt und man hat jetzt ein Jahr lang diskutiert über dieses berühmte Experiment und ist eigentlich zu keinem richtigen Ergebnis gekommen. Die Kanadier haben gesagt, wir setzen die Sicherheitsstufe für diese Viren hoch auf Stufe 4, das ist die höchste Stufe, die wir haben. Da läuft man dann in so einer Art Raumanzug im Labor rum, das wird zum Beispiel für Ebolaviren vorgeschrieben. Die USA überlegen noch, ob sie verschärfen sollen oder nicht, die Diskussion ist im Gange. Auch die Weltgesundheitsorganisation macht demnächst noch mal eine große Konferenz, wo sie darüber diskutieren will. In Holland bleibt alles beim Gleichen, und in Deutschland ist es so, dass wir eigentlich diese Viren ganz normal erst mal unter Stufe 3 bearbeiten. Das heißt, jeder, der ein Stufe-3-Labor hat, Sicherheitsstufe-3-Labor, da gibt es eine ganze Reihe in Deutschland, kann prinzipiell mal einen Antrag stellen, solche Experimente zu machen.
Hanselmann: Das klingt für mich als Laien offen gestanden nach einem ziemlichen Durcheinander. Welche internationalen Absprachen gibt es eigentlich über die Forschung an Viren? Also wissen die Forscher überhaupt jeweils, wer wann an welchem Virus forscht?
Kekulé: Ja, eben leider nicht. Das war eben bei diesem Experiment von Ron Fouchier ein ganz gutes Beispiel, so heißt der Wissenschaftler da von der Erasmus-Universität in Rotterdam, der hat bei einer Konferenz im Herbst 2011 bekannt gegeben, dass er diese Experimente gemacht hat, und viele Leute im Auditorium sind wirklich vom Stuhl gefallen, weil sie das vorher nicht geahnt hatten. Es gibt keine Absprachen, und ich plädiere ganz dringend dafür, dass man zumindest im europäischen Rahmen – wir sind ja in der EU ganz gut vernetzt und haben auch im Prinzip überall vernünftige Gesprächspartner, die gleiche Wertmaßstäbe haben –, dass man zumindest hier in Europa mal anfängt, Experimente, die von übergeordnetem Interesse sind und von übergeordneter Gefährlichkeit sind, wirklich durch eine besondere Kommission genehmigen zu lassen.
Es kann nicht sein, dass ein paar Kilometer von Köln entfernt, ich meine, Rotterdam ist ja nun wirklich nicht weit weg von uns, dass dort Leute Experimente machen, wo man überhaupt keine Ahnung hat, was da passiert, und dass die dort mit Viren umgehen, die tatsächlich grundsätzlich in der Lage wären, eine weltweite tödliche Pandemie auszulösen. Ich sage nicht, dass man so was nie machen darf. Die Experimente haben manchmal leider ihren Sinn. Aber ich meine, dass man es vorher genehmigen, vorher diskutieren und auch international absprechen soll, bevor man so was angeht.
Hanselmann: Klingt so, als wäre es höchste Zeit. Wie sicher sind eigentlich die Labore, in denen geforscht wird? Wie sichergestellt ist eigentlich, dass da kein Virus sozusagen entfleucht?
Kekulé: Also, da gibt es extreme Unterschiede, und es gibt leider auch schreckliche Beispiele. Gerade in Großbritannien zum Beispiel ist vor einigen Jahren die Maul- und Klauenseuche von einem Labor ausgebrochen, die eigentlich sogar unter Sicherheitsstufe 4 zum Teil erforscht wird. Das heißt also, es gibt immer Sicherheitslücken, da kann immer irgendetwas schief gehen. Natürlich sind die zwei Arbeitsgruppen, die das jetzt gemacht haben, sehr seriös – die haben sicher kein freiwilliges Risiko auf sich genommen.
Aber Sicherheitsstufe 3 heißt eben auf der Welt zum Teil ganz was anderes als bei uns oder in Holland. Und wenn wir da keine allgemeine Regel haben, muss man auch damit rechnen, dass das in Laboren erforscht wird, die eben nicht so zuverlässig sind. Und aus dem Grund hat zum Beispiel Kanada gesagt: Nein, wir wollen ganz bewusst die allerhöchste Sicherheitsstufe. Aus einem bestimmten Grund: Von diesen superspeziellen Laboren gibt es nämlich sehr wenige, und die kann man natürlich viel besser überwachen.
Hanselmann: Also Sie sind der Meinung, dass dieses Moratorium nicht aufgehoben werden sollte?
Kekulé: Ich bin der Meinung, dass das Moratorium sowieso nicht viel bringt. Da haben einfach Wissenschaftler selber gesagt: Wir hören mal freiwillig auf. Daher ist mir das nicht besonders wichtig, ob die das jetzt aufheben oder nicht. Letztlich geht es auch nur um diese zwei Arbeitsgruppen, die jetzt ja natürlich unter verschärfter öffentlicher Beobachtung stehen. Ich bin aber der Meinung, bevor weitere Arbeitsgruppen jetzt anfangen, ähnliche Experimente zu machen … die stehen natürlich schon in den Startlöchern weltweit, weil das interessante Fragestellungen sind. Ich meine, vorher muss man einen neuen Regelungsmechanismus haben, der hier die Genehmigungen verschärft. Das hat übrigens auch die Deutsche Gesellschaft für Virologie in einer aktuellen Stellungnahme gefordert. Die haben auch gesagt, dass wir für eine bestimmte Art von Experimenten mit hochgefährlichen Erregern einen neuen Mechanismus der Genehmigungen brauchen.
Hanselmann: Zum Thema Killerviren haben wir gesprochen mit Alexander Kekulé. Er ist Virologe und Mikrobiologe an der Uni Halle. Vielen Dank, Herr Kekulé.
Kekulé: Sehr gerne.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.