Verfassungskunde auf der Bühne
Die Schrift "Verteidigung der Demokratie" von Hans Kelsen war ihr Ausgangspunkt. Christine Eder will im Wiener Volkstheater grundlegende Gedanken zur Demokratie konsumierbar machen − und zeigen, "was passiert, wenn man die Verfassung aushebelt".
"Verteidigung der Demokratie" heißt ein neues Stück am Wiener Volkstheater – eine "Politshow mit Musik", die sich mit der österreichischen Verfassung auseinandersetzt. Und Fragen stellt wie: Was steht eigentlich drin im Text, wem nutzt die Verfassung, kennen Sie eigentlich Ihre Rechte? Heute Abend ist Premiere.
Autorin und Regisseurin des Stücks, Christine Eder, sagt, ihr sei es ein Anliegen, eine theoretische Grundlage zu liefern, um sich mal wieder mit den grundlegenden Fragen der Demokratie zu befassen. Sie betont, sie sei nicht nur von der Entwicklung in Österreich beunruhigt: "Es ist ja eine europa- oder gar weltweite Entwicklung, dass sich eine Strömung einstellt, die eher autoritäre Modelle der Regierung bevorzugt."
Ausgangsmaterial für den Theaterabend sei eine programmatische Schrift von Hans Kelsen mit dem Titel "Verteidigung der Demokratie" gewesen, eine Abhandlung zur Demokratietheorie. "Das klingt sperrig, ist es auch manchmal", sagt Eder über das Werk des 1881 geborenen Kelsen. "Aber er hat sich so gründlich und eingehend mit Basisfragen beschäftigt, dass ich dachte, das ist total wichtig, ein konsumierbares Theaterstück zu machen, um diese sehr tiefgehenden Gedanken auf eine konsumierbare Art und Weise dem Publikum näherzubringen."
Dokumentarisches Biopic plus Theorie
Das Stück werde an Kelsens Biografie entlang entwickelt, die immerhin von der k.u.k.-Zeit bis in die 70er-Jahre reicht. Kelsen arbeitete mit anderen in führender Rolle auch die Bundesverfassung von 1920 aus, die heute mit einigen Änderungen in Österreich wieder gilt.
Eder sagt, Kelsen sei immer wieder an Fokuspunkten der Geschichte gewesen, habe als Jude Österreich und dann Deutschland verlassen müssen, sei nach Amerika geflohen und 1968 auch in Berkeley gewesen, wo es den Studenten auch um grundlegende Verfassungsfragen wie Meinungsfreiheit und Redefreiheit gegangen sei.
"All die Stationen habe ich zu einem dokumentarischen Biopic mit ganz vielen Originalzitaten aus der Zeit verwoben", sagt Autorin Christine Eder. "Und zwischendrin gibt's auch Theoretisches zu hören."
Ein bisschen Brecht'sches Theater
Eder macht klar, dass es sich nicht um eine Vorlesung an der Uni handle, sondern dass es immer noch ein Theaterstück sei: "Um sich ein paar grundlegende Gedanken zu machen, kann man ins Theater gehen. Dazu muss es aber auch auf eine Art leicht daherkommen und ich habe auch nicht den Anspruch, mein Publikum zu belehren, sondern ich zeige einfach nur auf, welche interessanten Denker sich schon mal Gedanken dazu gemacht haben. Und ich zeige auf, was passiert, wenn man die Verfassung aushebelt."
Eder sagt, ein bisschen sei es schon wie Brecht'sches Theater, im Sinne der Analyse und des Lehrstückhaften: "Am Beispiel des Reichstagbrands kann man analysieren, was passiert, wenn eine geltende Verfassung außer Kraft gesetzt wird." Musikalisch sei es aber kein Brecht'sches Theater – die Musikerin Gustav mache eher Musik aus dem Pop- und Elektrobereich.
(mf)