Volkswagen

Ein Vorstand im "Notstand"

Hans Dieter Pötsch, Vorstandsmitglied der Volkswagen AG, Geschäftsbereich Finanzen und Cotrolling, soll neuer Aufsichtsratsvorsitzender von Volkswagen werden.
Hans Dieter Pötsch soll neuer Aufsichtsratsvorsitzender von Volkswagen werden © Jochen Lübke
Von Michael Braun |
Diese Art von Kontinuität haben Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre von VW nicht verdient, kommentiert Michael Braun. Mit der Berufung von Hans Dieter Pötsch zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats sei die Gefahr groß, dass Aufklärung zum Lippenbekenntnis werde.
Eigentlich geht alles nicht mit rechten Dingen zu an der Spitze des VW-Aufsichtsrates: Da soll einer dessen Vorsitzender werden, der noch nicht mal Mitglied ist. Der auch nicht auf dem normalen, unternehmensdemokratischen Weg durch die Hauptversammlung als Mitglied gewählt, sondern in aller Eile vom Amtsgericht ernannt wird. Der überdies nicht die Regeln guter Unternehmensführung beachtet und als ehemaliger Vorstand zwei Jahre pausiert, bevor er Aufsichtsrat wird. Und der zu schlechter Letzt als bisheriger Finanzvorstand Klagen am Hals hat, weil er Meldepflichten übergangen haben, also den Kapitalmarkt zu spät informiert haben soll.
Schließlich wusste VW schon am 3. September, dass die amerikanische Umweltbehörde den manipulierten Dieselmotoren nachspürt, schließlich hatte die Börse schon am 21. September mit deftigen Kursabschlägen von rund einem Fünftel reagiert. Doch die Meldung an den Kapitalmarkt kam erst am 22. September – eine Verantwortung des Finanzvorstandes.
Kann so einer oberster Aufseher werden? Wird er dieser möglichen Verletzung der Meldepflicht, also möglicherweise eigenem Versagen, als Aufseher nachgehen können? Wird er eine Unternehmenskultur ändern können, die statt technische Lösungen zu liefern lieber den Weg in den Betrug wies? Ist diese Unternehmenskultur geprägt worden von einem zu engen Finanzrahmen, für den natürlich ein Finanzvorstand mitverantwortlich ist? Gerät er auch in dieser Frage in die Rolle, sich selbst kontrollieren zu müssen?
Die Eigentümerfamilien wollen es so
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, eine große deutsche Aktionärsvereinigung, stimmt Person und Verfahren zu, trotz großer Bedenken. Es sei ein "übergesetzlicher Notstand", es gebe keine Alternative. Das sind angesichts der aktuellen Lage nachvollziehbare Argumente. Zumal der interimistische Aufsichtsratsvorsitzende Berthold Huber nicht zur Verfügung steht. Er kommt als ehemaliger IG Metall-Chef von der falschen Seite, von der Arbeitnehmerbank, nicht von der Kapitalseite.
Er hat zwar seinen Job gut gemacht in der Krise, hat auch Martin Winterkorn mit der Aussage "Ich werde Sie nicht vorschlagen und auch nicht wählen" von Ambitionen abgebracht, weiter den Vorstand zu führen, sich also um einen klaren Schnitt verdient gemacht. Aber Huber bleibt bei seinem lange angekündigten Plan, aus dem Aufsichtsrat auszuscheiden, um dem vermutlich künftigen IG Metall-Vorsitzenden Jörg Hofmann Platz zu machen.
Dass die Lage so aussichtslos und verfahren scheint, liegt an den Eigentümerfamilien Porsche und Piech. Die wollen es so. Das ist ein gewichtiges Argument. Doch kann ein Konzern mit 600.000 Mitarbeitern noch ein Familienbetrieb sein? Ferdinand Piëch, der gescheiterte Aufsichtsratsvorsitzende, hat ihn so geführt. Es hat lange gut gegangen. Aber die Strukturen und Kulturen bei VW haben nicht gestimmt.
Mag sein, dass sich das mit einem familienfremden Aufsichtsratschef ändert. Aber mit Pötsch ist die Gefahr groß, dass die versprochene Aufklärung zu einem Lippenbekenntnis wird. Der Verantwortung eines Eigentümers werden die Porsches und Piechs mit dieser Wahl nicht gerecht. Diese Art von Kontinuität haben Kunden, Mitarbeiter und familienfremde Aktionäre nicht verdient.
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