Vom Jungfunktionär zum Präsidentenberater

Von Roland Krüger |
"Die Revolution entlässt ihre Kinder" ist der Titel seines bekanntesten Buchs. 1955 kam es auf den Markt und er beschreibt darin seinen politischen Werdegang bis zum damaligen Zeitpunkt: Wolfgang Leonhard.
Geboren wurde er am 16. April 1921 in Wien als Wladimir Leonhard. Seine Mutter Susanne, eine gute Freundin von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, zog mit ihm Anfang der Dreißiger Jahre nach Berlin. Dort besuchte Wolfgang Leonhard das Karl-Marx-Gymnasium, und er wurde Mitglied der KPD-Jugendorganisation "Junge Pioniere". Die Gedanken linker Intellektueller beschäftigten ihn schon als Jugendlichen.

Schon bald nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten musste Susanne Leonhard mit ihrem Sohn nach Moskau auswandern. Bei einer stalinistischen Säuberungsaktion wurde sie verhaftet und für zehn Jahre in ein Arbeitslager deportiert. Wolfgang Leonhard kam in ein Kinderheim und musste fortan eine russische Schule besuchen.

Mit 19 Jahren begann er, Fremdsprachen zu studieren. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion wurde er in den Norden Kasachstans umgesiedelt. Ab 1942 erhielt er eine Ausbildung zum kommunistischen Polit-Kommissar.

Nach Kriegsende kehrte er als 24-jähriger Jungfunktionär im Gefolge der Gruppe Ulbricht nach Berlin zurück. Er baute im Bezirk Wilmersdorf die kommunale Verwaltung auf und arbeitete bis 1947 für die Abteilung "Agitation und Propaganda" der SED. Aber er brach mit den Dogmen des Stalinismus und floh 1949 - also noch vor der Gründung der DDR - nach Jugoslawien. 1950 ging Wolfgang Leonhard in die Bundesrepublik. Hier erwarb er sich schnell den Ruf eines Ost-Experten und wurde als der "Kreml-Astrologe" bezeichnet.

Ab Mitte der fünfziger Jahre lehrte und forschte er in England, den USA und in Deutschland.

1987 begleitete Leonhard den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker auf dessen Moskau-Reise. Er widmete sich jetzt ganz der Analyse von Gorbatschows Perestroika-Politik.

Nach der deutschen Wende besuchte Wolfgang Leonhard regelmäßig die ostdeutschen Länder und arbeitete als Gastprofessor in Chemnitz und in Erfurt. Seine Erfahrungen auf deutschem Boden vor Gründung der DDR flossen ebenso in sein neues Buch wie die Erlebnisse nach der Wende und seine Eindrücke als analytischer Beobachter, der die DDR in den knapp 41 Jahren ihrer Existenz nie aus den Augen gelassen hat.