Vom Irrsinn des Schwarz-Weiß-Denkens
Es ist einer der großen Romane William Faulkners, der nun in neuer, sehr gelungener Übersetzung vorliegt: "Licht im August" ist die Geschichte von dem "weißen" Joe Christmas, der glaubt "schwarz" zu sein. In einzigartiger Weise entlarvt der US-Autor die Absurdität der Rassenideologie.
"Licht im August" (1932), einer der großen Romane William Faulkners aus den Dreißigerjahren, entlarvt die Rassenideologie des amerikanischen Südens als bloßes Figment der weißen Phantasie. Obwohl Joe Christmas "weiß" ist, glaubt er "schwarz" zu sein, weil Weiße ihn von Kind auf "schwarz" nennen.
Wie der Leser später erfährt, ist er das uneheliche Kind von Milly Hines, das sie von einem Mann hat, der als Mexikaner gilt, den aber ihr Vater (ein fanatischer Rassist) für "schwarz" hält und deshalb umbringt. Danach setzt er das Baby um die Weihnachtszeit aus. Christmas wird von einem weißen Farmer adoptiert, der dem Jungen zusammen mit dem Katechismus die Prinzipien der protestantischen Arbeitsethik einbläuen will.
Christmas schlägt ihm den Schädel ein und hetzt die nächsten fünfzehn Jahre "durch wilde und einsame Straßen" bis er nach Jefferson kommt, wo er ein Verhältnis mit der jüngferlichen Joanna Burden beginnt, ihr schließlich die Kehle durchschneidet und danach, weil es heißt, er sei schwarz, von Percy Grimm, einem fanatischen Verfechter der weißen Ordnung, getötet und kastriert wird.
Ein zweiter Handlungsbogen erzählt die Geschichte von Lena Grove, die im Zustand fortgeschrittener Schwangerschaft auf der Suche nach Lucas Burch, dem flüchtigen Vater ihres Kindes, durch den Süden wandert. Nach Wochen erreicht sie Jefferson, wo man sie an einen Mann verweist, der nicht Lucas Burch heißt, sondern Byron Bunch. Er verliebt sich in sie und nimmt sich ihrer an.
Lenas Geschichte rahmt die des Joe Christmas und ist zugleich ihr Kontrapunkt. Lenas Ankunft in Jefferson am Ende des ersten Kapitels geschieht am selben Tag, an dem Joanna Burden ermordet wird. Im letzten Kapitel (etwa zehn Tage später) verlässt Lena mit Bunch und ihrem Kind Jefferson in Richtung Tennessee. Diese zehn Tage bilden die erzählte Gegenwart des Romans. Dazwischen erfährt der Leser in einer langen Rückblende die Lebensgeschichte von Joe Christmas.
Die Rhetorik eines radikalen protestantischen Fundamentalismus dominiert das Buch. In ihrer Bildersprache vermischen sich Rassismus und Sexismus: Das Schwarze ist auch das Flüssig-Weibliche, Körperliche, Unreine - steht für bedrohliche Sexualität, die mit Schmutz und animalischer Fruchtbarkeit, mit Chaos und Tod assoziiert wird. Die Wächter der sozialen und moralischen Ordnung fürchten jede Form der Verschmutzung (vor allem die Rassenmischung) und versuchen sie durch die Unterdrückung des Anarchisch-Körperlichen zu kontrollieren.
Dies zeigt sich in der gewalttätigen Hass-Liebe zu allem Schwarzen, die Christmas teilt und die ihn dazu verdammt, die Widersprüche der Kultur, die ihn geformt hat, als seine eigenen auszutragen.
Faulkner stellt Lenas sanfte, doch unbeirrbare Mütterlichkeit der rigiden Buchstäblichkeit furchtbarer Väter entgegen. Er hinterfragt den lebensfeindlichen Diskurs des weißen Patriarchats und ersetzt ihn durch den "fruchtbar-weichen" Subtext matriarchalischer Gegenbilder: durch die archaische Figur der Erdmutter Lena oder das Bild der "Heiligen Familie", mit dem der Roman endet.
Die Aufweichung der symbolischen Ordnung hat formale und sprachliche Echos, etwa im Aufbrechen tradierter Erzählordnung und der Integration "weicher" Formen des Erzählens (etwa des lockeren Assoziationsstroms der Erinnerung) in die "harte" Struktur von Schrift und Syntax.
Die Übersetzung von "Licht im August" stellt jeden Übersetzer vor schier unlösbare Probleme. Das gilt für Faulkners Wortschöpfungen ebenso wie für seine Stilisierung der mündlichen Rede. Helmut Frielinghaus und Susanne Höbel vermögen nicht nur manche Steifheit der vorausgegangenen Übersetzung zu vermeiden, sondern auch weitgehend jenes komplexe Oszillieren zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit zu erfassen, das Faulkners Stil einzigartig und unverkennbar macht.
Rezensiert von Heinz Ickstadt
William Faulkner: Licht im August
Aus dem Englischen von Helmut Frielinghaus und Susanne Höbel
Reinbek Rowohlt, 2008
480 Seiten, 8,90 Euro
Wie der Leser später erfährt, ist er das uneheliche Kind von Milly Hines, das sie von einem Mann hat, der als Mexikaner gilt, den aber ihr Vater (ein fanatischer Rassist) für "schwarz" hält und deshalb umbringt. Danach setzt er das Baby um die Weihnachtszeit aus. Christmas wird von einem weißen Farmer adoptiert, der dem Jungen zusammen mit dem Katechismus die Prinzipien der protestantischen Arbeitsethik einbläuen will.
Christmas schlägt ihm den Schädel ein und hetzt die nächsten fünfzehn Jahre "durch wilde und einsame Straßen" bis er nach Jefferson kommt, wo er ein Verhältnis mit der jüngferlichen Joanna Burden beginnt, ihr schließlich die Kehle durchschneidet und danach, weil es heißt, er sei schwarz, von Percy Grimm, einem fanatischen Verfechter der weißen Ordnung, getötet und kastriert wird.
Ein zweiter Handlungsbogen erzählt die Geschichte von Lena Grove, die im Zustand fortgeschrittener Schwangerschaft auf der Suche nach Lucas Burch, dem flüchtigen Vater ihres Kindes, durch den Süden wandert. Nach Wochen erreicht sie Jefferson, wo man sie an einen Mann verweist, der nicht Lucas Burch heißt, sondern Byron Bunch. Er verliebt sich in sie und nimmt sich ihrer an.
Lenas Geschichte rahmt die des Joe Christmas und ist zugleich ihr Kontrapunkt. Lenas Ankunft in Jefferson am Ende des ersten Kapitels geschieht am selben Tag, an dem Joanna Burden ermordet wird. Im letzten Kapitel (etwa zehn Tage später) verlässt Lena mit Bunch und ihrem Kind Jefferson in Richtung Tennessee. Diese zehn Tage bilden die erzählte Gegenwart des Romans. Dazwischen erfährt der Leser in einer langen Rückblende die Lebensgeschichte von Joe Christmas.
Die Rhetorik eines radikalen protestantischen Fundamentalismus dominiert das Buch. In ihrer Bildersprache vermischen sich Rassismus und Sexismus: Das Schwarze ist auch das Flüssig-Weibliche, Körperliche, Unreine - steht für bedrohliche Sexualität, die mit Schmutz und animalischer Fruchtbarkeit, mit Chaos und Tod assoziiert wird. Die Wächter der sozialen und moralischen Ordnung fürchten jede Form der Verschmutzung (vor allem die Rassenmischung) und versuchen sie durch die Unterdrückung des Anarchisch-Körperlichen zu kontrollieren.
Dies zeigt sich in der gewalttätigen Hass-Liebe zu allem Schwarzen, die Christmas teilt und die ihn dazu verdammt, die Widersprüche der Kultur, die ihn geformt hat, als seine eigenen auszutragen.
Faulkner stellt Lenas sanfte, doch unbeirrbare Mütterlichkeit der rigiden Buchstäblichkeit furchtbarer Väter entgegen. Er hinterfragt den lebensfeindlichen Diskurs des weißen Patriarchats und ersetzt ihn durch den "fruchtbar-weichen" Subtext matriarchalischer Gegenbilder: durch die archaische Figur der Erdmutter Lena oder das Bild der "Heiligen Familie", mit dem der Roman endet.
Die Aufweichung der symbolischen Ordnung hat formale und sprachliche Echos, etwa im Aufbrechen tradierter Erzählordnung und der Integration "weicher" Formen des Erzählens (etwa des lockeren Assoziationsstroms der Erinnerung) in die "harte" Struktur von Schrift und Syntax.
Die Übersetzung von "Licht im August" stellt jeden Übersetzer vor schier unlösbare Probleme. Das gilt für Faulkners Wortschöpfungen ebenso wie für seine Stilisierung der mündlichen Rede. Helmut Frielinghaus und Susanne Höbel vermögen nicht nur manche Steifheit der vorausgegangenen Übersetzung zu vermeiden, sondern auch weitgehend jenes komplexe Oszillieren zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit zu erfassen, das Faulkners Stil einzigartig und unverkennbar macht.
Rezensiert von Heinz Ickstadt
William Faulkner: Licht im August
Aus dem Englischen von Helmut Frielinghaus und Susanne Höbel
Reinbek Rowohlt, 2008
480 Seiten, 8,90 Euro