"Er hat so viele Farben, sehr, sehr leuchtende Farben. Und einen langen, spitzen Schnabel, um Bienen und andere Insekten zu fangen. Er flitzt einfach herum und fängt die Bienen. Und er klingt auch schön."
"Das ist fast ein tropischer Farbenmix."
"Und der Klang ist auch irgendwie tropisch."
Verspeist auch gerne Hummeln: Der Bienenfresser ist besonders beliebt bei den Vogelfreunden an der Meerenge von Gibraltar.© picture alliance / imageBROKER / Thomas Hinsche
Heute tatsächlich ein paar Bienenfresser zu sehen, das wäre das Größte für Sharon und Nick Duggan. Sie tragen Wanderschuhe, Fleecejacke und einen Hut als Sonnenschutz, suchen den Himmel mit dem Fernglas nach Vögeln ab.
Gestern sind sie hier im spanischen Tarifa angekommen. Gelegen an der Straße von Gibraltar, an der äußersten Südspitze des europäischen Kontinents.
Kürzeste Distanz zwischen Afrika und Europa
Mit ihrem Wohnmobil stehen sie jetzt hier, ein paar Kilometer östlich der kleinen Stadt, an der “Punta Camorro”. Rund 2500 Kilometer Reise haben sie hinter sich, von der südenglischen Grafschaft Devon bis hierher.
Die Bienenfresser, auf die sie hoffen, fliegen in die entgegengesetzte Richtung, aus dem Winterquartier in Afrika um die 3500 Kilometer zu Nistplätzen in Europa.
"Punta Camorro ist ein Beobachtungspunkt, direkt an der Küste, ganz in der Nähe der Stadt Tarifa. Und das ist einer der besonderen Punkte für das Thema Vogelzug. Denn hier ist die kürzeste Distanz zwischen Afrika und Europa, nämlich die berühmten 14,2 Kilometer."
Birdwatcher-Loge - Blick vom Beobachtungspunkt Punta Carnero über den Leuchtturm auf den Gibraltar-Felsen.© Reinhard Spiegelhauer, ARD-Studio Madrid
Heute ist der Himmel leicht bewölkt, über der Meerenge liegt nur wenig Dunst. Die marokkanische Küste scheint wirklich zum Greifen nah. Alejandro Onrubia kennt den Anblick gut, er ist sehr oft hier. Der Mittfünfziger mit kurzen grauen Haaren und Dreitagebart ist Biologe, er arbeitet für die Stiftung MIGRES, die sich vor allem mit dem Zug der Raubvögel über die Meerenge befasst.
Und Raubvögel sind auch tatsächlich unterwegs, freut sich Nick.
"Wir beobachten einen Schwarm Zwergadler. Sie kreisen und nutzen die Thermik. Sie sind ziemlich tief, wenn sie auf dem Weg von Afrika hier ankommen, steigen hoch und gleiten nach Spanien hinein."
Greifvögel brauchen gutes Wetter
Greifvögel wie die Zwergadler brauchen gutes Wetter, damit sie sich an der marokkanischen Küste dank Thermik in die Höhe schrauben können. Denn mit ihren großen Flügeln ist aktives Fliegen zu kräftezehrend. Sie müssen einen großen Teil der Strecke übers Meer segeln.
2500 Kilometer mit dem Wohnmobil hierher gereist - Birdwatcher Sharon und Nick Duggan aus der Grafschaft Devon in Südengland.© Reinhard Spiegelhauer, ARD-Studio Madrid
Deshalb gibt es bei schlechtem Wetter einen regelrechten Stau vor der Meerenge - und umgekehrt oft einen Massenansturm, wenn die Bedingungen dann wieder besser werden.
Manche Vögel stürzen ins Meer
Aber manchmal fliegen die Vögel auch, wenn es noch riskant ist, erklärt Biologe und Vogelkundler Alejandro.
"Normalerweise werden sie auf bessere Bedingungen warten. Aber die Brutzeit beginnt bald. Die Vögel haben es jetzt also schon etwas eilig, die Brutgebiete zu erreichen. Wer zuerst kommt, kann sich den besten Nistplatz holen", sagt er.
"Und irgendwann kommt der Moment, in dem der innere Antrieb sagt: Ich kann nicht länger warten. Dann gehen sie auch Risiken ein, und manchmal verrechnen sie sich dabei, kommen in sehr gefährliche Situationen. Sie können sogar ins Meer abstürzen."
Ideal für Birdwatcher: die Straße von Gibraltar - im Hintergrund ist Jbel Musa zu sehen, ein Bergmassiv im Norden Marokkos.© Reinhard Spiegelhauer, ARD-Studio Madrid
Das sind die Tage, an denen die spektakulärsten Fotos gelingen. Die Beobachtungsstation an der Punta Camorro liegt auf hundert Metern über dem Meer, und manche Vögel haben beim Segeln dann so viel Höhe verloren, dass sie fast auf gleicher Höhe mit Hobby-Ornithologen und Wissenschaftlern an die Küste kommen.
Fernrohr und Stativ für 4000 Euro
Dann richten sich ein Dutzend oder mehr teure Spektive, das sind Teleskope mit 40- bis 60-facher Vergrößerung, und Fotokameras auf die Vögel - an der Ausrüstung kann man oft erkennen, wie groß die Leidenschaft ist.
"Ich glaube, das Fernrohr und das Stativ, das sind über 3000, 4000 Euro. Die Kamera geht, die ist nicht so die teuerste. Aber die ist auch so 1500 Euro wahrscheinlich. Also, es läppert sich zusammen. Fernglas. Und so weiter."
Die Frau mit den langen, dunkelblonden Haaren lächelt hinter dem Fernrohr von Swarovski - unter Kennern sind die Gläser mindestens so berühmt wie die Edelsteine des österreichischen Konzerns. Nur Leica und Zeiss haben bei Vogelfreunden ähnlichen Klang. Auch das Stativ ist von einer Edelmarke: bei 60-facher Vergrößerung muss es wirklich stabil sein, damit das Bild nicht unruhig wird.
Franziska Lörcher ist seit ihrer Kindheit begeistert von Vögeln - besonders seit ihrem großen Schlüsselerlebnis: der Auswilderung von Bartgeiern.
Spektiv im Wert von 3500 Euro: Franziska Lörcher beobachtet Vögel bei Gibraltar ausnahmsweise privat statt beruflich.© Reinhard Spiegelhauer, ARD-Studio Madrid
"Ich habe als Kind die erste Auswilderung in der Schweiz erlebt. Damals vor mittlerweile 31 Jahren habe ich das mitbekommen und das hat mich nie mehr ganz losgelassen. Und dann ging es auch, dass ich das professionell machen konnte."
Franziska kommt aus Zürich, hat teures Equipment mit, und ist doch keine Bankerin. Sie hat Biologie studiert und arbeitet heute für die Stiftung Pro Bartgeier. Hier an der Meerenge macht sie aber tatsächlich: Urlaub.
Schicksal der Birdwatcher: früh aufstehen
Rückblende - ein paar Tage zuvor, ein paar Kilometer entfernt im Hotel “Maison de Sancho”, auf halbem Weg zwischen dem Kiter-Paradies Tarifa und der wichtigen Hafenstadt Algeciras gelegen:
"Es ist ganz schön früh."
Javi Elorriaga: "Naja, jetzt ist es sieben Uhr und wir wollen mit dem Frühstück fertig sein, wenn die Sonne aufgeht."
"Warum so früh?"
Javi Elorriaga: "Wegen der Vögel - die erste Tagesstunde ist immer sehr gut. Dann singen sie am meisten und diese Zeit nutzen wir immer gerne."
Wenn der Zwergadler dich schon grüßt - Vogelführer Javi Elorriaga kennt so gut wie jedes Flugobjekt im Großraum Gibraltar persönlich.© (c) Birding The Strait
Javi Elorriaga betreibt mit einem Freund die kleine Firma “Birding The Strait” - zu deutsch etwa “Vögel an der Meerenge beobachten”. Englisch ist heute auch die gemeinsame Sprache der “Birdwatcher” weltweit. “Birding”, also die mehr oder minder ernsthafte Vogelbeobachtung, ist in Großbritannien schon lange eine Art Volkssport - aber an der Meerenge trifft man auch Deutsche, Schweizer, Niederländer, Franzosen, Italiener und viele andere.
Javi bietet organisierte Tagestouren, aber auch ganze Vogelbeobachtungswochen an - mit Unterkunft, Transport und sachkundiger Führung. Natürlich ist er darauf vorbereitet, dass das Wetter mal so ist, dass eher keine Zugvögel übers Meer an die Küste kommen.
Sogar aus den USA kommen Vogelfans
Aber im Hinterland gibt es genug zu entdecken für seine Gäste, etwa ein Dutzend Vogelfreunde, die tatsächlich aus den USA an die Meerenge gekommen sind.
"Anstatt Richtung Tarifa zu fahren, werde ich ein bisschen weiter nach Norden fahren, aber nicht weit. Es gibt einen echten Höhepunkt des Tages, wir besuchen die Kolonie der Waldrappe. Vor ein paar Jahrhunderten sind sie in Europa ausgestorben, aber dank Nachzucht sind sie zurück."
In zwei Minivans geht es los.
Der Waldrapp ist einer der seltensten Vögel der Welt - und für manche auch einer der hässlichsten.© Reinhard Spiegelhauer, ARD-Studio Madrid
Der Waldrapp ist einer der seltensten Vögel der Welt - und manche Menschen würden sagen: auch einer der hässlichsten. Ein gänsegroßer Ibis mit schwarzem Gefieder, langem, sichelförmig gekrümmtem Schnabel, nacktem, roten Gesicht und langen Nackenfedern.
Vogelbeobachtung - ein durchgeknalltes Hobby?
Bei strömendem Regen und mit Blick auf die Vögel erläutert Javi etwas später die Besonderheiten. Suzanne Miller aus North Virginia freut sich über die Rarität - und darüber, dass es einen überdachten Beobachtungsunterstand gibt.
"Klatschnass zu werden, nur um einen Vogel anzuschauen. Ist das Leidenschaft oder doch irgendwie durchgeknallt?"
Suzanne Miller: "Oh, natürlich ist es nicht durchgeknallt, sondern eine Leidenschaft. Und ich mag es wirklich, Vögel zu beobachten. Manchmal ist das Wetter eben nicht kooperativ."
"Woher kommt ihre Leidenschaft für Vögel und besonders für Zugvögel?"
Suzanne Miller: "Meine Eltern haben immer altes Brot ausgestreut, und es kamen die kleinen gewöhnlichen Vögel. Und mit dem amerikanischen Stieglitz ist es dann richtig losgegangen. Der kam an den Tisch, und da wollte ich wissen, was dieser kleine gelbe Vogel war. Also habe ich ein Bestimmungsbuch gekauft. Dann wollte ich wissen, was der nächste kleine gelbe Vogel war, und dann der nächste, und dann bin ich der Audubon Gesellschaft für Vogelschutz beigetreten und es ging einfach immer weiter."
Birdwatcher im Regen - nicht durchgeknallt, sondern ihrer Leidenschaft frönend.© Reinhard Spiegelhauer, ARD-Studio Madrid
Suzanne Miller hat für die Navy gearbeitet, und bekommt eine gute Pension. Sie und ihr Mann gönnen sich gerne Vogelbeobachtungsreisen. Genauso wie Richard Meyers aus Pennsylvania mit seiner Frau.
"Es waren wohl etwas mehr als 7000 Dollar, glaube ich, für diese Reise. Wir leben ziemlich einfach, und stecken unser Geld in Reisen. Das unterstützt ja auch die Arbeit, die Umweltschützer und Forscher rund um den Vogelzug machen", sagt er.
"Also helfen wir irgendwie auch den Vögeln, wenn wir die Vögel beobachten. Die wissen nichts davon, aber wir wissen, dass das eine wichtige Sache ist. Wir freuen uns, dass wir das machen können."
Vogelschutz auch wirtschaftlich attraktiv machen
Die überseeische Vogelzug-Reisegruppe ist nicht nur zum Vergnügen unterwegs: Sie schafft Arbeitsplätze, die touristische Nachfrage macht Naturschutz, Vogelschutz auch wirtschaftlich attraktiv - den CO2-Abdruck blendet man da erst mal aus. Und vielleicht wären Heli-Skiing oder Karibik-Kreuzfahrt ja wirklich die schlechtere Alternative.
Ein anderer Stopp im Landesinneren, rund 20 Kilometer Luftlinie von Tarifa. Blick auf Feuchtwiesen und auf die nächste spektakuläre Attraktion.
Bei Adebars wird konzentriert gebrütet - selbst der Weißstorch ist für Angereiste aus den USA eine Attraktion.© Reinhard Spiegelhauer, ARD-Studio Madrid
Javi Elorriaga: "Hier sieht man einen Vogel, der schon Eier gelegt hat und brütet. Besonders an nassen und kalten Tagen wie heute sieht man, dass sie sich wirklich darum kümmern müssen."
"Gibt es denn keine Störche in den USA?"
Richard Meyers: "In Florida gibt es Waldstörche, die sind kleiner und stämmiger. Und bei uns sind Störche nicht so weit verbreitet."
"Die sind also wirklich eine Attraktion?"
Richard Meyers: "Das ist wie mit vielen Vögeln: Es gibt Arten um einen herum, die nimmt man als normal wahr. Aber andere Leute kommen von überall her, um sie zu sehen. Und dann gibt es viele andere Orte, an denen wir für uns unbekannte Arten sehen, die dort ganz gewöhnlich sind. Vögel sind wirklich eine Art Beispiel dafür, wie wir mit der Umwelt umgehen, denke ich. Und bei vielen Vogelarten, die wir in den Vereinigten Staaten haben, da gehen die Populationen leider dramatisch zurück."
"Vögel sind ein Beispiel dafür, wie wir mit der Umwelt umgehen", sagt Richard Meyers aus Pennsylvania.© Reinhard Spiegelhauer, ARD-Studio Madrid
Gut, ich war vielleicht ungerecht. Richard hat sich schon als Lehrer für Umweltschutz stark gemacht, er ist im Sierra Club aktiv, der größten Naturschutzorganisation der USA, und natürlich bei den Vogelschützern der National Audubon Society. Ich gönne dem Rentner seine fast-Forschungsreisen.
Der Vogelfreund als touristischer Faktor
Und es stimmt: Vogelfreunde sind ein touristischer Faktor an der Meerenge. In Vor-Covid-Zeiten waren es zuletzt 15.000 bis 20.000 pro Jahr. Zum Vergleich: in den drei Sommermonaten, der eigentlichen Hauptsaison in Tarifa und an der Meerenge, kommen um die 70.000 Urlauber. Richard, Suzanne, Franziska, Sharon und Nick sind willkommene Gäste, findet Javi Elorriaga.
"Ja, so ist es. Der Vogelzug ist zweimal im Jahr, im Frühjahr und im Herbst - das ist für uns die Hochsaison. Gleichzeitig ist aber der Sommer die eigentliche Tourismussaison in der Region. Wir verlängern die Saison, und für die Hotels ist diese Art von Kunden sehr wichtig: weil sie in der Nebensaison kommen und gleichzeitig mittlere bis hohe Kaufkraft haben", sagt er.
"Und pflegeleicht sind sie auch noch: Wenn sie zurückkommen, essen sie noch schnell zu Abend, dann gehen sie ins Bett, um am nächsten Morgen fit zu sein. Und sobald es dämmert, verlassen wir das Hotel und tauchen bis Sonnenuntergang nicht mehr auf, weil wir ja bis dahin draußen sind, um Vögel und Natur zu genießen."
Die Politik hat das Prinzip zwar auch erkannt - aber die Kassen der Kommunen sind leer. Der gepflegte Unterstand bei der Waldrapp-Kolonie ist eine echte Ausnahme, sagt Javi - entstanden dank des Engagements einer naturkundlichen Gesellschaft.
Unterfinanzierte Beobachtungspunkte
Aber die meisten Beobachtungspunkte sind schlecht ausgestattet. Oft gibt es keinen Unterstand, sehr selten Toiletten, und einen der wichtigsten Beobachtungspunkte in der Nähe von Algeciras, der Hafenstadt im Süden der Provinz Cádiz, findet man nur als Eingeweihter. Er liegt an einer Küstenstraße, abgelegen, ohne jedes Hinweisschild, zweieinhalb Parkplätze in einer unübersichtlichen Kurve.
Die Gemeinde Tarifa hat vor gut fünf Jahren ein großes Beobachtungszentrum an der Nationalstraße nach Algeciras eröffnet - die Bauarbeiten hatten schon 2005 begonnen. Die Finanzierung war schwierig, der politische Wille wechselnd. Es steht nun endlich und macht sich gut, sagt Javi.
"Aber die Bürokratie macht vieles kaputt, dann sind alle Bemühungen umsonst. Es gibt private Anstrengungen, es gibt Infrastruktur von der MIGRES-Stiftung, hier mit privaten Mitteln ein Observatorium zu schaffen, das auch wir für unsere Firma nutzen können."
Die Stiftung MIGRES konnte 2016 bei Punta Camorro in alte Armeegebäude einziehen, und hat dort eine Art Besucherzentrum eingerichtet - mit Toiletten, mit Sonnenschutz. Aber der Stiftung geht es wie vielen im Umweltbereich: Die Mittel sind knapp. Auch in Andalusien, obwohl die Autonome Region Umweltschutz schon früh als touristische Werbung entdeckt hat, findet Alejandro Onrubia.
"Ja es gab einen sehr starken Impuls. Es war eine der Regionen, die als erste in Umweltschutz investiert und daran geglaubt haben. Mit guten Vorschriften zum Thema Schutz von Naturräumen, zum Thema Artenschutz.
Aber es stimmt, in der Krise sind die Mittel ausgegangen, Regelungen wurden verwässert, es fehlte Geld für Natur- und Artenschutz. Das merken wir heute noch. Aber die Europäische Union lenkt zum Beispiel mit den Next-Generation-Fonds Mittel in das Thema Umwelt um."
Tote Vögel durch Windräder
MIGRES kann heute nicht mehr in dem Umfang Vögel zählen wie noch vor zehn Jahren. Im Frühjahr ist jahrelang nicht mehr professionell gezählt worden, jetzt hat die Universität von Cádiz ein neues Programm aufgelegt. Und dass das Observatorium von MIGRES von Energiekonzernen mitfinanziert worden ist, das sehen manche Naturschützer kritisch.
Sie unterstellen: Die Stiftung habe sich kaufen lassen, und positive Stellungnahmen zu den Windkraftwerken an der Meerenge erstellt.
"Die Stiftung wollte also ein Mediator sein, zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Als Wissenschaftler müssen wir das Problem einschätzen und Lösungen suchen, Maßnahmen vorschlagen, die wirksam sein können. Die erneuerbaren Energien sind gerade jetzt von entscheidender Bedeutung, wenn es um Dekarbonisierung geht - aber natürlich haben auch erneuerbare Energien Auswirkungen, in diesem Fall auf Zugvögel. Man muss also nach Lösungen suchen, die die Nutzungen mit dem Natur- und Umweltschutz vereinbar machen."
Ein Schwarm Einfarbstare vor Windrädern - die gelten bei Vogelfreunden als "Killermaschinen".© Reinhard Spiegelhauer, ARD-Studio Madrid
In den Ebenen hinter der Wind-Welthauptstadt Tarifa und auf praktisch jedem Gebirgskamm der Gegend stehen heute Windräder. Buchstäblich hunderte.
Ornithologen stoppen bei Bedarf Windräder
Obwohl sie Vogelfreunden auch in Spanien als Killermaschinen gelten. Und sie in etlichen Reihen den Zugvögeln im Weg stehen, die nach der schwierigen Meeresüberquerung ohnehin erschöpft sind.
"Seit 2008 haben alle Windparks in der Gegend professionelle Ornithologen, die an jedem Tag des Jahres die Generatoren anhalten können. Wenn sie Vogelschwärme in der Nähe der Windkraftanlagen beobachten, können sie die Anlagen in weniger als einer Minute stoppen und so Kollisionen reduzieren", sagt Alejandro Onrubia.
Kritiker sagen, trotzdem gebe es zu viele tote Vögel durch die Windräder - und Studien dazu würden verhindert. Weil die Stiftung einerseits im Umweltschutz aktiv sei, andererseits aber eben auch über die Ausgleichszahlungen der Energieversorger vom Windkraftbusiness profitiere. Alejandro sagt, das System sei international ein Vorbild.
"Tatsächlich ist dies die erste Gegend auf der ganzen Welt, an dem Windkraftanlagen so für Vögel abgeschaltet wurden - und jetzt macht man das auch in anderen Ländern. Portugal hat sofort nachgezogen, in den USA macht man es an einigen Orten, und von der Europäischen Kommission sind auch Experten gekommen, um zu prüfen, ob es anderswo umgesetzt werden kann."
Vorsicht Greifvogel, aber zum Verlieben: Der Zwergadler ist einer der Zugvögel, die bei Gibraltar kreuzen.© imago images / Nature Picture Library / Andres M. Dominguez
Tatsächlich stehen an diesem schönen Frühlingstag die Windräder direkt hinter Punta Camorro still. Auf dem Grat etwas weiter östlich laufen sie, das sieht man. Und tatsächlich kommen jetzt Greifvögel im 30-Sekunden-Takt an.
"Da kommt noch ein Zwergadler angesegelt, ziemlich tief. Auch Schwarzmilane, Rohrweihen und Schmutzgeier sollten vorbeikommen. Ganz gut zu sehen, denn sie ziehen im Moment nicht in großer Höhe. Hier kommt noch ein Schlangenadler. Man hat hier natürlich das Gefühl, dass es sehr viele Greifvögel gibt. Weil praktisch alle Greifvögel, die in Westeuropa brüten, hier durchziehen. Deshalb entsteht der Eindruck. Aber sie brüten ja in ganz Europa, es gibt in Wirklichkeit gar nicht so viele, die hier bleiben."
Tages-Vogel-Trip für fast 300 Euro
Auch Vicent Esteller lebt vom Business mit Naturfreunden. Seine Firma heißt Donaña Wings. Er ist heute mit einem spanischen Kunden unterwegs, Alberto. Die beiden tragen Wanderschuhe und Fleecejacke, Basecap als Sonnenschutz, suchen den Himmel mit dem Fernglas nach Vögeln ab. Die Vogelfreak-Uniform.
Man weiß, dass man unter Gleichgesinnten ist - aber aus welchem Land die anderen am Beobachtungsposten kommen, sieht man nicht sofort.
Gut eingerichtet - die Zugvögel können kommen.© Reinhard Spiegelhauer, ARD-Studio Madrid
Alberto Jarana ist im Schnitt einmal pro Monat mit Vicent unterwegs Das ist nicht billig: ein Tagestrip, bei dem er den Vogelspezialisten ganz für sich allein hat, kostet ihn immerhin 275 Euro, als Stammkunde vielleicht etwas weniger. Alberto ist selbstständiger Finanzberater - er verdient gut, kann sich seine Zeit frei einteilen.
"Mein Lieblingsvogel ist der Bienenfresser. Heute war noch keiner dabei, aber der gefällt mir sehr. Ich mag alle Vögel, aber Bienenfresser - der Klang der Bienenfresser, das bedeutet für mich: Jetzt geht der Frühling in Spanien wirklich los."
"Es gibt nie Enttäuschungen"
Da sind sie wieder, die begehrten Bienenfresser. Oder eben auch nicht. Die ersten ziehen wohl erst noch. Eine Enttäuschung? Nein, sagt Britin Sharon, die die Begeisterung für die regenbogenbunten Vögel ja teilt. Birding, das sei immer auch eine Wundertüte.
"Du weißt nie, was du von einem Moment auf den anderen zu sehen bekommst. Es kann etwas Spektakuläres sein, wie ein spanischer Kaiseradler, oder einfach so etwas wie heute Morgen: Da haben wir eine gerade angekommene Nachtigall gehört. Es geht um das Unbekannte, das du von Tag zu Tag erlebst. Du bist draußen an der frischen Luft, siehst die Sonne, hörst die Vögel - es gibt nie Enttäuschungen."