Was Ferdinand Piëch an Managern gar nicht mag
Wie geht es weiter bei Volkswagen? Darüber wurde gestern in einer Sondersitzung des Aufsichtsrats-Präsidiums diskutiert. Heute sollen Entscheidungen bekannt gegeben werden. Für Piëch-Biograf Wolfgang Fürweger ist Martin Winterkorn bereits jetzt eine "lahme Ente".
Wolfgang Fürweger, Journalist und Piëch-Biograf, rechnet nach der gestrigen Sondersitzung des Aufsichtsrat-Präsidiums von VW in Salzburg mit einer weitreichenden Entscheidung. Er könne sich nicht vorstellen, dass Vorstandschef Martin Winterkorn noch eine ganz lange Zukunft bei Volkswagen habe, sagte Fürweger im Deutschlandradio Kultur:
"Auch wenn er jetzt bis zum Ende seines Vertrages weiter macht, dann wäre er doch das, was die Amerikaner eine "lame duck", eine "lahme Ente" nennen. Der irgendwie eine sehr deutliche Ablauffrist hat. Insofern bin ich ganz gespannt, was uns Volkswagen heute mitteilen wird."
Piëchs öffentliche Brüskierung Winterkorns im "Spiegel"-Interview sei eine klare strategische Überlegung und Entscheidung gewesen, meinte Fürweger. Piëch werfe dem Management des Konzern vor, dass es sich zu sehr mit sich selbst und der Diskussion um Nachfolgefragen für wichtige Positionen beschäftigt habe:
"Diese Dinge mag Ferdinand Piëch gar nicht. Ihm geht es darum, dass die Manager das machen, wofür sie bezahlt werden, nämlich Geld zu verdienen und nicht an ihren eigenen Karrieren zu basteln."
"Diese Dinge mag Ferdinand Piëch gar nicht. Ihm geht es darum, dass die Manager das machen, wofür sie bezahlt werden, nämlich Geld zu verdienen und nicht an ihren eigenen Karrieren zu basteln."
Solche öffentlichkeitswirksamen Effekte zu nutzen, sei typisch für Piëch, sagte Fürweger. Diese Strategie sei allerdings kein Selbstzweck:
"Er lebt Volkswagen. Er ist Volkswagen. Er verkörpert das Unternehmen wie kein anderer. Und ich glaube, bei allem, was er tut, ist er geleitet von dem Gedanken: 'Was ist das Beste für das Unternehmen? Und nicht: Was ist das Beste für uns selbst?'"
Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Der Aufsichtsratschef von VW, Ferdinand Piëch, steht nicht mehr hinter dem Vorstandsvorsitzenden des Konzerns Martin Winterkorn. Bei einem anderen Konzern und anderen Personen wäre das nur nicht schön, hier aber ist es eine große Sache. Denn niemand bei VW hat so viel Macht wie Piëch. Und niemand galt bisher so sicher als sein Nachfolger in dieser Position wie Winterkorn. Aber das ist nach dieser Äußerung vorbei. Gestern gab es nun in Salzburg eine Sondersitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates von VW. Die dauerte stundenlang und man hat mit Sicherheit eine Menge besprochen. Wir wissen nur nicht, was, weil es danach keine Pressekonferenz oder kurze Erklärung gab. Die soll erst heute im Laufe des Tages folgen. Wir wollen trotzdem jetzt schon mit Wolfgang Fürweger sprechen, er ist Journalist und unter anderem Autor des Buches "Ferdinand Piëch. Der Automanager des Jahrhunderts". Schönen guten Morgen, Herr Fürweger!
Wolfgang Fürweger: Guten Morgen aus Wien!
Kassel: Was auch immer danach passiert ist, das wissen wir nicht, aber eins hätte ja passieren können, es dauerte am Ende dieser Sondersitzung nicht mehr solange, dann war Mitternacht und dann hatte Ferdinand Piëch Geburtstag, er wird heute 78. Glauben Sie, die Herren da und auch die Damen haben noch miteinander angestoßen nach dieser Sitzung?
Fürweger: Also, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Zum einen, glaube ich, ist Ferdinand Piëch niemand, der sich gerne feiern lässt, also geburtstagsmäßig feiern lässt Und zum Zweiten, glaube ich, ist die Stimmung zurzeit nicht so, dass den Menschen nach Feiern zumute war.
Kassel: Was machen Sie allein schon daraus, dass die erst mal gesagt haben, Leute, es wird jetzt noch viele Stunden dauern, bevor wir überhaupt sagen, was wir besprochen haben?
Fürweger: Ja, ich denke, das zeigt, dass es noch einen gewissen Abklärungsbedarf innerhalb des Aufsichtsrates gibt. Und das deutet darauf hin, dass es zumindest eine sehr weitreichende Entscheidung geben wird, weil, sonst müsste ich ja nicht wirklich lange darüber diskutieren müssen.
Piëch ist kein "Polterer"
Kassel: Wie habe ich mir gerade Auftritte von Piëch bei solchen Veranstaltungen vorzustellen? Ist er der Polterer, der laut sagt, was Sache ist, oder sitzt er eher ganz ruhig da und spricht ab und zu mit leiser, aber sehr konzentrierter Stimme?
Fürweger: Also, er ist bei Gott nicht der Polterer, sondern er sitzt ganz ruhig da, überlegt, hört sehr lange zu. Er weiß, ein guter Manager hat zwei Ohren, aber nur einen Mund. Er sollte doppelt so viel zuhören wie selbst reden. Und wenn er etwas sagt, dann hat das Gewicht und dann kleben sicher alle an seinen Lippen.
Kassel: Aber gerade wenn Sie das beschreiben, frage ich mich ja erst recht noch mal, warum er denn ausgerechnet öffentlich im "Spiegel" vor einer Woche verkündet hat, dass er nicht mehr hinter Winterkorn steht! Was hat ihn da geritten?
Fürweger: Ich glaube, es hat ihn nichts geritten, sondern das war eine ganz klare strategische Überlegung und Entscheidung, die er getroffen hat. Einer der Vorwürfe, die Ferdinand Piëch dem Management in Wolfsburg zurzeit machen soll, ist der, dass man sich zu sehr mit sich selbst beschäftigt hat. Alle haben sich darüber gefreut, man hat zehn Millionen Autos verkauft, man hat sich gegenseitig auf die Schulter geklopft, man hat darüber spekuliert, Winterkorn galt als logischer Piëch-Nachfolger. Wer wird nach Winterkorn kommen, wer steigt im Windschatten des Neuen auf? Und diese Dinge mag Ferdinand Piëch gar nicht. Ihm geht es darum, dass die Manager das machen, wofür sie bezahlt werden, nämlich Geld zu verdienen und nicht an ihren eigenen Karrieren zu basteln.
Der Effekt der öffentlichen Aufmerksamkeit
Kassel: Das heißt aber auch, er hat die Öffentlichkeit benutzt. Denn er hätte das Ganze ja auch still und heimlich im Konzern klären können!
Fürweger: Ja, aber es hat sicher mehr Effekt, wenn ich das öffentlich mache. Und das große Aufrütteln, das große Aufwachen ist sicher ein anderes, als wenn ich das in einer Aufsichtsratssitzung oder irgendwo in einer internen Sitzung sage.
Kassel: Ist das typisch für Piech, dass er so alle Strippen zieht, die nur irgendwo herumliegen?
Fürweger: Ja, das ist sicher typisch für ihn. Das macht er sicher nicht nur aus Selbstzweck, sondern er lebt Volkswagen, er ist Volkswagen. Er verkörpert das Unternehmen wie kein anderer. Und ich glaube, bei allem, was er tut, ist er geleitet von dem Gedanken: Was ist das Beste für das Unternehmen? Und nicht: Was ist das Beste für uns selbst?
Kassel: Nun hat Martin Winterkorn nach diesen öffentlichen Äußerungen von Piech angekündigt, er werde kämpfen um seine Position bei VW. Und er war ja gestern in Salzburg auch dabei. Hat er noch eine Chance?
"Es gibt nur einen Mächtigen im Konzern"
Fürweger: Na ja, das zeigt irgendwie schon, wo der Ort des Geschehens war. Es ist ja nicht Ferdinand Piëch nach Wolfsburg geflogen, sondern alle sind zu ihm nach Salzburg geflogen. Das zeigt irgendwie auch, dass es sich um keinen Machtkampf handelt, denn ein Machtkampf würde ja voraussetzen, dass es zwei Mächtige gibt, die um die Macht kämpfen.
Irgendwie gibt es offensichtlich einen Mächtigen und einen anderen, der um sein wirtschaftliches oder sein berufliches Überleben ringt. Und also, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Martin Winterkorn jetzt eine ganz lange Zukunft noch bei Volkswagen hätte. Auch wenn er jetzt bis zum Ende seines Vertrags weitermacht, dann wäre er doch das, was die Amerikaner eine 'lame duck', also eine 'lahme Ente' nennen. Der irgendwie eine sehr deutliche Ablauffrist hat. Insofern bin ich ganz gespannt, was uns heute Volkswagen mitteilen wird.
Auch die Familie Porsche hat viel Geld verdient
Kassel: Nun hat aber ja die Porsche-Familie nach dieser Äußerung auch gesagt, das ist nicht mit uns abgesprochen, das ist die Privatmeinung eines gewissen Herrn Piëch. Kann wirklich niemand was gegen ihn tun in diesem Konzern?
Fürweger: Na ja, wenn ich sage, das ist nicht abgesprochen, heißt das ja nicht, dass ich mich nicht am Ende dieser Meinung anschließen kann. Und am Ende haben sich die Familien Porsche und Piëch noch immer geeinigt. Zum einen sind sie dazu vertraglich verpflichtet, sie stimmen ja immer gemeinsam. Und zum anderen wissen ja die Porsches ganz genau, dass sie mit Ferdinand Piëch in den vergangenen Jahrzehnten ganz gutes Geld verdient haben. Und letztlich geht es ja der Familie Porsche und Piëch darum, Geld zu verdienen. Die meisten der mittlerweile 80 Familienmitglieder haben ja keine relativ große Nähe mehr zum Auto-Geschäft, das ist ja nur der Ferdinand Piëch selbst, der auch das Auto lebt.
Kassel: Herzlichen Dank, Wolfgang Fürweger war das. Er ist Journalist und Piech-Biograf, vor vier Jahren erschien sein Buch über den – so lautet der Untertitel – "Automanager des Jahrhunderts". Herr Fürweger, es bleibt spannend für uns beide und ich danke Ihnen für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.