"Staunen über das eigene Leben"
Der Literaturkritiker Volker Weidermann hat die verstorbene Schriftstellerin Gabriele Wohmann vor einigen Jahren zu Hause besucht. Er erzählt von seinen Eindrücken und Empfindungen - es war damals eine Mischung aus Freude und Trauer.
Der Literaturkritiker Volker Weidermann kannte die am Montag verstorbene Schriftstellerin Gabriele Wohmann persönlich. Im Deutschlandradio Kultur erzählte er von einem Besuch bei ihr zu Hause in Darmstadt, der vor einigen Jahren stattgefunden hat. Er habe damals Freude und Trauer zugleich empfunden, so erinnert er sich:
"Sie begrüßte mich gleich mit den Worten, dass die meisten Menschen in Deutschland längst davon ausgehen, dass sie schon tot sei. Sie lebte schon in dem Bewusstsein des komplett Vergessenseins. Und dass ein Leben hinter ihr liegt, dass keinen krönenden Abschluss gefunden hat."
Wohmann habe sich dabei allerdings völlig unsentimental gezeigt und gar nicht unglücklich gewirkt, berichtete Weidermann:
"Sie schaute eher staunend und etwas leise lächelnd auf ihr Leben zurück, auf die Karriere, die sie gelebt hatte. Sie lebte dort mit ihrem Ehemann zusammen, der praktisch sein ganzes Leben ihr und ihrem Werk gewidmet hat. Und das war eine erstaunliche Paarbeziehung: 60 Jahre Ehe."
Im Werk von Wohmann hätten für ihn die Erzählungen am meisten Gewicht, so Weidermann: "Die hat sie ja oft nur ein bisschen variiert. Der Stoff war der gleiche: Das gutbürgerliche Milieu in Westdeutschland, Paare mit Sollbruchstellen, immer kurz vor der Katastrophe. Und ihr Werk hat sie immer weiter und weiter fortgeschrieben. Sie hat über 600 Erzählungen geschrieben."