"Nur am Ensemble lässt sich ein Stadttheater erkennen"
Eine Wiener Institution steht vor dem Neuanfang: Im Januar wird am Volkstheater die Intendanz neu ausgeschrieben. Der leitende Dramaturg Roland Koberg erzählt von einem faszinierenden, aber schwierig zu leitenden Haus – und kritisiert Sparpläne der Politik.
Das Volkstheater in Wien ist ein echter Theatertanker. Doch das Haus mit der drittgrößten Zuschauerkapazität im deutschsprachigen Raum steht zumindest finanziell immer im Schatten des Burgtheaters und des kleineren Theaters in der Josefstadt. Auch das dürfte einer der Gründe dafür sein, weshalb die 2015 mit viel Aufsehen angetretene Intendantin Anna Badora ihren Vertrag nicht über das Jahr 2020 hinaus verlängern will.
Nun wird die Intendanz neu ausgeschrieben. Im Richtungsstreit um die Zukunft des Volkstheaters werden große Namen genauso gehandelt wie grunderneuernde Konzepte. Auch eine vollständige Neugründung des 2018 nur zu 56 Prozent ausgelasteten Hauses ist dabei im Gespräch.
Davon allerdings hält der leitende Dramaturg Roland Koberg aus dem Team der bisherigen Intendantin Anna Badora wenig. Er sagte im Interview mit Deutschlandfunk Kultur:
"Man muss schon darauf aufmerksam machen, dass das, was jetzt gewünscht ist an Neuerung, auch an Partizipation, an Interaktion mit der Stadt, (das) ist eigentlich genau das, was wir seit vier Jahren machen. Und so gesehen sehe ich es als einen evolutionären Prozess, als einen Prozess, der dauert – und wenn da wieder jemand gefunden wird, der das ähnlich intensiv betreibt wie wir, ist das sicherlich für die Stadt Wien gut."
Ensemble zur Disposition gestellt
Dabei sieht Roland Koberg ähnlich wie seinerzeit im Streit um die Berliner Volksbühne die Frage des Ensembles im Mittelpunkt aller möglichen neuen Leitungsmodell:
"Wir haben hier ein starkes Ensemble mit 20 Schauspielern – reduziert im Vergleich zu früheren Jahren, wie ja überhaupt die festen Ensembles zurückgegangen sind. Aber mit diesen 20 Schauspielern können wir ein umfassendes Repertoire machen und als Repertoiretheater hier in der Stadt bestehen. Dass dieses Ensemble sozusagen zur Disposition gestellt wurde in Äußerungen, die sich jetzt noch nicht in einer Ausschreibung niedergeschlagen haben – allein das Zur-Disposition-Stellen, das finde ich einen sehr schwierigen Vorgang und das weckt Erwartungen, die nicht zu erfüllen sein werden.
Berlin als Negativ-Beispiel
Das kann damit zu tun haben, dass die Kulturstadträtin denkt, hier mit dem Volkstheater etwas machen können oder freie Hand zu haben, aber das wird noch sehr schwierig, wenn man sich das dann mal ansieht. Oder vielleicht hätte man sich auch Beispiele wie Berlin oder andere mal genauer ansehen müssen, um zu wissen, was da auf dem Spiel steht: Nur am Ensemble lässt sich ein Stadttheater überhaupt erkennen. (…) Ein kleineres Ensemble als 20 Schauspieler finde ich unvorstellbar für ein Haus dieser Größenordnung."
Bevor allerdings 2020 der Neuanfang auf künstlerischer Ebene erfolgt, muss sich zunächst das in Teilen längst baufällige Volkstheater selbst einer Generalsanierung unterziehen. Die letzte Spielzeit der Intendanz von Anna Badora wird also in einer Ausweichspielstätte stattfinden. Wo genau, ist jedoch noch nicht spruchreif.