Vom falschen Indianer zur geköpften Königin
Das Internet bietet 355 Millionen Einträge zum Suchbegriff "Held" an. 20 "Unbekannte(n) Helden der Weltgeschichte" widmet sich ein Sachbuch des Düsseldorfer Publizisten Helge Hesse, Jahrgang 1963, Studium der Betriebswirtschaft und der Philosophie.
Bevor er zu schreiben begann, arbeitete er in Marketing und Projektmanagement in der Verlagsbranche. Heute ist er freier Management-Berater und Autor. Fünf Bücher von Hesse erschienen bisher, u.a. "Das Churchill-Prinzip: Mit Persönlichkeit zum Erfolg", "Starke Worte für Manager" und "Hier stehe ich, ich kann nicht anders: In 80 Sätzen durch die Weltgeschichte", -nun sein neues Buch "Unbekannte Helden der Weltgeschichte".
Das Buch geht chronologisch vor; es beginnt mit dem nicht wirklich unbekannten griechischen Philosophen, Schriftsteller und Heerführer Xenophon, einem Schulbuch-Helden im klassischen Sinne, und endet mit einem amerikanischen Soldaten namens Hugh Thompson, der in Vietnam befahl, auf US-Soldaten zu schießen, sollten sie Zivilisten ermorden. Weitere unbekannte Helden sind die 16-jährige Jane Grey, die tatsächlich neun Tage lang Königin von England war und dann geköpft wurde, des weiteren ein Abenteurer, der von sich behauptete, Indianerhäuptling gewesen zu sein, eine Frau, die sich als Mann ausgab, um als Soldat gegen Napoleon kämpfen zu können und einen Polen, der freiwillig nach Auschwitz ging, um dort einen Aufstand zu organisieren. Aber es gibt auch einen Inder, der mit Hitlers Hilfe Indien zur Unabhängigkeit führen wollte, und einen japanischen Soldaten des II. Weltkrieges, der erst 1974 kapitulierte.
Eine klare Definition dessen, was ein Held ist, bietet der Autor nicht an, und in seinem Vorwort räumt er ein, dass einige der Protagonisten zwar keine Helden im herkömmlichen Sinne, trotzdem aber "beharrlich", "tapfer oder "treu" gewesen seien: so wurde die 16-jährige Königin von England nicht ohnmächtig, als sie geköpft wurde.
Bei der Hälfte der 20 Helden handelt es sich um "echte Helden", wie zum Beispiel bei der Afroamerikanerin Harriet Tubman, die zu einem Synonym für die Sklavenbefreiung wurde. Manche hat der Autor eher unter dem Gesichtspunkt Kuriosität ausgesucht. Statt "Unbekannte Helden" könnte das Buch auch "Seltsame Lebensläufe" heißen. "Helden" allerdings verkauft sich sicherlich besser, was manchmal an "Etiketten-Schwindel" grenzt, wenn der Gentleman-Pirat Samuel Bellamy zum "Seeräuber der Liebe" oder ein amerikanischer Abenteurer zum Indianer-Häuptling gemacht wird, für dessen Existenz es nur einen einzigen Zeugen gibt: ihn selbst. Dass er aber meist mit indianischen Frauen schlief und an einem Massaker an einem indianischen Dorf beteiligt war, das steht fest.
Spannung bieten die kurzen Zehn-Seiten-Geschichten durch ihre historischen Stoffe, auf der anderen Seite ist die Recherche nicht immer sattelfest wie im Piratenkapitel und manche Textpassage erinnert an ein Geschichtsbuch, das erste Kapitel über Xenophon an Schlachtenbeschreibungen im Lateinunterricht. Denkt der Leser, es komme mal ein schöner Satz, zum Beispiel am Strand von Sydney: "Es duftete nach Eukalyptus und nach Austern, die in großen Mengen am Strand lagen", und gerade freut man sich noch über den Duft des Eukalyptus', da fragt man sich schon wieder: warum liegen eigentlich Austern auf dem Strand herum und seit wann duften Austern nach etwas anderem als nach Meerwasser? Der Leser erfährt's nicht. Auch nicht, was "Lochagen" sind.
Die handwerklichen Mängel gravierend zu nennen, wäre unfair, ein großzügiger Leser wird gnädig darüber hinwegsehen wollen. Die Auswahl der Protagonisten allerdings bleibt irritierend: da hätte man zum Beispiel statt eines erfundenen Indianerhäuptlings besser einen echten nehmen sollen wie Crazy Horse, der bis zum letzten Moment daran glaubte, er könne den Weißen vertrauen.
Für historische Laien ist "Unbekannte Helden der Weltgeschichte" sicherlich durchaus brauchbares Entertainment, -schade, dass es die Taschenbuchkultur nicht mehr gibt, ein Buch für Zwischendurch im Zug, im Wartezimmer beim Arzt. Besonders schade aber ist, dass ein so wunderbares Thema wie "unbekannte Helden", was die Auswahl der Helden betrifft, nicht konsequenter mit Anspruch gefüllt wurde.
Besprochen von Lutz Bunk
Helge Hesse: Unbekannte Helden der Weltgeschichte
Eichborn Verlag Frankfurt 2009
256 Seiten, 19.95 Euro
Das Buch geht chronologisch vor; es beginnt mit dem nicht wirklich unbekannten griechischen Philosophen, Schriftsteller und Heerführer Xenophon, einem Schulbuch-Helden im klassischen Sinne, und endet mit einem amerikanischen Soldaten namens Hugh Thompson, der in Vietnam befahl, auf US-Soldaten zu schießen, sollten sie Zivilisten ermorden. Weitere unbekannte Helden sind die 16-jährige Jane Grey, die tatsächlich neun Tage lang Königin von England war und dann geköpft wurde, des weiteren ein Abenteurer, der von sich behauptete, Indianerhäuptling gewesen zu sein, eine Frau, die sich als Mann ausgab, um als Soldat gegen Napoleon kämpfen zu können und einen Polen, der freiwillig nach Auschwitz ging, um dort einen Aufstand zu organisieren. Aber es gibt auch einen Inder, der mit Hitlers Hilfe Indien zur Unabhängigkeit führen wollte, und einen japanischen Soldaten des II. Weltkrieges, der erst 1974 kapitulierte.
Eine klare Definition dessen, was ein Held ist, bietet der Autor nicht an, und in seinem Vorwort räumt er ein, dass einige der Protagonisten zwar keine Helden im herkömmlichen Sinne, trotzdem aber "beharrlich", "tapfer oder "treu" gewesen seien: so wurde die 16-jährige Königin von England nicht ohnmächtig, als sie geköpft wurde.
Bei der Hälfte der 20 Helden handelt es sich um "echte Helden", wie zum Beispiel bei der Afroamerikanerin Harriet Tubman, die zu einem Synonym für die Sklavenbefreiung wurde. Manche hat der Autor eher unter dem Gesichtspunkt Kuriosität ausgesucht. Statt "Unbekannte Helden" könnte das Buch auch "Seltsame Lebensläufe" heißen. "Helden" allerdings verkauft sich sicherlich besser, was manchmal an "Etiketten-Schwindel" grenzt, wenn der Gentleman-Pirat Samuel Bellamy zum "Seeräuber der Liebe" oder ein amerikanischer Abenteurer zum Indianer-Häuptling gemacht wird, für dessen Existenz es nur einen einzigen Zeugen gibt: ihn selbst. Dass er aber meist mit indianischen Frauen schlief und an einem Massaker an einem indianischen Dorf beteiligt war, das steht fest.
Spannung bieten die kurzen Zehn-Seiten-Geschichten durch ihre historischen Stoffe, auf der anderen Seite ist die Recherche nicht immer sattelfest wie im Piratenkapitel und manche Textpassage erinnert an ein Geschichtsbuch, das erste Kapitel über Xenophon an Schlachtenbeschreibungen im Lateinunterricht. Denkt der Leser, es komme mal ein schöner Satz, zum Beispiel am Strand von Sydney: "Es duftete nach Eukalyptus und nach Austern, die in großen Mengen am Strand lagen", und gerade freut man sich noch über den Duft des Eukalyptus', da fragt man sich schon wieder: warum liegen eigentlich Austern auf dem Strand herum und seit wann duften Austern nach etwas anderem als nach Meerwasser? Der Leser erfährt's nicht. Auch nicht, was "Lochagen" sind.
Die handwerklichen Mängel gravierend zu nennen, wäre unfair, ein großzügiger Leser wird gnädig darüber hinwegsehen wollen. Die Auswahl der Protagonisten allerdings bleibt irritierend: da hätte man zum Beispiel statt eines erfundenen Indianerhäuptlings besser einen echten nehmen sollen wie Crazy Horse, der bis zum letzten Moment daran glaubte, er könne den Weißen vertrauen.
Für historische Laien ist "Unbekannte Helden der Weltgeschichte" sicherlich durchaus brauchbares Entertainment, -schade, dass es die Taschenbuchkultur nicht mehr gibt, ein Buch für Zwischendurch im Zug, im Wartezimmer beim Arzt. Besonders schade aber ist, dass ein so wunderbares Thema wie "unbekannte Helden", was die Auswahl der Helden betrifft, nicht konsequenter mit Anspruch gefüllt wurde.
Besprochen von Lutz Bunk
Helge Hesse: Unbekannte Helden der Weltgeschichte
Eichborn Verlag Frankfurt 2009
256 Seiten, 19.95 Euro