Programmtipp: Am Montag um 6.50 Uhr sprechen wir mit dem Schweizer Schriftsteller Adolf Muschg über die Volksabstimmung und ihre Folgen.
Die Schweiz schottet sich ab
Es war eine knappe Entscheidung, die Ja- und Neinstimmen lagen im Promille-Bereich auseinander. Am Ende setzten sich die Schweizer durch, die die Zuwanderung in ihr Land begrenzen wollen. Das Verhältnis zur EU könnte darunter leiden.
Nach einer Hochrechnung des Meinungsforschungsinstituts GfS stimmten knapp über 50 Prozent der Wähler für das Projekt "Gegen Masseneinwanderung". Damit wird die Schweiz wieder Einwanderungsquoten einführen und Abkommen mit der EU neu aushandeln müssen.
Die Initiative verlangt die Wiedereinführung von Kontingenten und Obergrenzen für Zuwanderer aus dem EU-Raum. Die SVP macht Einwanderer für vielerlei Missstände in der Schweiz verantwortlich, darunter steigende Mieten und überfüllte Züge, aber auch Kriminalität. Die Migranten belasteten die Sozialsystem und erhielten überdurchschnittlich oft staatliche Hilfszahlungen, protestiert die Partei. Gut ausgebildete Einwanderer wie die Deutschen verdrängten die Einheimischen von den Arbeitsplätzen.
Regierung war gegen Initiative
Seit dem Inkrafttreten der Abkommen über freien Personenverkehr mit der Europäischen Union 2002 haben sich jährlich 80.000 EU-Bürger in der Schweiz niedergelassen - zehn Mal so viel wie die Regierung in Bern prognostiziert hatte. Die Schweiz ist nicht EU-Mitglied, wickelt aber den größten Teil ihres Handels mit EU-Staaten ab.
Nach Angaben des Schweizer Bundesamtes für Statistik hatten im Jahr 2012 rund 35 Prozent der Bürger ab 15 Jahren einen Migrationshintergrund. Inzwischen leben etwa 300.000 Deutsche in der Eidgenossenschaft, die insgesamt knapp acht Millionen Einwohner zählt. Die Deutschen arbeiten als Ärzte, Wissenschaftler, Manager, in der Hotellerie und Gastronomie.
Die Regierung in Bern hatte auf ein Scheitern der Volksabstimmung gehofft. Die Schweiz sei auf den Zuzug gut qualifiziert Ausländer angewiesen, betonten Regierungsvertreter. Zudem befürchtet das Kabinett in Bern, dass ein Ja zu dem SVP-Plan das Verhältnis zur EU stark belasten könnte. Brüssel werde sich nicht auf Neuverhandlungen des Abkommens zur Personenfreizügigkeit einlassen. Falls die Schweiz das Abkommen einseitig kündigen sollte, würde die EU alle anderen Abkommen mit den Eidgenossen auf Eis legen.
Keine Neuregelung Abtreibungskosten
In einer anderen Volksabstimmung lehnten laut gfs rund 70 Prozent der Abstimmenden eine Neuregelung der Kosten für Abtreibungen ab. Laut dem Vorstoß religiös-konservativer Kreise sollten die Krankenversicherungen generell nicht mehr für Schwangerschaftsabbrüche aufkommen. Die Regierung und alle großen Parteien lehnten den Plan ab. Auch der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK lehnte die Initiative ab. Die katholische Bischofskonferenz hatte keine Empfehlung für die Abstimmung gegeben.