Vom Massenprodukt zum teuren Unikat

Von Gerrit Stratmann |
Die Gestaltung von Büchern folgt den Anforderungen der Massenproduktion, sie ist praktisch, aber lieblos. Gegen den Trend vom Massenbuch arbeitet ein Künstler in Duisburg: Er gestaltet die Massenware Buch zu einem kunstvoll gefertigten Unikat um.
"Ich bin Joe Fast."

...sagt der Mann, der mit bürgerlichem Namen eigentlich Jörg Schröder heißt und in Duisburg eine Werkstatt unter dem Namen JF – Joe Fast – Artworks betreibt. In dem weißen Backsteinbau, kaum größer als eine geräumige Garage, bearbeitet der Mittdreißiger Bücher.

"Ich bin Buchveredler. Meine Sachen sehe ich nicht als Bücher, sondern meine Sachen sind Kunstwerke. Ich habe einzigartige Buchkunst."

Jörg Schröder alias Joe Fast führt Besucher in seinem kleinen Atelier in ein phantastisches Bücherreich. Drapiert an den Wänden und auf Tischen, aufgesockelt in einer Vitrine, stehen Bände, verziert mit Nieten oder Schmucksteinen, mit Augen, die den Betrachter beobachten, mit Feen, die als Relief aus dem Buchdeckel hervortreten, mit Ketten, die ein schwarzes Höllenbuch im Zaum halten. Die ungewöhnliche Gestaltung der Titel ist das größte Kapital des Künstlers.

"Ich darf nicht einer von vielen Zeichnern sein, denn es gibt genug, es gibt genug Skulpturenmacher, also kann ich keine Skulpturen machen. Dann mach ich also, muss ich mir was überlegen, was, was ist dazwischen. Und ich denke, den Weg, den hab ich perfekt gefunden."

Der bekennende Comic- und Fantasyfan hat vor allem solche Werke bearbeitet, zu denen er selber einen Draht hat. Dazu gehören neben der Bibel vor allem Schauergeschichten wie Bram Stokers Dracula, gefasst in einen schlichten blutbefleckten, schwarzen Einband, oder ein Batman-Comic, das zwischen zwei dreidimensional geformten Deckeln steckt, die aussehen wie der Brustpanzer des Helden mit dem Fledermausemblem.

"Was mir ganz extrem aufgefallen ist, war letztes Jahr der Besuch der Frankfurter Buchmesse. Es waren mit Sicherheit ganz, ganz viele hochwertige, erstklassige Bücher, doch jedes Buch sah gleich aus im Regal. Vom Titel her nicht erkennbar. Und das ist, was mir am Wichtigsten ist, dass man wirklich erkennen kann außen, was innen drin ist."

Besondere Mühe hat er sich mit dem "Buch der Drachen" des argentinischen Zeichners Ciruelo Cabral gegeben. Die eindrucksvollen Illustrationen hat Jörg Schröder mühevoll in eine nicht minder eindrucksvolle Haut aus roten Drachenschuppen geschlagen. So wird jedes seiner Werke ein Unikat, in dem wochenlange Arbeit steckt.

"Ich find das Zeitalter der Computer heute sehr schnell. Internet is 'ne schöne Sache, Rechner sind ganz toll zum arbeiten, ganz prima. Aber es ist sehr schnell. Unser Zeitalter verweilt nicht mehr. Verstehen Sie das nicht falsch, Verweilen, Stillstand ... bedeutet Rückschritt, das auf gar keinen Fall. Sondern das Verweilen, um dem Besonderen wieder einen Platz zu geben, und Bücher haben eigentlich was, Bücher sind beständig."

Seit dem letzten Jahrhundert wird der Verlust des Besonderen in der Kunst beklagt. Im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit wird auch Kunst zur Massenware, in der das Original gegenüber der Kopie keine unverwechselbaren Züge mehr trägt. Wenn Jörg Schröder über die Gestaltung seiner Bücher spricht, klingt es, als wolle er diesem Verlust des Besonderen entgegenarbeiten. Und das mit radikalen Mitteln.

"Um solchen Sachen, die ich besonders finde, die ich als Künstler besonders erachte, eine Seele zu geben, nehme ich mir ein Buch davon raus, reiße es komplett auseinander und nähe es dann von Hand wieder erst zusammen, um diesem – was aus'm Massenbereich kommt – 'ne Einzigartigkeit erst mal zu geben. Und das ist das, was ich nenne "eine Seele geben"."

Diese Seele entsteht in seiner Werkstatt am Arbeitstisch, wo er die wichtigsten Werkzeuge griffbereit hat.

"Das sind Feinsägen, das sind Standbohrmaschinen, das sind natürlich auch Fräswerkzeuge, womit ich die Deckel bearbeite und womit ich die Titel alle von Hand fräse."

Bücher zu veredeln ist kein Lehrberuf. Sein Handwerk hat Jörg Schröder sich selbst beigebracht. Dabei ist er zu seiner Arbeit an Büchern erst über Umwege gekommen.

"Ich bin gelernter Koch, hab im Nachhinein in einem Stahlwerk gearbeitet bei Mannesmann, habe dann meinen Weg über die AWO in der Jugendberufshilfe als Werkanleiter im Hauswirtschaftsbereich genommen und bin sehr froh, dass ich mich nicht in das Heer der Arbeitslosen einklinken muss, sondern unter Umständen sogar bald die Möglichkeit habe, sogar Arbeitsplätze zu schaffen."

Seine Werke und Entwürfe haben Aufsehen erregt, so viel, dass er sich bald Großaufträge erhofft. Großformatige Sonderausgaben aller DVDs aus den Filmreihen "Krieg der Sterne", "Indiana Jones" und "Der Herr der Ringe" sind geplant, und seine Entwürfe haben die Macher hellhörig werden lassen. Für die Fertigung einiger tausend Exemplare in Handarbeit wäre er auf handwerkliche Hilfe angewiesen.

Wie alle seine Bücher würden auch diese außergewöhnlichen Werke vor allem auf den finanzkräftigen Sammler zielen. Zwei- bis Dreitausend Euro kommen für seine Werke schnell zusammen. Aber angeblich war es ja schon immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben.