Vom Canto fiorito zum Canto dramatico
Im Gegensatz zu seinem großen Bruder, dem italienischen Rossini-Festival in Pesaro, hat das inzwischen auch schon traditionsreiche kleine deutsche Rossini-Festival in Bad Wildbad im Schwarzwald nicht nur ausschließlich Werke Rossinis, sondern immer auch Werke von Rossinis Zeitgenossen gezeigt.
Nun ist dem Festival dabei mit Saverios Mercadantes "I Briganti" eine sehr beeindruckende Wiederentdeckung gelungen. Rossini selbst hatte als Theaterdirektor des Théatre Italien in Paris seinem Landsmann Mercadante diesen Opernauftrag gegeben. 1836 kamen "I Briganti" in Paris zur Uraufführung, das "melodramma serio" wurde dann mehrfach nachgespielt, doch die letzte Produktion vor Wildbad fand bereits 1847, also vor 165 Jahren, statt. "I Briganti" verdienen es, nun wieder ins europäische Opernrepertoire aufgenommen zu werden!
Mercadantes Oper hält sich eng an die Vorlage, Schillers "Räuber", - ein in Paris in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr beliebtes Drama. Freilich ist Schillers Sturm-und-Drang-Drama auf einen engen Familienkonflikt mit typischem Opernpersonal reduziert: Die feindlichen Brüder Franz und Karl, hier Ermanno (Tenor) und Corrado (Bariton), der zu den Räubern gegangene Sohn und der gewaltsam zur Herrschaft gekommene Sohn des alten Moor (Bass) lieben beide Amelia (Sopran).
Mit einer Mercadante-Ausgrabung steht Wildbad in den letzten zehn Jahren nicht allein. Seine "Reformopern" stellen eine Zwischenstufe zwischen dem Belcanto Rossinis und der expressiven Operndramatik des frühen Verdi ("Rigoletto" zum Beispiel) dar. Man kann an ihnen verfolgen, wie sich der Canto fiorito – der ausgeschmückte Gesang – zum Canto dramatico entwickelt, wie statt der Aneinanderreihung von Arien immer mehr ein auskomponierter Akt tritt, ein äußerst interessanter Entwicklungsprozess.
Mercadantes "Räuber" stehen dabei allerdings Rossini noch sehr nahe, aber das Hin- und Hergeworfensein der Figuren: Liebe und Hass Corrados auf Amelia, die ihn verschmäht, Räubertum und Liebe zum Vaterhaus Ermannos: Beide Seiten der Figur werden musikalisch verdeutlicht. Neben einigen fast Verdischen Sehnsuchtsmotiven gibt es aber auch halsbrecherische Koloraturen, die das hochkarätige Ensemble auf oft atemberaubende, eindrucksvolle Weise löst, insbesondere: Vittorio Prato als Corrado, aber auch - eine besonders schwere Rolle – Maxim Mironow als Ermanno, Petya Ivanova als Amelia und Bruno Praticò als alter Graf von Moor.
Das tschechische Ensemble, die "Virtuosi Brunenses", kostet unter Antonio Fogliani Mercadantes Melodik genussvoll aus; und Festspiel Intendant Jochen Schönleber hat eine plausible Inszenierung in den Saal der Neuen Trinkhalle gestellt und das Geschehen um den Anführer einer Revolutionsbande ins 20. Jahrhundert gestellt, ohne sich dabei genau fixieren.
Das Wildbader Rossini-Festival – mit einem winzigen Budgetrahmen – imponiert dabei auch durch seine symphathische Selbstüberforderung. Bei Mercadantes Briganti ist diese Überforderung produktiv geworden. Doch das Arbeitspensum ist gewaltig. Gleichzeitig werden für die drei Festspiel-Wochen noch zwei weitere größere Produktionen gestemmt: Rossinis "Semiramide" und zur Eröffnung: eine Farsa "Adina".
Von der musikalischen Umsetzung her – mit vorzüglichen jungen Sängern - war bei "Adina" nichts auszusetzen, doch der Einakter – in Wildbad durch eine Pause geteilt und mit einer Zusatzarie für den italienischen Buffo Bruno Praticó aufgefüllt – ist vor allem von musikwissenschaftlichem Interesse! Rossini selbst hat diese Oper nicht dirigiert, die Form, eine halb tragisch, halb komische Farsa, war zu der Entstehungszeit von Adina schon lange überholt – und ein Teil der Nummern ist auch gar nicht von Rossini selbst komponiert, ein beliebiges Potpourri also.
Dennoch: Der ständige Fixpunkt Rossini ist wichtig, er fundiert das Programm, und gerade auch Mercadantes Oper entfaltet ihre Wirksamkeit , wenn man sie in ihrem Bezug und als Weiterentwicklung zu Rossini erleben kann.
Mehr zum Thema auf dradio.de:
Klassische Liebesintrige mit Witz - Rossinis Oper "Il turco in Italia" an der Niederländischen Nationaloper Amsterdam, (DKultur, Fazit vom 6.4.2012)
Mercadantes Oper hält sich eng an die Vorlage, Schillers "Räuber", - ein in Paris in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr beliebtes Drama. Freilich ist Schillers Sturm-und-Drang-Drama auf einen engen Familienkonflikt mit typischem Opernpersonal reduziert: Die feindlichen Brüder Franz und Karl, hier Ermanno (Tenor) und Corrado (Bariton), der zu den Räubern gegangene Sohn und der gewaltsam zur Herrschaft gekommene Sohn des alten Moor (Bass) lieben beide Amelia (Sopran).
Mit einer Mercadante-Ausgrabung steht Wildbad in den letzten zehn Jahren nicht allein. Seine "Reformopern" stellen eine Zwischenstufe zwischen dem Belcanto Rossinis und der expressiven Operndramatik des frühen Verdi ("Rigoletto" zum Beispiel) dar. Man kann an ihnen verfolgen, wie sich der Canto fiorito – der ausgeschmückte Gesang – zum Canto dramatico entwickelt, wie statt der Aneinanderreihung von Arien immer mehr ein auskomponierter Akt tritt, ein äußerst interessanter Entwicklungsprozess.
Mercadantes "Räuber" stehen dabei allerdings Rossini noch sehr nahe, aber das Hin- und Hergeworfensein der Figuren: Liebe und Hass Corrados auf Amelia, die ihn verschmäht, Räubertum und Liebe zum Vaterhaus Ermannos: Beide Seiten der Figur werden musikalisch verdeutlicht. Neben einigen fast Verdischen Sehnsuchtsmotiven gibt es aber auch halsbrecherische Koloraturen, die das hochkarätige Ensemble auf oft atemberaubende, eindrucksvolle Weise löst, insbesondere: Vittorio Prato als Corrado, aber auch - eine besonders schwere Rolle – Maxim Mironow als Ermanno, Petya Ivanova als Amelia und Bruno Praticò als alter Graf von Moor.
Das tschechische Ensemble, die "Virtuosi Brunenses", kostet unter Antonio Fogliani Mercadantes Melodik genussvoll aus; und Festspiel Intendant Jochen Schönleber hat eine plausible Inszenierung in den Saal der Neuen Trinkhalle gestellt und das Geschehen um den Anführer einer Revolutionsbande ins 20. Jahrhundert gestellt, ohne sich dabei genau fixieren.
Das Wildbader Rossini-Festival – mit einem winzigen Budgetrahmen – imponiert dabei auch durch seine symphathische Selbstüberforderung. Bei Mercadantes Briganti ist diese Überforderung produktiv geworden. Doch das Arbeitspensum ist gewaltig. Gleichzeitig werden für die drei Festspiel-Wochen noch zwei weitere größere Produktionen gestemmt: Rossinis "Semiramide" und zur Eröffnung: eine Farsa "Adina".
Von der musikalischen Umsetzung her – mit vorzüglichen jungen Sängern - war bei "Adina" nichts auszusetzen, doch der Einakter – in Wildbad durch eine Pause geteilt und mit einer Zusatzarie für den italienischen Buffo Bruno Praticó aufgefüllt – ist vor allem von musikwissenschaftlichem Interesse! Rossini selbst hat diese Oper nicht dirigiert, die Form, eine halb tragisch, halb komische Farsa, war zu der Entstehungszeit von Adina schon lange überholt – und ein Teil der Nummern ist auch gar nicht von Rossini selbst komponiert, ein beliebiges Potpourri also.
Dennoch: Der ständige Fixpunkt Rossini ist wichtig, er fundiert das Programm, und gerade auch Mercadantes Oper entfaltet ihre Wirksamkeit , wenn man sie in ihrem Bezug und als Weiterentwicklung zu Rossini erleben kann.
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