Vogeltod in Ägypten: eine "völlige Katastrophe"
In Ägypten haben Jäger Netze aufgespannt, in denen sich jährlich zehn Millionen Vögel verfangen. Den Tieren werden zum Teil die Flügel gebrochen, damit sie nicht wegfliegen können, sagt der Journalist Jens-Uwe Heins. Dann werden sie verkauft - nicht selten an Gourmetrestaurants.
Stephan Karkowsky: Über 700 Kilometer entlang der ganzen Mittelmeerküste Ägyptens haben Vogelfänger Netze aufgespannt, die sind so drei bis fünf Meter hoch und reichen tatsächlich vom Gazastreifen bis nach Libyen. Jeden Herbst verfangen sich darin mindestens zehn Millionen Vögel, die dann tot oder lebendig auf Märkten verkauft werden. Davon berichtet der Tierökologe und Journalist Jens-Uwe Heins in der ornithologischen Fachzeitschrift "Der Falke". Herr Heins, guten Morgen!
Jens-Uwe Heins: Guten Morgen aus München!
Karkowsky: Sie haben Schockierendes in Ägypten entdeckt, als Sie dort mit dem Biologen Holger Schulz für den Bayerischen Rundfunk recherchiert haben. Dabei ist "entdeckt" vielleicht das falsche Wort, oder? Über diese Netze wurde schon vor 20 Jahren berichtet.
Heins: Ja, über die Netze, die wir jetzt gefunden haben, nicht. Ich habe vor 20 Jahren die ersten Reusennetze entdeckt am Mittelmeer und zwar bei el-Alamein – das sagt vielleicht einigen Leuten noch was, wo der Rommel seine Katastrophe im Zweiten Weltkrieg erlebt hat –, und wir haben damals über diese Situation berichtet. Wir haben mehrere 10.000 Vögel gefunden, die gefangen waren, die verkauft worden sind, haben 80.000 Zuschriften damals bekommen, haben das der ägyptischen Botschaft überbracht. Und da ist auch ein bisschen was gemacht worden: Man hat versucht von ägyptischer Seite aus das einzugrenzen. Und dann hat leider nie wieder einer nachgeguckt, was unten passiert.
Karkowsky: Laien könnten diese Netze – ich habe mir das angesehen – im Internet fälschlicherweise für einen Dünenschutz halten. Das ist natürlich verkehrt. Wo kommen die her?
Heins: Genau. Man muss zwischen zwei Netzarten unterscheiden. Das eine sind Reusennetze, die man sich wie einen Einkaufsbeutel über einen großen Baum sozusagen vorstellen muss. Die Vögel, wenn sie über das Mittelmeer rüberkommen, suchen nach Schatten, nach der kleinsten Art von Schatten, ob das jetzt kleine Gräser sind oder ob es Bäume sind, fliegen in diese Bäume rein und geraten sozusagen in dieses Netz.
Was wir jetzt neu gefunden haben – und das war bisher völlig unbekannt – ist ein riesiges Netz, was mit … Ja, wie kann man sich das vorstellen? Wie ein Fischernetz auf Stelzen sozusagen. Und das war … Zu Anfang, wie wir das erstmalig sahen, haben wir gedacht, das wäre ein Fischernetz unten, weil man das aus der Ornithologie her kennt, da heißen sie Japannetze, da fängt man Vögel zur Beringung, die sind aber maximal zehn Meter lang, sie können auch mal 15 Meter lang sein – und wir sahen dieses Netz plötzlich 300 Meter lang am Strand, und das war eigentlich unvorstellbar. Es war in der Mittagszeit und es waren in der Zeit auch keine Vögel drin.
Und dann haben wir mal sozusagen die Recherche aufgenommen, wie lang dieses Ding überhaupt ist und sind nachgefahren und haben plötzlich zehn Kilometer auf unserem Tacho draufgehabt, und 20 und 30, und uns wurde wirklich schlecht bei der Vorstellung, was da unten passiert. Und die letzten Recherchen liefen dann wirklich … wir sind die ganze ägyptische Küste abgefahren, vom Gazastreifen im Osten, von der israelischen Grenze aus bis zur libyschen Grenze, das sind gute 700 Kilometer. Und da steht durchgängig dieses Netz, mal abgesehen jetzt von Alexandria, direkt aus der Stadt, oder in dem Bereich, wo der Nil ins Mittelmeer fließt, aber ansonsten ist das Netz durchgängig da, zum Teil sogar dreireihig.
Karkowsky: Was wissen Sie denn darüber, was konnten Sie rausfinden darüber, wer diese Fangnetze betreibt, wer sie finanziert und vor allen Dingen auch, wer von den Vögeln dann profitiert?
Heins: Betreiben ist eine relativ schwierige Geschichte. Der gesamte Strandabschnitt, also 700 Kilometer, das muss man sich ja vorstellen, das ist eine Länge von München nach Hamburg, das muss man erst mal organisieren, Luftlinie. Die Strandabschnitte sind einzeln aufgeteilt an lokale Überwachungsleute, die, sagen wir mal, 300, 500 Meter den Strand im Griff haben, diese Netze überwachen. Was man als Hintergrund wissen muss: Die Vögel müssen lebend rausgenommen werden. Wenn sie schon tot drin sind, kann man sie nicht mehr verkaufen. Das hängt einfach mit dem Islam zusammen, die müssen also lebend geborgen werden und werden dann hinterher erst geschlachtet.
Diese Leute sammeln sie ein nachts, die Vögel verfangen sich nachts in den Netzen, bis zum Sonnenaufgang, also die ziehen nachts übers Mittelmeer rüber, die meisten jedenfalls, fliegen in diese Netze rein, die werden rausgeholt, werden gesammelt. Es werden ihnen gleich die Schwung- und Schwanzfedern rausgerissen, damit, wenn die runterfallen oder offen liegen, einfach nicht mehr wegfliegen können. Zum Teil werden ihnen auch die Flügel gebrochen. Dann werden sie in Kisten transportiert. Dann gibt es Zwischenhändler, die sozusagen die Vögel am Strand aufkaufen und sie dann weiter auf die lokalen Märkte bringen und sie da weiterverkaufen.
Jens-Uwe Heins: Guten Morgen aus München!
Karkowsky: Sie haben Schockierendes in Ägypten entdeckt, als Sie dort mit dem Biologen Holger Schulz für den Bayerischen Rundfunk recherchiert haben. Dabei ist "entdeckt" vielleicht das falsche Wort, oder? Über diese Netze wurde schon vor 20 Jahren berichtet.
Heins: Ja, über die Netze, die wir jetzt gefunden haben, nicht. Ich habe vor 20 Jahren die ersten Reusennetze entdeckt am Mittelmeer und zwar bei el-Alamein – das sagt vielleicht einigen Leuten noch was, wo der Rommel seine Katastrophe im Zweiten Weltkrieg erlebt hat –, und wir haben damals über diese Situation berichtet. Wir haben mehrere 10.000 Vögel gefunden, die gefangen waren, die verkauft worden sind, haben 80.000 Zuschriften damals bekommen, haben das der ägyptischen Botschaft überbracht. Und da ist auch ein bisschen was gemacht worden: Man hat versucht von ägyptischer Seite aus das einzugrenzen. Und dann hat leider nie wieder einer nachgeguckt, was unten passiert.
Karkowsky: Laien könnten diese Netze – ich habe mir das angesehen – im Internet fälschlicherweise für einen Dünenschutz halten. Das ist natürlich verkehrt. Wo kommen die her?
Heins: Genau. Man muss zwischen zwei Netzarten unterscheiden. Das eine sind Reusennetze, die man sich wie einen Einkaufsbeutel über einen großen Baum sozusagen vorstellen muss. Die Vögel, wenn sie über das Mittelmeer rüberkommen, suchen nach Schatten, nach der kleinsten Art von Schatten, ob das jetzt kleine Gräser sind oder ob es Bäume sind, fliegen in diese Bäume rein und geraten sozusagen in dieses Netz.
Was wir jetzt neu gefunden haben – und das war bisher völlig unbekannt – ist ein riesiges Netz, was mit … Ja, wie kann man sich das vorstellen? Wie ein Fischernetz auf Stelzen sozusagen. Und das war … Zu Anfang, wie wir das erstmalig sahen, haben wir gedacht, das wäre ein Fischernetz unten, weil man das aus der Ornithologie her kennt, da heißen sie Japannetze, da fängt man Vögel zur Beringung, die sind aber maximal zehn Meter lang, sie können auch mal 15 Meter lang sein – und wir sahen dieses Netz plötzlich 300 Meter lang am Strand, und das war eigentlich unvorstellbar. Es war in der Mittagszeit und es waren in der Zeit auch keine Vögel drin.
Und dann haben wir mal sozusagen die Recherche aufgenommen, wie lang dieses Ding überhaupt ist und sind nachgefahren und haben plötzlich zehn Kilometer auf unserem Tacho draufgehabt, und 20 und 30, und uns wurde wirklich schlecht bei der Vorstellung, was da unten passiert. Und die letzten Recherchen liefen dann wirklich … wir sind die ganze ägyptische Küste abgefahren, vom Gazastreifen im Osten, von der israelischen Grenze aus bis zur libyschen Grenze, das sind gute 700 Kilometer. Und da steht durchgängig dieses Netz, mal abgesehen jetzt von Alexandria, direkt aus der Stadt, oder in dem Bereich, wo der Nil ins Mittelmeer fließt, aber ansonsten ist das Netz durchgängig da, zum Teil sogar dreireihig.
Karkowsky: Was wissen Sie denn darüber, was konnten Sie rausfinden darüber, wer diese Fangnetze betreibt, wer sie finanziert und vor allen Dingen auch, wer von den Vögeln dann profitiert?
Heins: Betreiben ist eine relativ schwierige Geschichte. Der gesamte Strandabschnitt, also 700 Kilometer, das muss man sich ja vorstellen, das ist eine Länge von München nach Hamburg, das muss man erst mal organisieren, Luftlinie. Die Strandabschnitte sind einzeln aufgeteilt an lokale Überwachungsleute, die, sagen wir mal, 300, 500 Meter den Strand im Griff haben, diese Netze überwachen. Was man als Hintergrund wissen muss: Die Vögel müssen lebend rausgenommen werden. Wenn sie schon tot drin sind, kann man sie nicht mehr verkaufen. Das hängt einfach mit dem Islam zusammen, die müssen also lebend geborgen werden und werden dann hinterher erst geschlachtet.
Diese Leute sammeln sie ein nachts, die Vögel verfangen sich nachts in den Netzen, bis zum Sonnenaufgang, also die ziehen nachts übers Mittelmeer rüber, die meisten jedenfalls, fliegen in diese Netze rein, die werden rausgeholt, werden gesammelt. Es werden ihnen gleich die Schwung- und Schwanzfedern rausgerissen, damit, wenn die runterfallen oder offen liegen, einfach nicht mehr wegfliegen können. Zum Teil werden ihnen auch die Flügel gebrochen. Dann werden sie in Kisten transportiert. Dann gibt es Zwischenhändler, die sozusagen die Vögel am Strand aufkaufen und sie dann weiter auf die lokalen Märkte bringen und sie da weiterverkaufen.
Karkowsky: Scheint ein profitables Geschäft zu sein. Was vermuten Sie dahinter? Ist das eine Vogelfang-Mafia? Ist das generalstabsmäßig organisiert von einer Seite der Grenze bis zur anderen? Oder sind das einzelne Geschäftsleute in einzelnen Regionen Ägyptens, die das machen?
Heins: Das ist auf der einen Seite schon klar abgesprochen, weil diese Strandabschnitte untereinander aufgeteilt sind. Aber es ist letztendlich keine Mafia, das wäre ein Wort zu viel, weil ein großes Problem ist: Diese ganze Nummer ist in Ägypten erlaubt. Und von daher kann man nicht von einer Mafia sprechen.
Karkowsky: Sie hören bei uns im Deutschlandradio Kultur Jens-Uwe Heins, er ist Journalist und hat in Ägypten für den Bayerischen Rundfunk recherchiert und ein riesiges Vogelfangnetz an der Küste entdeckt. Herr Heins, Sie sagen, es ist nicht illegal in Ägypten. Wie kann das sein? Denn dort verfangen sich doch sicherlich auch Vögel, die nach internationalem Recht geschützt sind, oder nicht?
Heins: Genau, das ist das Hauptproblem. Es gibt ganz viele Arten, die bei uns auf der Roten Liste stehen oder zumindest im Status bedroht sind, die übers Mittelmeer rüber fliegen und sich unten in diesen Netzen verfangen. Und Ägypten hat aber, wie jedes andere Land auch, sein eigenes Naturschutzrecht, hat natürlich auch internationale Konventionen ratifiziert – da stehen aber diese Arten alle nicht drauf. Und es bringt natürlich wenig, ich sage mal als Beispiel, wenn die Flamingos in der Bonner Konvention ratifiziert worden sind, also auch, dass Ägypten sich beteiligt, dass die da nicht geschossen werden – was im Übrigen auch gemacht wird, aber das ist ein anderes Thema –, aber unsere Arten auf diesen Listen nicht drauf sind, dann kann man das in Ägypten ganz legal machen.
Karkowsky: Also Nachtigall, Wachtel, was verfängt sich da alles?
Heins: Genau, es sind, also nur mal, um ganz plakative Beispiele zu nennen, es sind Bienenfresser, die bei uns nach Deutschland gerade zurückkehren, es sind Wiedehopfe drauf, es sind Nachtigallen drin, es sind Fitisse drin, es sind Wendehälse drin. Also ich selbst bin seit 30 Jahren in der Ornithologie tätig. Ich habe wirklich wenig Wendehälse in meinem Leben gesehen, gehört habe ich sie häufig, habe sie jetzt aber kistenweise hier mit meinem Kollegen Holger Schulz auf den Märkten unten gefunden. Und das ist natürlich eine völlige Katastrophe. Also Pirole, die man bei uns aus den Auwäldern her kennt, … Ich könnte die Liste jetzt endlos fortführen.
Karkowsky: Sie waren ja auch auf den Märkten und haben sich das angeschaut, riesige Kisten voller lebender, zum Teil auch toter Vögel. Was kosten die denn da, diese Vögel?
Heins: Das ist natürlich völlig unterschiedlich, nach Größe, und man muss jetzt sagen, auch nach Geschmacksrichtung, also zwischen einem und fünf Euro ist das, was wir recherchiert haben. Also Wachteln zum Beispiel, die auch in Deutschland nach wie vor zwar im Jagdrecht drin sind, aber bei uns nicht geschossen werden seit langer Zeit, aus guten Gründen, weil man diese Art bei uns eben halt schützen will, die werden da unten pro Stück für fünf Euro angeboten. Und wenn man bedenkt, dass nach unseren Schätzungen mindestens 500.000 in jedem Herbst gefangen werden, dann sind das mal eben 2,5 Millionen Euro, das ist eine Menge – also 500.000 von zehn Millionen, die wir schätzen, die insgesamt an Vogelarten gefangen werden.
Karkowsky: Aber das klingt nicht nach Arme-Leute-Essen. Auf Inseln wie Malta oder Zypern wird ja immer angebracht, dass es das Volk ist, das dort die Vögel fängt und verspeist, weil sie sich oft andere Dinge gar nicht leisten können. Das hört sich in Ägypten anders an.
Heins: Nein, da muss man auch in Ägypten und Malta vorsichtig sein, weil die Situation eine völlig andere ist. Auf Malta geht es in der Regel nicht ums Essen, sondern da ist es Volkssport, und die meisten stopfen ihre Vögel einfach aus, die sammeln die wie Briefmarken, und umso seltener die Art ist, umso mehr ist sie auf Malta interessant. Das ist ja die ganz große Katastrophe. Also auch das, was bei uns selten ist, wird da abgeschossen, weil sie die seltenen Arten haben wollen. Auf Zypern ist es so, dass auch viel gefangen wird, aber das sind natürlich alles Gourmets. Man muss sich davon verabschieden, dass das alles Arme-Leute-Essen ist. Es wird in Ägypten, um darauf zurückzukommen, da wird horrendes Geld mit verdient und es geht in die Gourmetrestaurants, wird das hinterher im ganzen Land verteilt.
Karkowsky: Haben Sie denn Hoffnung, dass man in Kairo diese Fangnetze als Problem erkennen könnte und etwas dagegen tut? Oder hilft da nur der Druck von internationalen Naturschutzorganisationen?
Heins: Also wir haben jetzt gerade Gespräche sowohl mit dem Umweltminister als auch mit Naturschützern unten gehabt und der Umweltminister hat das nicht so ganz geglaubt. Wir haben jetzt gerade in unserem Fernsehbericht, der jetzt laufen wird, werden wir das alles zeigen. Aber wir haben auch – und das ist ein großer Vorteil –von Deutschland aus … Der Naturschutzbund Deutschland widmet sich dieser ganzen Situation, da kann man sich auch mehr Informationen holen, sie sammeln zusätzlich Geld und es sollen unten Leute bezahlt werden in Ägypten, die sich der Sache noch mal vehement annehmen.
Karkowsky: Gibt es denn für Ihre Reportage schon einen Sendetermin? Ich glaube, wir haben jetzt eine Menge Leute neugierig gemacht darauf, die gerne mal sehen möchten, was da vor Ort passiert.
Heins: Es gibt noch keinen konkreten, wir sind ganz nah dran, aber das läuft bei uns im politischen Bereich, und da müssen wir dann ganz kurzfristig sozusagen reagieren, wo wir durchgeben, wann das bei uns läuft.
Karkowsky: Wir achten drauf. Über das womöglich längste Vogelfangnetz der Welt, der Tierökologe und Journalist Jens-Uwe Heins. Herr Heins, Ihnen besten Dank!
Heins: Danke schön zurück nach Berlin!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Da fliegen sie wieder!
Vom 6.-12. Mai: Die große Vogelschau im Deutschlandradio Kultur