Volksfrömmigkeit

Verehrung der Maienkönigin

Die neogotische Kirche St. Agnes in der Kölner Nordstadt
Die neogotische Kirche St. Agnes in der Kölner Nordstadt © picture alliance / Oliver Berg
Von Kirsten Serup-Bilfeldt |
Der Brauch der Maiandachten, bei denen Gläubige in der Kirche oder mit der Familie zuhause zusammen kommen, um die Mutter Jesu zu ehren, ist für viele vergessen. Doch in manchen katholischen Gegenden lebt er weiter, sogar in der Großstadt Köln, zum Beispiel in der neogotischen Innenstadt-Kirche St Agnes.
"Bei meinen Eltern in einem kleinen Dorf in der Eifel, wo 200 Menschen leben, gab es selbstverständlich einen Maialtar. Und wir haben die Blumen dafür gesammelt und dazu beigetragen, dass die Muttergottes geschmückt bei uns stand… Und natürlich haben wir als Kinder auch die Maiandacht besucht und haben sie zum Teil auch selbst vorgebetet", erinnert sich der Kölner Pastoralreferent Norbert Bauer.
Diese Erinnerungen an ein Stück katholischer Volksfrömmigkeit teilt er mit vielen Besuchern einer Maiandacht in der Kölner Kirche St. Agnes: "Wir hatten eine Angestellte von der Mosel, die Hilde. Die war sehr katholisch und baute uns in unserem Kinderzimmer ein Altärchen auf..." "Wir haben uns als Kinder immer die Schnapsgläschen aus der Küche stiebitzt und haben die dann rechts und links von der Madonna aufgestellt. Und dann gingen wir auf die Wiese und suchten Gänseblümchen und Butterblümchen - das kostete ja nichts und wir hatten ja kein Geld."

Viele ältere Semester pflegen den Brauch der Maiandacht

Für diese Gläubigen war es in ihrer Kindheit noch selbstverständlich, einen eigenen kleinen Maialtar zu Hause zu errichten und ihn zu schmücken, Marienlieder zu singen, am Abend in die Maiandacht zu gehen und diese einzigartige Mischung aus Orgelklängen, Weihrauch und Blumenduft auf sich wirken zu lassen.
Noch bis zum Zweiten Weltkrieg war dieser Brauch in katholischen Familien selbstverständlich. Doch inzwischen ist er fast in Vergessenheit geraten. "Von meinen Großeltern kannte ich es auch noch; von meinen Eltern schon nicht mehr", erinnert sich Bernhard Wagner, Subsidiar an der Kölner Kirche St. Agnes. "Die Frömmigkeit entwickelt sich weiter. Wir müssen auch ehrlich feststellen: es kommen keine jungen Leute mehr in diese Maiandachten... Die haben andere Formen..."
Folglich wird hier in dem neogotischen Innenstadt-Gotteshaus der Brauch der Maiandachten vor allem von älteren Semestern sorgsam gepflegt. Als schönster Monat des Jahres, in dem alles grünt und blüht, sollte der Mai der "lieblichsten aller Frauen", der Gottesmutter Maria geweiht sein. Und so gab es Maiandachten vermutlich schon im Mittelalter.
"Der ursprüngliche Gedanke dabei war, dass dadurch noch lange erhaltene Fruchtbarkeitskulte aus dem Heidentum zurückgedrängt worden sind. Das hat die Kirche schon im Mittelalter erkannt und wollte dem Mai einen christlichen Sinn geben und so entstand die Marienverehrung in diesem Monat", Bernhard Wagner.
Ihre heutige Form verdanken die Maiandachten aber wohl eher der barocken Frömmigkeitstradition im Italien des 17. und 18. Jahrhunderts, vor allem aber den Jesuiten:
Bernhard Wagner: "Wahrscheinlich hat das auch noch ein klein wenig Nachwirkungen der Gegenreformation, die sich darin zeigen: Es sollte die katholische Identität in der Frömmigkeit noch einmal gestärkt werden. Hier nach Deutschland ist es dann erst sehr spät gekommen, erst 1841 wurde die erste Maiandacht auf deutschem Boden gefeiert, in München. Das war die Idee französischer Ordensschwestern, die dorthin gekommen sind und das organisiert haben."

Keine offizielle Form der kirchlichen Liturgie

Im Jahr 1854 verkündet dann Papst Pius IX. das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens: "Nach dieser dogmatischen Definition hat diese Form der Maiandacht noch mal einen besonderen Aufschwung, eine Aufwertung erfahren. Damals war ja eine Zeit mit mancherlei politischen Wirren und die Kirche hat versucht, ihr eigenes Leben noch einmal zu festigen - auch durch solche Frömmigkeitsformen."
Vieles von den ursprünglichen Prägungen und Ideen der Jesuiten für die Verehrung der "Maienkönigin" Maria ist bis heute fester Bestandteil der Maiandachten geblieben: "Dazu gehören Gebete und Betrachtungen über die Gottesmutter Maria, aber sehr früh gehörte auch schon die "Lauretanische Litanei" dazu."
Die Maiandachten sind nicht Teil der offiziellen Formen kirchlicher Liturgie. Sie gehören eher in den Bereich individueller Frömmigkeitsübungen und können folglich auch freier gestaltet werden. Sie mögen an Anziehungskraft verloren haben oder vielen Gläubigen auch nicht mehr zeitgemäß erscheinen. Und dennoch hat sich in ihnen ein Stück ganz persönlicher katholischer Identität bewahrt.
"Das Altärchen war gestaltet mit der Muttergottes, eine Statue aus Gips, schön angemalt und da brannten dann auch Kerzen rechts und links..."
"Und bei den Gänseblümchen mussten es die sein, die so einen roten Rand hatten, weil das ja die Blutstropfen Jesu waren..."
"Und da pflückten wir im Grüngürtel Jasminblu-men - und da stand denn auch eine Blumenvase mit gestohlenen Jasminblüten..."