Vom Hurrikan vertrieben
Im Sommer 2005 zwang der Hurrikan Katrina die Menschen in New Orleans, ihre Wohnungen und Häuser zu verlassen. Bis heute ist erst ein Drittel der 450.000 Bewohner zurückgekehrt. Die Ausstellung "Nach der Flut die Flucht" im Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven wirft einen Blick zurück auf die Katastrophe.
Normalerweise beschäftigt sich das vor drei Jahren gegründete Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven mit Menschen, die aus politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Gründen die alte Heimat verlassen haben. Simone Eick, die Direktorin, will sich nun aber auch mit der wachsenden Zahl von Klima-Flüchtlingen auseinandersetzen:
"Wir greifen ein tagespolitisches Thema auf, denn diese Debatte ist hochaktuell, und sie wird uns die nächsten Jahre beschäftigen."
Die Erwärmung der Meere, das Abschmelzen der Polkappen, das Ansteigen des Wasserspiegels und das verstärkte Auftreten von Wirbelstürmen sind globale Folgen des Klimawandels. Die Konsequenzen für den Menschen sind in Entwicklungsländern wie zum Beispiel Bangladesh oft weit dramatischer als etwa in den USA. Für New Orleans als Beispiel einer "ausgewanderten Stadt" sprechen gleichwohl gute Gründe:
"New Orleans war lange das Gegenüber von Bremerhaven in den Südstaaten der USA, Einwanderungshafen. Viele Deutsche sind dort hingegangen. Dann ist es so, dass die Stadt eine ganz besondere Stadt ist, die eine Art Sehnsuchtsort ist, glaube ich, für viele Menschen, der Jazz, das Essen, so dass es eine Stadt ist, die Aufmerksamkeit bekommt. Und es ist eine Stadt, die uns nahe steht. Es ist eine amerikanische Stadt."
Wie aber holt man einen Wirbelsturm, die Überschwemmung einer Halbmillionenstadt, ins Museum? Ganz überwiegend müssen Medien die Geschichte erzählen. Das Auswandererhaus hat Teams losgeschickt, die mit einem halben Dutzend Kurzfilmen exemplarisch die Schicksale von Katrina-Opfern dokumentieren. Dabei knüpft man zwar an gewohnte touristische Klischees vom French Quarter, von Nostalgie-Straßenbahnen und Jazzmusikern an. Aber die Ausstellung macht deutlich: Der Wiederaufbau von New Orleans ist noch nicht abgesichert und wird weiße Flecken auf dem Stadtplan hinterlassen.
"Am meisten hat mich verstört, dass man aus einem heilen Innenstadtbereich, der touristisch sehr attraktiv ist, das French Quarters, nur zehn Minuten fahren muss, und dann ist man in einem Viertel, wo es nur leere Häusereinfahrten gibt, es gibt Straßen, die führen ins nichts, und man weiß, da hinter jeder Häusereinfahrt hat mal eine Familie gewohnt, und sind nicht zurückgekommen."
Ob ganz New Orleans, vor allem die armen, fast ausschließlich von Afroamerikanern bewohnten Quartiere, jemals wieder mit Leben erfüllt sein werden, ist offen. Das Auswandererhaus hat sich für diese Unsicherheit die Metapher der Baustelle einfallen lassen. So stehen Bildschirme auf wuchtigen Baugerüsten, Informationstafeln und Fotowände sind in den vier Ausstellungsräumen in einem Aufbruchstimmung suggerierenden Ambiente installiert.
"Wir haben gedacht, wir zeigen das Fragile, das alle menschliche Zivilisation hat, deswegen das Baugerüst, das sich durch die gesamte Ausstellung zieht, als Symbol dafür: nichts ist sicher, es kann ständig passieren, dass sich das Leben grundlegend ändert."
Beim Gang durch die Ausstellung muss das Publikum einiges lesen und Videos schauen, das widerspricht etwas dem didaktischen Prinzip des Hauses, das Thema Migration sehr anschaulich darzustellen. Zum Glück gibt es die Installation des Künstlerduos Jana Napoli und Rondell Crier.
Die beiden aus New Orleans haben hunderte von Schubladen aus Kommoden der überschwemmten Häusern gesammelt und auf Gerüsten zu einer buchstäblich erschlagenden, zimmerhohen Flutwelle aufgetürmt. Schlichte Schubladen aus Nachttischen mit abgeplatztem Lack, Auszüge, bemalt mit Blumenmotiven, Schubladen mit wuchtigen Messingbeschlägen. Jetzt sind sie trocken und sauber, aber sie sahen mal schlimm aus, sagt Jana Napoli.
"Die Schubladen schwammen im Wasser. Die Häuser sahen aus wie Aquarien, voller Wasser, alles schwomm darin herum. Die Auszüge waren über und über mit Schimmel bedeckt, grüner, gelber, orangefarbener und weißer Schimmel."
Etliche Schubladen waren leer, andere enthielten persönliche Habseligkeiten wie Lockenwickler, Präservative oder Fotonegative. Das Künstlerduo hat versucht, die Schubladen zu dokumentieren und Fundorte zu vermerken. Aber die Zuschreibung war schwierig, Katrina hatte Straßenschilder und Hausnummern weggerissen. In einigen Fällen gelang es Napoli und Crier, mit den ehemaligen Besitzern zu sprechen.
"Ich fragte: Kann ich die Schublade haben für eine Art Erinnerungsmal? Die Leute sagten: Ja! Wo bringen Sie sie hin?" Ich sagte: Washington D.C.! Sie waren einverstanden und ich fragte noch: Was soll ich in Washington sagen? Und sie antworteten mir: Sagen Sie denen da, wir kehren heim!"
Service:
Nach der Flut die Flucht. New Orleans - die ausgewanderte Stadt
Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven
Vom 2.2. bis zum 10.5. 2009
"Wir greifen ein tagespolitisches Thema auf, denn diese Debatte ist hochaktuell, und sie wird uns die nächsten Jahre beschäftigen."
Die Erwärmung der Meere, das Abschmelzen der Polkappen, das Ansteigen des Wasserspiegels und das verstärkte Auftreten von Wirbelstürmen sind globale Folgen des Klimawandels. Die Konsequenzen für den Menschen sind in Entwicklungsländern wie zum Beispiel Bangladesh oft weit dramatischer als etwa in den USA. Für New Orleans als Beispiel einer "ausgewanderten Stadt" sprechen gleichwohl gute Gründe:
"New Orleans war lange das Gegenüber von Bremerhaven in den Südstaaten der USA, Einwanderungshafen. Viele Deutsche sind dort hingegangen. Dann ist es so, dass die Stadt eine ganz besondere Stadt ist, die eine Art Sehnsuchtsort ist, glaube ich, für viele Menschen, der Jazz, das Essen, so dass es eine Stadt ist, die Aufmerksamkeit bekommt. Und es ist eine Stadt, die uns nahe steht. Es ist eine amerikanische Stadt."
Wie aber holt man einen Wirbelsturm, die Überschwemmung einer Halbmillionenstadt, ins Museum? Ganz überwiegend müssen Medien die Geschichte erzählen. Das Auswandererhaus hat Teams losgeschickt, die mit einem halben Dutzend Kurzfilmen exemplarisch die Schicksale von Katrina-Opfern dokumentieren. Dabei knüpft man zwar an gewohnte touristische Klischees vom French Quarter, von Nostalgie-Straßenbahnen und Jazzmusikern an. Aber die Ausstellung macht deutlich: Der Wiederaufbau von New Orleans ist noch nicht abgesichert und wird weiße Flecken auf dem Stadtplan hinterlassen.
"Am meisten hat mich verstört, dass man aus einem heilen Innenstadtbereich, der touristisch sehr attraktiv ist, das French Quarters, nur zehn Minuten fahren muss, und dann ist man in einem Viertel, wo es nur leere Häusereinfahrten gibt, es gibt Straßen, die führen ins nichts, und man weiß, da hinter jeder Häusereinfahrt hat mal eine Familie gewohnt, und sind nicht zurückgekommen."
Ob ganz New Orleans, vor allem die armen, fast ausschließlich von Afroamerikanern bewohnten Quartiere, jemals wieder mit Leben erfüllt sein werden, ist offen. Das Auswandererhaus hat sich für diese Unsicherheit die Metapher der Baustelle einfallen lassen. So stehen Bildschirme auf wuchtigen Baugerüsten, Informationstafeln und Fotowände sind in den vier Ausstellungsräumen in einem Aufbruchstimmung suggerierenden Ambiente installiert.
"Wir haben gedacht, wir zeigen das Fragile, das alle menschliche Zivilisation hat, deswegen das Baugerüst, das sich durch die gesamte Ausstellung zieht, als Symbol dafür: nichts ist sicher, es kann ständig passieren, dass sich das Leben grundlegend ändert."
Beim Gang durch die Ausstellung muss das Publikum einiges lesen und Videos schauen, das widerspricht etwas dem didaktischen Prinzip des Hauses, das Thema Migration sehr anschaulich darzustellen. Zum Glück gibt es die Installation des Künstlerduos Jana Napoli und Rondell Crier.
Die beiden aus New Orleans haben hunderte von Schubladen aus Kommoden der überschwemmten Häusern gesammelt und auf Gerüsten zu einer buchstäblich erschlagenden, zimmerhohen Flutwelle aufgetürmt. Schlichte Schubladen aus Nachttischen mit abgeplatztem Lack, Auszüge, bemalt mit Blumenmotiven, Schubladen mit wuchtigen Messingbeschlägen. Jetzt sind sie trocken und sauber, aber sie sahen mal schlimm aus, sagt Jana Napoli.
"Die Schubladen schwammen im Wasser. Die Häuser sahen aus wie Aquarien, voller Wasser, alles schwomm darin herum. Die Auszüge waren über und über mit Schimmel bedeckt, grüner, gelber, orangefarbener und weißer Schimmel."
Etliche Schubladen waren leer, andere enthielten persönliche Habseligkeiten wie Lockenwickler, Präservative oder Fotonegative. Das Künstlerduo hat versucht, die Schubladen zu dokumentieren und Fundorte zu vermerken. Aber die Zuschreibung war schwierig, Katrina hatte Straßenschilder und Hausnummern weggerissen. In einigen Fällen gelang es Napoli und Crier, mit den ehemaligen Besitzern zu sprechen.
"Ich fragte: Kann ich die Schublade haben für eine Art Erinnerungsmal? Die Leute sagten: Ja! Wo bringen Sie sie hin?" Ich sagte: Washington D.C.! Sie waren einverstanden und ich fragte noch: Was soll ich in Washington sagen? Und sie antworteten mir: Sagen Sie denen da, wir kehren heim!"
Service:
Nach der Flut die Flucht. New Orleans - die ausgewanderte Stadt
Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven
Vom 2.2. bis zum 10.5. 2009