Vom Mehr zum Besseren

Von Monika Wellershaus |
Wenn Parteien ihre Umwelt- und Energiepolitik beschreiben, benutzen sie gern das Wort Nachhaltigkeit, meinen dabei mitunter gegensätzliche Vorstellungen. Kurz gesagt geht es um einen zukunftsfähigen Gebrauch von Ressourcen. Der inzwischen fast inflationär gebrauchte Begriff hat schon eine fast 300-jährige Geschichte.
Wenn Autos fahren ohne Lärm und Ruß und ganz ohne Benzin, wenn sicherer Strom fließt durch die Kraft von Sonne, Wind und Wasser, wenn das Rentenalter hinauf gesetzt wird durch eine Kultur der Altersarbeit und nicht nur durch ein Weiterso, bloß länger, dann kann man getrost vom Prinzip der Nachhaltigkeit sprechen. Und das hat eine einfache Botschaft: von den Erträgen leben und nicht von der Substanz.

Klingt logisch, kennt jeder aus seinem Privathaushalt. Und so beschwören auch fast alle Parteien im Bundestag die Nachhaltigkeit als Leitbild für die eigene Umwelt- und Energiepolitik. Ihre konkreten Vorstellungen unterscheiden sich aber erheblich, die einen meinen Atom- die anderen Solarenergie.

Diese schwammige Beliebigkeit ärgert den UN-Umweltchef Klaus Töpfer:

"Wenn einem nichts mehr einfällt, spricht man von einer nachhaltigen Entwicklung."

Dabei hat der so inflationär gebrauchte Begriff eine starke Wurzel, einen kräftigen Stamm und eine üppige Krone.

Der Erfinder der Nachhaltigkeit war der adlige Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz aus der Silberbergbaustadt Freiberg im barocken Sachsen. Der zog 1713 die forstliche Notbremse, weil die langsamen Wälder dem all zu schnellen Holzverbrauch nicht mehr Stand hielten. Sein Konzept zielte auf einen dauerhaften Holzgewinn für den Silberbergbau. Es war rein ökonomisch begründet. Die Nachhaltigkeit begann also ihre Karriere als Kind der Krise.

Drei Jahrhunderte später folgte die Fortsetzung: Immer mehr Menschen verbrauchen immer mehr Energie und Ressourcen aller Art. Die Grenzen des Wachstums erkannt, machten die Vereinten Nationen die Nachhaltigkeit zum Leitmotiv ihrer Aufgaben und schrieben den Begriff in ihre wichtigsten Dokumente. Nun aber nicht mehr als Mittel zum Krisenmanagement, sondern als Zukunftsmodell. Bildhaft dargestellt als magisches Dreieck, bestehend aus drei gleichen Seiten: ökonomische Zuverlässigkeit, soziale Gerechtigkeit und ökologische Sicherheit.

Für alle soll es gelten: für reiche und arme Länder, für unsere Zeitgenossen und die Nachkommen. Aus der eindimensionalen Klarheit der barocken Nachhaltigkeit entwickelte sich ein unüberschaubarer Begriff für modernes, komplexes Wachstum.

Und so geistert seither das alte Wort mit all seiner neuen Erklärungsnot durch Politik und Presse. Seitenlange nationale Strategien konnten es nicht populärer machen. Doch sein Inhalt, der macht Sinn.