Vom Erwachsenwerden zwischen den Fronten
Den Krieg zwischen Georgien und Russland im Jahre 2008 hat die Weltöffentlichkeit nur kurz wahrgenommen; nach wenigen Tagen verschwand er wieder aus dem allgemeinen Bewusstsein. Für die Georgierin Tamta Melaschwili wurde er zum Anlass, ihren ersten Roman zu schreiben.
"Abzählen" schildert drei Tage im Leben von zwei dreizehnjährigen Mädchen. Ninzo kümmert sich um ihre Großeltern. Sie sucht mit ihrer Freundin zusammen Spitzwegerich gegen das Wundliegen der sterbenden Oma. Die kleine, viel jünger aussehende Zknapi versucht Milch für das neugeborene Brüderchen zu organisieren, denn ihrer Mutter ist von der Belastung durch den Krieg die Milch versiegt. Die beiden wollen Milchpulver aus der verlassenen Apotheke stehlen, doch diese steht genau am Grenzgebiet, mit Wachposten davor und einem verminten Feld dahinter.
Der Krieg mit seiner Bedrohung und den vielen Entbehrungen ist im Leben der beiden Mädchen allgegenwärtig und doch geht es für sie genauso um die wichtigen Fragen der Pubertät: Wie ist das mit der Größe des Busens, wann kommt die erste Menstruation, wie bekomme ich Monatsbinden… Ninzo flirtet mit einem Wachsoldaten der Gegner und bekommt dafür eine Schachtel Zigaretten. Zknapi macht ihr Vorhaltungen - so was tut ein Mädchen nicht! – und raucht dann gern mit, denn diese Zigaretten sind milder und reizen nicht so zum Husten. Egal was passiert, die Freundschaft der beiden Mädchen ist das Wichtigste und nicht zu erschüttern.
Tamta Melaschwili hat für diesen Roman ihre ganz eigene, ungewöhnliche Erzählform gefunden. Kurz und knapp lässt sie die Beiden zu Wort kommen in einer rauen, oft männlich wirkenden Sprache, durch die doch immer wieder die Verletzlichkeit der schutzlosen Mädchen scheint. Die Autorin wechselt in schneller Form die direkte Rede, die jeweils durch die Person eingeführt wird – Ninzo sagt …., Zknapi sagt.. Dadurch wirkt der Text wie ein Stakkato und schafft die nötige Distanz für den Leser, um nicht sentimental oder rührselig zu wirken.
In den kurzen Kapiteln, die zwischen den Tagen Mittwoch, Donnerstag und Freitag hin- und herspringen, geschieht jeweils etwas Bedeutsames, so dass der Leser kaum noch Zeit zum Durchatmen findet. Die Mädchen jedoch nehmen alles mit stoischer Ruhe hin oder überdecken ihre Verzweiflung mit derben Sprüchen.
In einem sehr persönlichen Nachwort erklärt die Autorin, dass sie schon als kleines Kind eine besondere Fantasiesprache entwickelt habe, die ihr dann jedoch verloren gegangen sei. Mit ihrem ersten Roman habe sie ein Stück davon zurück gewonnen.
Meisterhaft zeigt Tamta Melaschwili die Absurdität und Brutalität des Krieges besonders für die sogenannte Zivilbevölkerung, also die Kinder, Frauen und die Alten. Sie prangert die damit verbundene soziale Ungerechtigkeit und die Gewalt an, wobei Georgien hier nur als ein Beispiel steht für alle Kriegsschauplätze der Welt.
Besprochen von Birgit Koß
Tamta Melaschwili: "Abzählen".
Aus dem Georgischen von Natia Mikeladse-Bachsoliani, Unionsverlag Zürich 2012, 112 Seiten, 16,95 Euro
Links auf dradio.de:
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Georgien: Unruhiger Unabhängigkeitstag: Neue Protestwelle trifft auf revolutionsmüdes Volk
Der Krieg mit seiner Bedrohung und den vielen Entbehrungen ist im Leben der beiden Mädchen allgegenwärtig und doch geht es für sie genauso um die wichtigen Fragen der Pubertät: Wie ist das mit der Größe des Busens, wann kommt die erste Menstruation, wie bekomme ich Monatsbinden… Ninzo flirtet mit einem Wachsoldaten der Gegner und bekommt dafür eine Schachtel Zigaretten. Zknapi macht ihr Vorhaltungen - so was tut ein Mädchen nicht! – und raucht dann gern mit, denn diese Zigaretten sind milder und reizen nicht so zum Husten. Egal was passiert, die Freundschaft der beiden Mädchen ist das Wichtigste und nicht zu erschüttern.
Tamta Melaschwili hat für diesen Roman ihre ganz eigene, ungewöhnliche Erzählform gefunden. Kurz und knapp lässt sie die Beiden zu Wort kommen in einer rauen, oft männlich wirkenden Sprache, durch die doch immer wieder die Verletzlichkeit der schutzlosen Mädchen scheint. Die Autorin wechselt in schneller Form die direkte Rede, die jeweils durch die Person eingeführt wird – Ninzo sagt …., Zknapi sagt.. Dadurch wirkt der Text wie ein Stakkato und schafft die nötige Distanz für den Leser, um nicht sentimental oder rührselig zu wirken.
In den kurzen Kapiteln, die zwischen den Tagen Mittwoch, Donnerstag und Freitag hin- und herspringen, geschieht jeweils etwas Bedeutsames, so dass der Leser kaum noch Zeit zum Durchatmen findet. Die Mädchen jedoch nehmen alles mit stoischer Ruhe hin oder überdecken ihre Verzweiflung mit derben Sprüchen.
In einem sehr persönlichen Nachwort erklärt die Autorin, dass sie schon als kleines Kind eine besondere Fantasiesprache entwickelt habe, die ihr dann jedoch verloren gegangen sei. Mit ihrem ersten Roman habe sie ein Stück davon zurück gewonnen.
Meisterhaft zeigt Tamta Melaschwili die Absurdität und Brutalität des Krieges besonders für die sogenannte Zivilbevölkerung, also die Kinder, Frauen und die Alten. Sie prangert die damit verbundene soziale Ungerechtigkeit und die Gewalt an, wobei Georgien hier nur als ein Beispiel steht für alle Kriegsschauplätze der Welt.
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Aus dem Georgischen von Natia Mikeladse-Bachsoliani, Unionsverlag Zürich 2012, 112 Seiten, 16,95 Euro
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