Uwe Bork, geboren 1951 im niedersächsischen Verden (Aller), studierte an der Universität Göttingen Soziologie, Wirtschafts- und Sozialpolitik, Verfassungsgeschichte, Pädagogik und Publizistik. Bis Ende 2016 leitete er die Fernsehredaktion 'Religion, Kirche und Gesellschaft‘ des SWR. Für seine Arbeiten wurde er mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zweimal mit dem Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet. Uwe Bork arbeitet als Autor, Referent und freier Journalist.
Es dominieren die Juristen, nicht die Handwerker
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Das ist repräsentative Demokratie: Vom Gemeinderat bis zum Mega-EU-Parlament in Straßburg entsenden wir regelmäßig und verlässlich unsere Vertreterinnen und Vertreter. Aber, so fragt der Journalist und Autor Uwe Bork, wer vertritt uns da eigentlich?
Alle Staatsgewalt geht in Deutschland vom Volke aus. Selbst wenn Verschwörungstheoretiker das bestreiten: Wir alle sind in unserem Land der Souverän, also – bitte verzeihen Sie den gendermäßigen Lapsus – der Herr im Haus.
Artikel 20 unseres Grundgesetzes legt das so fest, und niemand will das ändern, von den verbohrten Fähnlein rigider Reichsbürger vielleicht einmal abgesehen.
Wir anderen haben den Großteil unserer Herrschaftsrechte allerdings an von uns gewählte Männer und Frauen abgetreten, die für uns über den Kurs unseres Gemeinwesens entscheiden.
Nicht immer bin ich damit einverstanden, wie sie den Kurs festlegen, aber ich habe schließlich noch 83 Millionen Mitherrscher, die auch nicht immer das bekommen, was sie wollen. So ist das eben in der Demokratie.
Auffällig viele Juristen und Wirtschaftswissenschaftler
Parlamentarismus ist stets ein Ringen um die richtige Lösung, oder, wenn schon nicht um die richtige, dann doch um die mit der größten Akzeptanz. Durchaus hilfreich kann sich dabei erweisen, wenn die Volksvertretungen weitestgehend so zusammengesetzt sind wie das Volk auch, sein Spiegelbild gewissermaßen.
Abgesehen davon, dass das in der Geschichte offensichtlich noch nie funktioniert hat: Selbst in den Schein-Parlamenten der Arbeiter-und-Bauernstaaten saßen nicht nur Arbeiter und Bauern. Ein Blick in die Statistiken zeigt zudem, dass der Deutsche Bundestag anders aussieht als der Bevölkerungsquerschnitt.
Nicht nur, dass er mit einem Anteil von 30,9 Prozent weiblicher Abgeordneter weit – sehr weit! – von einer Geschlechterparität entfernt ist, auch sonst ist er nicht unbedingt ein Abbild seines Wahlvolks. Oder haben etwa 21 Prozent aller Deutschen einen Abschluss in Jura, sind etwa 15 Prozent von ihnen Wirtschaftswissenschaftler und immerhin noch knapp acht Prozent Politologen?
Die grüne Fraktion hat die meisten Akademiker
Auf der anderen Seite sind Mediziner im Bundestag Mangelware: Neben dem überall präsenten Karl Lauterbach sind in ihm nur zwölf weitere Ärzte oder Ärztinnen zu finden, insgesamt noch nicht einmal zwei Prozent der rund 700 Abgeordneten. Das ist nicht nur in Zeiten der Pandemie ein bitterer Beleg dafür, dass bestimmte Berufsgruppen in unseren Parlamenten kaum vertreten sind.
Arbeiter beispielsweise. Oder generell Menschen aus Milieus, für die es nach einer Ausbildung in Handel oder Handwerk vorbei war mit dem Aufstieg in der Leistungsgesellschaft. Noch nicht einmal vier von fünf Deutschen haben einen Hochschulabschluss, genau umgekehrt ist es im Bundestag, am deutlichsten übrigens bei den Grünen.
Diplome sind kein Bollwerk gegen Dummheit
Nun wäre dieses Übergewicht von Akademikerinnen und Akademikern sicher nicht so schlimm, könnte man davon ausgehen, dass akademische Bildung auch immer mit politischer Klugheit und makelloser Moral einherginge. Wie nicht nur die desaströsen Masken-Deals der letzten Monate zeigen, ist das jedoch keineswegs der Fall: Diplome sind kein Bollwerk gegen Dummheit.
Schlimmer noch: Ihre Dominanz verärgert und demotiviert diejenigen, die sie nicht besitzen. Die Enttäuschung darüber, dass die vermeintlich Klügeren und die Experten jeglicher Provenienz nicht im Mindesten für eine vorausschauende und gerechte Politik bürgen, erleichtert rechten Populisten den Stimmenfang in verstörendem Ausmaß.
Sie profitieren davon, dass den ehemals großen Volksparteien ihre Wurzeln in ebendiesem Volk absterben, dass die FDP immer noch vor allem in pekuniär besser gedüngten Parzellen wurzelt und dass die Grünen in den kargen Böden der Ebenen überhaupt erst noch Wurzeln schlagen müssen.
Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus? Seien wir wachsam, wo sie in diesen Tagen hingeht.