Volldampf-Arm und Roboter-Prothese
Zu den wohl prominentesten Trägern einer Armprothese der deutschen Geschichte gehört wohl Götz von Berlichingen. Der fränkische Ritter, der von Goethe verewigt wurde, hatte durch eine Schussverletzung auf dem Schlachtfeld seine rechte Hand verloren. Seit dieser Zeit trug er eine Pranke aus Eisen mit beweglichen Fingern, so dass er noch immer sein Schwert halten konnte. Die Prothese war schon damals im frühen 16. Jahrhundert ein mechanisches Meisterwerk. Und über dieses Niveau haben sich die Konstrukteure künstlicher Gliedmaßen lange Zeit nicht hinausbewegt. Erst in den vergangenen Jahren sorgt vor allem die Mechatronik für neue Impulse auf diesem Gebiet.
Die Vanderbilt University, ein gutes Stück westlich der Innenstadt der "Music City USA". Von Country-Kneipen und Touristen mit Cowboyhüten ist hier nichts zu sehen. Der nordöstliche Teil des Campus ist als botanischer Garten angelegt: verschlungene Wege unter riesigen Magnolienbäumen und historische Backsteingebäude. Die Olin Hall, ein neunstöckiger, moderner Betonbau am Rande des Areals beherbergt die Maschinenbauingenieure.
Fünfter Stock: Roboter und künstliche Gliedmaßen. Ein fensterloser Flur zieht sich quer durch das "Zentrum für intelligente Mechatronik". Die Türen zu den meisten Laboratorien stehen weit offen. In vielen sieht es so aus wie in der Garage eines Heimwerkers: eine Werkbank, Schubladen voller Kleinteile, ein paar Werkzeuge und an der Wand ein Kalender vom vergangenen Jahr. In einem der Räume bereitet der Doktorand David Braun gerade die beiden Beine eines Roboters für einen Probelauf vor.
Ziel sei es, sagt David Braun, die wichtigsten Merkmale des menschlichen Ganges in die Fortbewegung des Roboters zu integrieren. Wie die Beine einer Marionette aus Metall, von unsichtbaren Fäden bewegt, so stapft der Unterbau des Roboters durch den Raum. Entscheidend ist die Steuerung der beiden Beine, die eine Art kontrolliertes Fallen ermöglicht, ähnlich wie beim Menschen. Die Erkenntnisse aus der Arbeit mit zweibeinigen Robotern nutzt der Leiter der Arbeitsgruppe, Michael Goldfarb, auch aus, wenn er sich seiner zweiten Leidenschaft widmet: wenn er neuartige medizinische Prothesen entwickelt.
"All current commercial prostheses are passive which means they can’t provide any power. They’re fancy versions of a peg leg.” "
Prothesen, die es heutzutage zu kaufen gibt, sind passiv, ohne eigene Antriebskraft sagt Michael Goldfarb. Etwas aufgemotzte Holzbeine. Aber das ändert sich gerade. Elektronik, Sensoren, verbesserte Motoren und Batterien haben zumindest im Labor für einen Entwicklungsschub gesorgt.
" "Daher denke ich, dass wir bald eine Renaissance der Bein- und Fußprothesen sehen werden. Denn mit einer eigenen Energiequelle am künstlichen Bein ist plötzlich sehr viel mehr möglich. Man kann Treppen steigen oder schiefe Ebenen hochlaufen. Man kann einem anderen beim Aufstehen helfen. Man kann sich bergauf und bergab an die Steigung anpassen und verhindern, dass man stürzt. Wir können zum Beispiel einen künstlichen Reflex in das Bein einbauen, so dass es den Träger abfängt, wenn er stolpert."
Aber auch an einem künstlichen Arm arbeiten die Mechatroniker aus Nashville. Und dafür braucht der Doktorand Skyler Dalley eine ganze Schublade mit leeren Getränkedosen.
"There’s someone in the lab who really likes Red Bull. And he’s been kind enough to – he produces them far more quickly then I can possibly crash them.” "
Jemand hier im Labor steht auf Energy Drinks, sagt er. Und dieser Jemand leert die Dosen schneller, als Skyler sie mit Hilfe der künstlichen Hand zerquetschen kann.
Wie eine silberfarbene Knochenhand sieht die Prothese aus, die der junge Forscher an einem Metallstativ befestigt hat. Die vier Finger und der Daumen bestehen aus einzelnen Gliedern, die über Scharniere miteinander verbunden sind. Jeder Finger ist innen hohl und kann über einen Seilzug gekrümmt werden. Die künstliche Hand muss dabei einerseits soviel Kraft besitzen, dass sie es schafft, eine Getränkedose zusammenzudrücken. Andererseits muss sie sie aber auch so sanft umfassen können, dass sie die Dose nicht unbeabsichtigt zerquetscht. Eine Herausforderung für das Zusammenspiel von Mechanik und Elektronik.
" "Für uns ist das nicht nur eine Möglichkeit, etwas Interessantes im Labor zu erfinden: mechatronische Systeme mit einem Antrieb und einer Steuerung. Sondern darüber hinaus entsteht etwas, was hoffentlich vielen Menschen helfen wird."
Ob sich eine Prothese im Alltag bewährt, hängt auch von ihrem Gewicht ab. Je ähnlicher sie einer echten Hand werden soll, umso mehr Bauteile und umso mehr Batterien braucht sie. Ein praxistaugliches Modell ist daher immer ein Kompromiss zwischen Gewicht und Bewegungsmöglichkeiten. Michael Goldfarb hat daher zunächst einmal untersucht, wie viele dieser Freiheitsgrade für die meisten täglichen Verrichtungen nötig sind, um so die Zahl der Aktoren zu minimieren, also der Bauteile, welche die Hand bewegen.
"Wir haben herausgefunden: Es gibt fünf voneinander unabhängige Arten, eine Hand zu bewegen, so dass 80 bis 90 Prozent aller Funktionen mit ihr möglich sind. Deshalb benutzen wir fünf Aktoren. Würden wir in unsere Prothese noch zwölf weitere einbauen, dann würde sie schwerer werden und mehr Energie verbrauchen. Aber das würde ihre Funktionalität nur unwesentlich verbessern."
Bedarf für die Prothesen der nächsten Generation gibt es auf alle Fälle in den USA. Nicht nur bei Unfallopfern und Diabetikern, sondern auch bei der steigenden Zahl von versehrten Kriegsveteranen.
Fünfter Stock: Roboter und künstliche Gliedmaßen. Ein fensterloser Flur zieht sich quer durch das "Zentrum für intelligente Mechatronik". Die Türen zu den meisten Laboratorien stehen weit offen. In vielen sieht es so aus wie in der Garage eines Heimwerkers: eine Werkbank, Schubladen voller Kleinteile, ein paar Werkzeuge und an der Wand ein Kalender vom vergangenen Jahr. In einem der Räume bereitet der Doktorand David Braun gerade die beiden Beine eines Roboters für einen Probelauf vor.
Ziel sei es, sagt David Braun, die wichtigsten Merkmale des menschlichen Ganges in die Fortbewegung des Roboters zu integrieren. Wie die Beine einer Marionette aus Metall, von unsichtbaren Fäden bewegt, so stapft der Unterbau des Roboters durch den Raum. Entscheidend ist die Steuerung der beiden Beine, die eine Art kontrolliertes Fallen ermöglicht, ähnlich wie beim Menschen. Die Erkenntnisse aus der Arbeit mit zweibeinigen Robotern nutzt der Leiter der Arbeitsgruppe, Michael Goldfarb, auch aus, wenn er sich seiner zweiten Leidenschaft widmet: wenn er neuartige medizinische Prothesen entwickelt.
"All current commercial prostheses are passive which means they can’t provide any power. They’re fancy versions of a peg leg.” "
Prothesen, die es heutzutage zu kaufen gibt, sind passiv, ohne eigene Antriebskraft sagt Michael Goldfarb. Etwas aufgemotzte Holzbeine. Aber das ändert sich gerade. Elektronik, Sensoren, verbesserte Motoren und Batterien haben zumindest im Labor für einen Entwicklungsschub gesorgt.
" "Daher denke ich, dass wir bald eine Renaissance der Bein- und Fußprothesen sehen werden. Denn mit einer eigenen Energiequelle am künstlichen Bein ist plötzlich sehr viel mehr möglich. Man kann Treppen steigen oder schiefe Ebenen hochlaufen. Man kann einem anderen beim Aufstehen helfen. Man kann sich bergauf und bergab an die Steigung anpassen und verhindern, dass man stürzt. Wir können zum Beispiel einen künstlichen Reflex in das Bein einbauen, so dass es den Träger abfängt, wenn er stolpert."
Aber auch an einem künstlichen Arm arbeiten die Mechatroniker aus Nashville. Und dafür braucht der Doktorand Skyler Dalley eine ganze Schublade mit leeren Getränkedosen.
"There’s someone in the lab who really likes Red Bull. And he’s been kind enough to – he produces them far more quickly then I can possibly crash them.” "
Jemand hier im Labor steht auf Energy Drinks, sagt er. Und dieser Jemand leert die Dosen schneller, als Skyler sie mit Hilfe der künstlichen Hand zerquetschen kann.
Wie eine silberfarbene Knochenhand sieht die Prothese aus, die der junge Forscher an einem Metallstativ befestigt hat. Die vier Finger und der Daumen bestehen aus einzelnen Gliedern, die über Scharniere miteinander verbunden sind. Jeder Finger ist innen hohl und kann über einen Seilzug gekrümmt werden. Die künstliche Hand muss dabei einerseits soviel Kraft besitzen, dass sie es schafft, eine Getränkedose zusammenzudrücken. Andererseits muss sie sie aber auch so sanft umfassen können, dass sie die Dose nicht unbeabsichtigt zerquetscht. Eine Herausforderung für das Zusammenspiel von Mechanik und Elektronik.
" "Für uns ist das nicht nur eine Möglichkeit, etwas Interessantes im Labor zu erfinden: mechatronische Systeme mit einem Antrieb und einer Steuerung. Sondern darüber hinaus entsteht etwas, was hoffentlich vielen Menschen helfen wird."
Ob sich eine Prothese im Alltag bewährt, hängt auch von ihrem Gewicht ab. Je ähnlicher sie einer echten Hand werden soll, umso mehr Bauteile und umso mehr Batterien braucht sie. Ein praxistaugliches Modell ist daher immer ein Kompromiss zwischen Gewicht und Bewegungsmöglichkeiten. Michael Goldfarb hat daher zunächst einmal untersucht, wie viele dieser Freiheitsgrade für die meisten täglichen Verrichtungen nötig sind, um so die Zahl der Aktoren zu minimieren, also der Bauteile, welche die Hand bewegen.
"Wir haben herausgefunden: Es gibt fünf voneinander unabhängige Arten, eine Hand zu bewegen, so dass 80 bis 90 Prozent aller Funktionen mit ihr möglich sind. Deshalb benutzen wir fünf Aktoren. Würden wir in unsere Prothese noch zwölf weitere einbauen, dann würde sie schwerer werden und mehr Energie verbrauchen. Aber das würde ihre Funktionalität nur unwesentlich verbessern."
Bedarf für die Prothesen der nächsten Generation gibt es auf alle Fälle in den USA. Nicht nur bei Unfallopfern und Diabetikern, sondern auch bei der steigenden Zahl von versehrten Kriegsveteranen.