Volker Kutscher: "Olympia"
Piper Verlag, München 2020
544 Seiten, 24 Euro
Kat Menschik empfiehlt "Olympia" von Volker Kutscher
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Die Illustratorin Kat Menschik hat über die Jahre die Figuren von Kutschers Gereon-Rath-Romanen lieb gewonnen und leidet in der beginnenden Nazi-Zeit mit ihnen mit. Sie schenkt "Olympia" ihrem Freund, der auch ein großer Fan der Krimi-Reihe ist.
Es ist Volker Kutschers neuestes Buch um den Kriminalkommissar Gereon Rath. Wir befinden uns im Jahr 1936, Schauplatz ist wie immer Berlin, diesmal vor dem Hintergrund der Olympiade. Die Geschichte spielt im olympischen Dorf. Fritze, der Ziehsohn von Gereon Rath und Charlotte Ritter, darf als eine Art Ehrenhelfer, rekrutiert aus der HJ, den ausländischen Sportlern zu Diensten sein und kleine Botengänge unternehmen. Wir sehen und erleben die Ereignisse nun aus den Augen von Fritze. Er führt durch das Olympische Dorf.
Das ist besonders plastisch, weil wir viele Bilder der Olympiade von 1936 kennen und uns so besonders gut in die Geschichte hineinversetzen können. Fritze gerät nun durch Umstände in die Nähe des amerikanischen Sportlerteams um Jesse Owens, ist glühender Bewunderer der Sportler. Während eines Botengangs für einen der Sportler beobachtet Fritze, wie jemand im großen Speisesaal im olympischen Dorf zu Tode kommt – und ab da nehmen die Dinge ihren verhängnisvollen Lauf. Im Buch geht es, wie immer, natürlich um Mord und Polizeiarbeit. Was aber besonders klar heraustritt, ist, wie Polizeiarbeit und das Leben in Deutschland an sich seit dem Machtantritt der Nationalsozialisten immer schwieriger und gefährlicher wird.
Das beste Buch aus der Gereon-Rath-Reihe
Von Roman zu Roman erleben wir die Protagonisten in dem Versuch, mit den neuen Machtverhältnissen und Machthabern umzugehen. Man befragt sich beim Lesen immer selbst: Wie hätte ich in dieser oder jener Situation gehandelt, ohne das Geschichtswissen, das wir als nachfolgende Generation haben? Wir wissen, welchen grausamen Lauf die Geschichte genommen hat, weil die Nazis barbarisch und gnadenlos gegen jeden vorgegangen sind, der ihnen im Wege stand.
Die Protagonisten im Buch, wie die ganze Generation damals, versuchen mit der sich verschärfenden Situation umzugehen, damit zu leben, dagegen zu kämpfen oder sich damit zu arrangieren. War es bei den ersten Romanen von Volker Kutscher noch so, dass ich am eindrücklichsten die Berlin-Beschreibungen in den goldenen Zwanzigern fand und immer so schön wie in einer Zeitreise durch meine Heimatstadt geführt wurde, und ich darüber zum Fan wurde, ist es hier so, dass ich mit den Figuren, die ich im Lauf der Jahre lieb gewonnen habe, mitleide, sie manchmal schütteln möchte, ihnen aus der Zukunft zurufen und sie warnen möchte.
Ein Blicköffner
Dieses Buch öffnet auf sehr lesenswerte, spannende und unterhaltsame Art einmal mehr unseren Blick dafür, was geschehen kann, wenn wir nicht auf unsere Demokratie achten, auf ein friedliches Zusammenleben in Respekt voreinander. Ich finde, das ist der bisher beste Roman aus der ganzen Gereon-Rath-Reihe.
So, und schenken werde ich dieses Buch meinem Freund, der wie ich großer Volker-Kutscher-Fan ist. Wir leben hier zwar zusammen und ständig wird hier und dort über das Buch gesprochen. Mein Freund aber hält sich immer sofort die Ohren zu, singt laut über den jeweiligen Sprecher und will Nullkommanichts gespoilert bekommen, bevor er das Buch nicht selbst lesen kann. Ab Weihnachten kann er!