"Stadt der Arbeit" von Volker Lösch und Ulf Schmidt feiert am 8. Oktober 2021 im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen Premiere.
Wer arm ist, wird zum Opfer
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"Stadt der Arbeit" ist Musiktheater mit 15 Laiendarstellern aus Gelsenkirchen. Sie kämpfen sich durch Schikanen, werden gegängelt und mit Mythen über Arbeitsmoral traktiert. Sie bringen so das Ende der Erwerbsgesellschaft auf die Bühne.
Dass Theater immer politisch sei, das behaupten eigentlich alle, die mit ihm zu tun haben. Keine Floskel ist das allerdings seit jeher in den Arbeiten des Regisseurs Volker Lösch. Sein Theater geht ins politisch Konkrete, bringt die ganz normalen Menschen von der Straße auf die Bühne und klagt an: den Kapitalismus, den Rechtsruck in der Gesellschaft, die soziale Ungerechtigkeit und den schwindenden Wert der Arbeit.
"Stadt der Arbeit" heißt auch eine aktuelle Inszenierung Löschs gemeinsam mit dem Autor Ulf Schmidt und Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Gelsenkirchen am Musiktheater im Revier. Eigentlich hätte sie pünktlich zum Vorabend der Bundestagswahl Premiere haben sollen, wegen eines Coronafalls im Ensemble musste die Premiere nun aber auf den 8. Oktober verschoben werden.
Arbeit als knappe Ware
Das Thema Arbeit bleibt aber auch abseits aller Termine für Lösch allgegenwärtig, auch wenn es im aktuellen Wahlkampf eher "vermittelt" vorgekommen sei, wie der Regisseur erklärt:
"Es kommt immer noch sehr zentral vor, weil es nach wie vor der herrschende Diskurs ist, der in alle Themen hineinspielt. Der Diskurs, der die Zentralität von Arbeit als Gut darstellt, als eine knappe Ware, die man hat oder nicht hat. Wenn man diese Ware Arbeit besitzt, ist man reich – wenn nicht, ist man ein Opfer."
Für Lösch hat sich in den vergangenen Jahren der früher viele Wahlkämpfe bestimmende Diskurs über die Arbeitslosigkeit "komplett verschoben", weil es gar nicht mehr um Arbeitslosigkeit, sondern um die Armut prekär Beschäftigter gehe, was selbst aber nicht thematisiert werde: "Armut ist der zentrale Punkt, weil all diese Menschen, die ja arbeiten, aber arm sind."
Verschwendung von Talenten
Die sinkenden Arbeitslosenzahlen der vergangenen Jahre hätten darüber hinaus das Narrativ befördert, dass Arbeitslosigkeit auf eigenem Versagen beruhe, so Lösch: "Das Schuldargument, das behauptet: Wenn ich arbeitslos bin, bin ich selber schuld daran – setzt voraus, dass alle die gleichen Chancen des Marktzugangs und des Eigentumserwerbs haben."
Das allerdings, sagt Volker Lösch, sei nicht nur durch internationale Studien "reichlich widerlegt" worden, sondern auch von den Biografien der Menschen, mit denen er für seine Inszenierung "Stadt der Arbeit" in Gelsenkirchen gesprochen habe. Diese erlebten ihre eigene Situation auf dem Arbeitsmarkt im strukturschwachen Ruhrgebiet als "relativ hoffnungslos", da sie sich vielfach in Tätigkeiten wiederfänden, "die sie gar nicht machen wollen, obwohl sie wahnsinnig viele Vorschläge haben, was sie gerne machen würden".
Das Können und die Begabungen all dieser Menschen werden, so Lösch, "nicht abgerufen". "Der eigentliche Skandal" sei nämlich: "Dass man Millionen Menschen abhängt, die bereit sind, die wollen, die können – für die man aber keine Verwendung findet."
(jeb)