Vom Grund der Sünde zum Symbol der Weisheit
Auf den Begriff "Schlangenbrut" reagiert man in der Regel erstmal mit Schrecken. Auch deshalb passte er 1983 einer Handvoll Frauen in Bonn gut ins Konzept: Ihr Zeitschriftenprojekt sollte kämpferisch sein, inhaltlich aber vor allem wegführen von der Schlange als einem Symbol patriarchaler Sündenfantasien und zurück zum alten Symbol für Weisheit und Leben.
Etwas auf die Beine zu stellen, das aufwendig und anspruchsvoll ist, viel Engagement erfordert, und das Ganze auch noch für Gottes Lohn, sprich ehrenamtlich zu stemmen: Hut ab! – Aber ganz unter uns: Wie lange kann so was schon funktionieren?
Im Fall der "Schlangenbrut" funktioniert es seit 25 Jahren. Alle drei Monate kommt ein neues Heft heraus, und jedes hat ein Schwerpunktthema. Ein paar Beispiele: Wissen und Weisheit. Geld und Arbeit. Leben mit Kindern. Rituale. Trauer. Generationen. Essen. Tanz. Beten. Und: Kleidung – eins der Lieblingshefte von Magdalena Winchenbach, Leserin der ersten Stunde:
"… weil da diese ganze Vielfalt drin ist. Also das hat auf der einen Seite einen theologischen Teil; es ist ein politisches Thema, wenn es um Produktion von Kleidung geht, um Altkleiderverwertung geht; es ist ein privates Thema: Was zieh´ ich an? Es ist ein urfeministisches Thema – lila Latzhosen, das war überhaupt der Beginn, für mich jedenfalls. Und es hat auch was ganz Spielerisches – ja, wenn man sich in Samt und Seide kleidet … Da geht es einfach nur um den Genuss, um das, was schön ist in der Welt. Und das ist alles in dem einen Heft drin, das finde ich absolut faszinierend."
Almuth Voss und Britta Hoffmann gehören zum Redaktions-Stab der "Schlangenbrut".
"Die Schlange ist natürlich für religiös und feministisch interessierte Frauen eine spannende Gestalt – weil sie in der Bibel funkelt und in den alten Religionen funkelt in den neuen Mythen. Und als klar war, dass die Schlange rein muss in den Titel, weil sie Weisheit und Frau und Göttin und alles in einem symbolisiert, war die große Frage: Was setzen wir zu der Schlange? Und das Brüten ist für mich ein genialer Schachzug, den die Gründungsfrauen damals gemacht haben."
"Für mich war das dominierende männliche Gottesbild ein Anlass, mich eben für feministische Theologie zu interessieren. Es ist für meine Begriffe Ursache für Alles, was wir noch an Patriarchat mit uns herumschleppen."
Leserin Winchenbach hat die vor 25 Jahren noch ungewöhnliche Kombination von Feminismus und Theologie gereizt, mit der die "Schlangenbrut" Einzug in die Medienlandschaft hielt.
"Ja klar, das war doch die Ausgangsfrage: Muss ich, wenn ich eine emanzipierte Frau sein will, meine Religion über Bord schmeißen, oder gibt es innerhalb dieser Religion Strömungen, wo ich sagen kann, ja, die liegt auch für mich als Frau was Befreiendes drin? Also kann ich `ne Meriam, die Schwester von Mose, für mich als Leitbild oder als Vorbild nehmen und sagen, ich finde gerade in meiner Religion etwas, das mich als emanzipierte Frau prägt?"
Angefangen hat die "Schlangenbrut" mit 200 handgemachten Kopien – heute ist die professionell produzierte Publikation eine anerkannte und an den Universitäten verwertete interreligiöse Fachzeitschrift mit ausführlicher Bibliographie. Ein wissenschaftlicher Beirat begleitet die Arbeit der Frauen. Er weist hochkarätige Mitglieder auf, darunter die alt-katholische Kirchenhistorikerin Angela Berlis, Präsidentin der Europäischen Gesellschaft für theologische Forschung von Frauen. Oder die Berliner Judaistin und Pädagogin Rachel Monika Herweg. Auch die bekannte feministische römisch-katholische Theologin Hedwig Meyer-Wilmes gehört dazu, und die Muslimin Rabeya Müller, Leiterin des Instituts für interreligiöse Pädagogik und Didaktik in Köln.
"Die 'Schlangenbrut' lebt davon, dass sie im Grunde ein Forum sein will für die verschiedenen Richtungen, die es innerhalb der feministischen Theologie und der freien spirituellen Szene gibt. Wir arbeiten immer stärker interreligiös, wir finden immer mehr Autorinnen aus dem jüdischen und dem islamischen Kontext, die gerne mit uns zusammenarbeiten, die sich mit uns vernetzen wollen, weil das auch eine Frucht der feministisch-theologischen Bewegung ist, dass diese Frauen aus den unterschiedlichen Religionen im Aufbruch sind, sich miteinander kennenlernen oder immer weiter kennenlernen und auch miteinander arbeiten und sich austauschen wollen. Und wir sind stolz, dass wir auch ein Forum dafür sind. Und zwar ein Schriftforum. Und dass so `n Projekt wie 'Sarah und Hagar' zum Beispiel uns auch gerne nutzt, um Beiträge von ihren Veranstaltungen zu veröffentlichen und zu verbreiten. Das ist auch so `n interreligiöses Projekt, die Sarah steht sozusagen für die jüdischen und die christlichen Frauen, und die Hagar für die muslimischen Frauen."
"Mir ist es sehr wichtig, dass wir diese Balance ständig schaffen zwischen Ehrenamt oder, wie manche auch noch sagen, autonomem Frauenprojekt und tatsächlich ein kleiner, eigenständiger Verlag zu sein, der auch ständig im Gespräch mit den großen Verlagen steht. Wir haben Anzeigen von den großen Verlagen, die schätzen uns als Medium …"
Diese seit einem Vierteljahrhundert erbrachte Leistung ist das Resultat eines riesigen Netzwerks: Zu den Autorinnen gehören Studentinnen, Journalistinnen, Universitätsdozentinnen, Fachfrauen unterschiedlicher Konfessionen. Leserinnen und Unterstützerinnen liefern Infos und weisen auf Themen hin. Und bei alldem ist Geld kein Thema.
"Mich fasziniert an der 'Schlangenbrut', dass sie zeigt: Wir können auch anders miteinander arbeiten als immer nur über die Erwerbsschiene – das wir "knetefrei" zusammenarbeiten und jedes Vierteljahr so ´n Heft als unser Produkt feiern können, was dann auch noch bei den Leserinnen Aufnahme findet. Für mich, die ja schon lange dabei ist, ist es `ne echte Freude zu sehen, dass es den Frauen heute noch so geht wie mir damals: Es ist eine Ehre, angesprochen zu werden, ob man mitmachen möchte. Und ich finde es erstaunlich, dass Viele viele Jahre lang dabei bleiben, wenn sie sich das beruflich irgendwie leisten können. Wir haben jetzt grade wieder einen Abschied von einer Redakteurin gefeiert, die Tränen in den Augen hatte, weil sie keine Zeit mehr hat."
Das Engagement und die Freude an der Sache haben sich nicht geändert – die Zeitschrift selbst hat Häutungen hinter sich. Die ursprüngliche Unterzeile "vierteljährliche Nachrichten aus Paradies und Fegefeuer" war immer umstritten. Mit der Etablierung der feministischen Theologie schaffte die Redaktion ihn ab. Und aus der "Streitschrift" wurde irgendwann die "Zeitschrift". Gestritten, disputiert wird natürlich weiterhin – differenzierter. Der Wandel zur Fachzeitschrift bedeutete wohl auch eine Art Erwachsenwerden. Leserin Winchenbach sieht es so:
"Ich glaube, da kommt auch zum Ausdruck, dass es nicht mehr immer nur 'Kampf gegen' ist. Das merkt man auch an den Titeln von der 'Schlangenbrut', also `n Heft zum Thema Geburt ist nicht ein Kampf gegen etwas, sondern es ist auch Genuss, es ist auch Feiern, es ist auch … Alles, was zum Leben gehört, und das ist nicht immer nur Kampf und Streit."
Im Fall der "Schlangenbrut" funktioniert es seit 25 Jahren. Alle drei Monate kommt ein neues Heft heraus, und jedes hat ein Schwerpunktthema. Ein paar Beispiele: Wissen und Weisheit. Geld und Arbeit. Leben mit Kindern. Rituale. Trauer. Generationen. Essen. Tanz. Beten. Und: Kleidung – eins der Lieblingshefte von Magdalena Winchenbach, Leserin der ersten Stunde:
"… weil da diese ganze Vielfalt drin ist. Also das hat auf der einen Seite einen theologischen Teil; es ist ein politisches Thema, wenn es um Produktion von Kleidung geht, um Altkleiderverwertung geht; es ist ein privates Thema: Was zieh´ ich an? Es ist ein urfeministisches Thema – lila Latzhosen, das war überhaupt der Beginn, für mich jedenfalls. Und es hat auch was ganz Spielerisches – ja, wenn man sich in Samt und Seide kleidet … Da geht es einfach nur um den Genuss, um das, was schön ist in der Welt. Und das ist alles in dem einen Heft drin, das finde ich absolut faszinierend."
Almuth Voss und Britta Hoffmann gehören zum Redaktions-Stab der "Schlangenbrut".
"Die Schlange ist natürlich für religiös und feministisch interessierte Frauen eine spannende Gestalt – weil sie in der Bibel funkelt und in den alten Religionen funkelt in den neuen Mythen. Und als klar war, dass die Schlange rein muss in den Titel, weil sie Weisheit und Frau und Göttin und alles in einem symbolisiert, war die große Frage: Was setzen wir zu der Schlange? Und das Brüten ist für mich ein genialer Schachzug, den die Gründungsfrauen damals gemacht haben."
"Für mich war das dominierende männliche Gottesbild ein Anlass, mich eben für feministische Theologie zu interessieren. Es ist für meine Begriffe Ursache für Alles, was wir noch an Patriarchat mit uns herumschleppen."
Leserin Winchenbach hat die vor 25 Jahren noch ungewöhnliche Kombination von Feminismus und Theologie gereizt, mit der die "Schlangenbrut" Einzug in die Medienlandschaft hielt.
"Ja klar, das war doch die Ausgangsfrage: Muss ich, wenn ich eine emanzipierte Frau sein will, meine Religion über Bord schmeißen, oder gibt es innerhalb dieser Religion Strömungen, wo ich sagen kann, ja, die liegt auch für mich als Frau was Befreiendes drin? Also kann ich `ne Meriam, die Schwester von Mose, für mich als Leitbild oder als Vorbild nehmen und sagen, ich finde gerade in meiner Religion etwas, das mich als emanzipierte Frau prägt?"
Angefangen hat die "Schlangenbrut" mit 200 handgemachten Kopien – heute ist die professionell produzierte Publikation eine anerkannte und an den Universitäten verwertete interreligiöse Fachzeitschrift mit ausführlicher Bibliographie. Ein wissenschaftlicher Beirat begleitet die Arbeit der Frauen. Er weist hochkarätige Mitglieder auf, darunter die alt-katholische Kirchenhistorikerin Angela Berlis, Präsidentin der Europäischen Gesellschaft für theologische Forschung von Frauen. Oder die Berliner Judaistin und Pädagogin Rachel Monika Herweg. Auch die bekannte feministische römisch-katholische Theologin Hedwig Meyer-Wilmes gehört dazu, und die Muslimin Rabeya Müller, Leiterin des Instituts für interreligiöse Pädagogik und Didaktik in Köln.
"Die 'Schlangenbrut' lebt davon, dass sie im Grunde ein Forum sein will für die verschiedenen Richtungen, die es innerhalb der feministischen Theologie und der freien spirituellen Szene gibt. Wir arbeiten immer stärker interreligiös, wir finden immer mehr Autorinnen aus dem jüdischen und dem islamischen Kontext, die gerne mit uns zusammenarbeiten, die sich mit uns vernetzen wollen, weil das auch eine Frucht der feministisch-theologischen Bewegung ist, dass diese Frauen aus den unterschiedlichen Religionen im Aufbruch sind, sich miteinander kennenlernen oder immer weiter kennenlernen und auch miteinander arbeiten und sich austauschen wollen. Und wir sind stolz, dass wir auch ein Forum dafür sind. Und zwar ein Schriftforum. Und dass so `n Projekt wie 'Sarah und Hagar' zum Beispiel uns auch gerne nutzt, um Beiträge von ihren Veranstaltungen zu veröffentlichen und zu verbreiten. Das ist auch so `n interreligiöses Projekt, die Sarah steht sozusagen für die jüdischen und die christlichen Frauen, und die Hagar für die muslimischen Frauen."
"Mir ist es sehr wichtig, dass wir diese Balance ständig schaffen zwischen Ehrenamt oder, wie manche auch noch sagen, autonomem Frauenprojekt und tatsächlich ein kleiner, eigenständiger Verlag zu sein, der auch ständig im Gespräch mit den großen Verlagen steht. Wir haben Anzeigen von den großen Verlagen, die schätzen uns als Medium …"
Diese seit einem Vierteljahrhundert erbrachte Leistung ist das Resultat eines riesigen Netzwerks: Zu den Autorinnen gehören Studentinnen, Journalistinnen, Universitätsdozentinnen, Fachfrauen unterschiedlicher Konfessionen. Leserinnen und Unterstützerinnen liefern Infos und weisen auf Themen hin. Und bei alldem ist Geld kein Thema.
"Mich fasziniert an der 'Schlangenbrut', dass sie zeigt: Wir können auch anders miteinander arbeiten als immer nur über die Erwerbsschiene – das wir "knetefrei" zusammenarbeiten und jedes Vierteljahr so ´n Heft als unser Produkt feiern können, was dann auch noch bei den Leserinnen Aufnahme findet. Für mich, die ja schon lange dabei ist, ist es `ne echte Freude zu sehen, dass es den Frauen heute noch so geht wie mir damals: Es ist eine Ehre, angesprochen zu werden, ob man mitmachen möchte. Und ich finde es erstaunlich, dass Viele viele Jahre lang dabei bleiben, wenn sie sich das beruflich irgendwie leisten können. Wir haben jetzt grade wieder einen Abschied von einer Redakteurin gefeiert, die Tränen in den Augen hatte, weil sie keine Zeit mehr hat."
Das Engagement und die Freude an der Sache haben sich nicht geändert – die Zeitschrift selbst hat Häutungen hinter sich. Die ursprüngliche Unterzeile "vierteljährliche Nachrichten aus Paradies und Fegefeuer" war immer umstritten. Mit der Etablierung der feministischen Theologie schaffte die Redaktion ihn ab. Und aus der "Streitschrift" wurde irgendwann die "Zeitschrift". Gestritten, disputiert wird natürlich weiterhin – differenzierter. Der Wandel zur Fachzeitschrift bedeutete wohl auch eine Art Erwachsenwerden. Leserin Winchenbach sieht es so:
"Ich glaube, da kommt auch zum Ausdruck, dass es nicht mehr immer nur 'Kampf gegen' ist. Das merkt man auch an den Titeln von der 'Schlangenbrut', also `n Heft zum Thema Geburt ist nicht ein Kampf gegen etwas, sondern es ist auch Genuss, es ist auch Feiern, es ist auch … Alles, was zum Leben gehört, und das ist nicht immer nur Kampf und Streit."