Vom Metzgersoh zum Gangsterboss
Die Liste der angeklagten Verbrechen war unglaublich lang: vom zweifachen Mord bis hin zu unzähligen Raubüberfällen. Der Metzgersohn Werner Gladow wollte der Al Capone Berlins werden. Mit seiner Räuberbande verbreitete er im Nachkriegsberlin Angst und Schrecken. 1950 wurde Gladow erst 18-jährig per Fallbeil getötet.
Der Staatsfeind Nummer eins war jung und athletisch gebaut, hatte eine frische Gesichtsfarbe und graue, intelligente Augen. Dem psychiatrischen Gutachter sagte er:
" Mein Schlaf ist ausgezeichnet. Meine Natur ist eben fröhlich und lustig."
Da war schon Schluss mit lustig: Werner Gladow war achtzehn Jahre alt, als er und elf seiner Komplizen in Berlin vor Gericht gestellt wurde. Die Liste der angeklagten Verbrechen war lang: zwei Morde, fünfzehn Mordversuche, unzählige Raubüberfälle mit Waffengewalt, schwerer Straßenraub, unerlaubter Waffenbesitz und Entwaffnung von Volkspolizisten. Der Metzgersohn und Bandenchef aus Friedrichshain holte sich Anregungen für das erträumte Leben als Gangsterboss mit Grunewaldvilla im Kino. Sein Komplize Kurt Gäbler sagte dem Untersuchungsrichter:
"Doktor beabsichtigte seit mehrere Tage, in der GASAG die Kasse zu berauben. ... Er wollte schon seit längeren, ... größere Banken, beziehungsweise Kassen, wo sich größeres Bargeld ansammelte, überfallen."
Eine Stunde lang kämpfte Werner Gladow, den seine Kumpel Doktorchen nannten, in der Wohnung seiner Eltern mit zwei Pistolen in der Hand gegen das zu seiner Festnahme ausgesandte Polizeiaufgebot. Er wurde an Kinn und Oberschenkel getroffen und brach schließlich wegen des starken Blutverlusts ohnmächtig zusammen. Ein Nachbar erinnerte sich:
"Bei der Schießerei wurde von der Bäckerei hinten das "i" abgeschossen. ... Wochenlang sind Leute gekommen und haben sich das abgeschossene "i" nachher noch angesehen."
Noch heute wirbt eine kleine Pension in der Schreinerstraße in Berlin-Friedrichshain damit, dass Werner Gladow vor mehr als einem halben Jahrhundert in der Nachbarschaft wohnte. In Spielfilmen und Romanen - unter anderem von Thomas Brasch, Erich Loest und Klaus Schlesinger - wurde die Geschichte des selbsternannten Al Capone von Berlin nacherzählt. Was machte den Verbrecher so attraktiv? Sein zeitweiliger Komplize "Sohni" nannte die Glitzerwelt, die Mädels, den Respekt, den sie sich mit Gewalt verschafften, als Motiv zum Mitmachen. Die Bande schuf sich ein sehr eigenes Image:
"Wir haben schon gedacht, wenn wir schon auftreten, dann ... als Gentleman, ja, und nicht eben mit Straßenkleidung. ... Wir hatten alle dunkle Anzüge gehabt, wir haben auch ne weiße Krawatte getragen, so nannte ... man uns "weiße Krawatte"."
Die jungen Gangster mit dem schicken outfit nutzten die Wirren des geteilten Berlins weidlich aus. Sie beschafften sich - von Westen kommend - Waffen bei Volkspolizisten an der Sektorengrenze und verschwanden im Osten. Sie raubten Fotogeschäfte und Tauschbörsen im Westen aus und hängten die Verfolger an der Zonengrenze ab. Die Polizei in Ost und West war gegenüber dieser Beweglichkeit in Zeiten von Blockade und Luftbrücke hilflos. Danach aber wurde die Bande wie reifes Obst eingesammelt. Nur Gladow wehrte sich mit der Waffe. Im Frühjahr 1950 begann der Prozess. "Sohni" saß damals mit auf der Anklagebank:
"Waren tausend Zuschauer, und da waren alles Offiziere von der Polizei oder Staatsanwaltschaft, oder von der Partei, waren richtige ausgesuchte Leute, wa. ... Wir hatten auch dreizehn Mikrophone vor uns zu stehen gehabt, Presse war da, Fernsehen war da."
Rechtsanwalt Ulrich Schüller, der Kutte Gäbler verteidigte:
"Der Prozess damals war kein Schauprozess. Es war ein Prozess streng nach der Prozessordnung, aber er wurde hart geführt, denn Ostberlin wollte beweisen, dass es in der Lage war, Ordnung zu schaffen ... und vor allen Dingen jedes Gangstertum zu unterdrücken."
Darum gab es für die Angeklagten keine Aussicht auf milde Urteile. Der gutachtende Psychiater hatte Gladow jugendliche Unreife bescheinigt. Selbst für die Morde wäre er mit höchstens zehn Jahren Zuchthaus davon gekommen. Das Ostberliner Gericht verurteilte ihn und zwei seiner Komplizen zum Tode. Es stützte sein Urteil auf ein Gesetz aus der Nazi-Zeit. Danach konnte ein Jugendlicher nach dem Erwachsenenstrafrecht bestraft werden:
"... wenn die Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit und seiner Tat ergibt, dass er ein charakterlich abartiger Schwerverbrecher ist und der Schutz des Volkes diese Behandlung fordert."
Werner Gladow, Kutte Gaebler und Seppel Rogasch wurden am 8. April 1950 zum Tode verurteilt, die anderen Angeklagten erhielten zwischen 4 und 15 Jahren Haft. "Sohni", der mit elf Jahren davonkam, über die Reaktion des Bandenchefs:
"Er hat zum Richter gesagt, wissen Sie, Herr Richter, die dreifache Todesstrafe, einmal lass ich mir das ja gefallen, die Birne abhauen, aber det andere beede Mal würde ich sagen, dat is Leichenschändung, sagt er zu dem Richter. Na, das war ziemlich hart, der Richter war leichenblass geworden."
Im November 1950 wurde das Urteil in der Strafanstalt Frankfurt/Oder mit dem Fallbeil vollstreckt.
" Mein Schlaf ist ausgezeichnet. Meine Natur ist eben fröhlich und lustig."
Da war schon Schluss mit lustig: Werner Gladow war achtzehn Jahre alt, als er und elf seiner Komplizen in Berlin vor Gericht gestellt wurde. Die Liste der angeklagten Verbrechen war lang: zwei Morde, fünfzehn Mordversuche, unzählige Raubüberfälle mit Waffengewalt, schwerer Straßenraub, unerlaubter Waffenbesitz und Entwaffnung von Volkspolizisten. Der Metzgersohn und Bandenchef aus Friedrichshain holte sich Anregungen für das erträumte Leben als Gangsterboss mit Grunewaldvilla im Kino. Sein Komplize Kurt Gäbler sagte dem Untersuchungsrichter:
"Doktor beabsichtigte seit mehrere Tage, in der GASAG die Kasse zu berauben. ... Er wollte schon seit längeren, ... größere Banken, beziehungsweise Kassen, wo sich größeres Bargeld ansammelte, überfallen."
Eine Stunde lang kämpfte Werner Gladow, den seine Kumpel Doktorchen nannten, in der Wohnung seiner Eltern mit zwei Pistolen in der Hand gegen das zu seiner Festnahme ausgesandte Polizeiaufgebot. Er wurde an Kinn und Oberschenkel getroffen und brach schließlich wegen des starken Blutverlusts ohnmächtig zusammen. Ein Nachbar erinnerte sich:
"Bei der Schießerei wurde von der Bäckerei hinten das "i" abgeschossen. ... Wochenlang sind Leute gekommen und haben sich das abgeschossene "i" nachher noch angesehen."
Noch heute wirbt eine kleine Pension in der Schreinerstraße in Berlin-Friedrichshain damit, dass Werner Gladow vor mehr als einem halben Jahrhundert in der Nachbarschaft wohnte. In Spielfilmen und Romanen - unter anderem von Thomas Brasch, Erich Loest und Klaus Schlesinger - wurde die Geschichte des selbsternannten Al Capone von Berlin nacherzählt. Was machte den Verbrecher so attraktiv? Sein zeitweiliger Komplize "Sohni" nannte die Glitzerwelt, die Mädels, den Respekt, den sie sich mit Gewalt verschafften, als Motiv zum Mitmachen. Die Bande schuf sich ein sehr eigenes Image:
"Wir haben schon gedacht, wenn wir schon auftreten, dann ... als Gentleman, ja, und nicht eben mit Straßenkleidung. ... Wir hatten alle dunkle Anzüge gehabt, wir haben auch ne weiße Krawatte getragen, so nannte ... man uns "weiße Krawatte"."
Die jungen Gangster mit dem schicken outfit nutzten die Wirren des geteilten Berlins weidlich aus. Sie beschafften sich - von Westen kommend - Waffen bei Volkspolizisten an der Sektorengrenze und verschwanden im Osten. Sie raubten Fotogeschäfte und Tauschbörsen im Westen aus und hängten die Verfolger an der Zonengrenze ab. Die Polizei in Ost und West war gegenüber dieser Beweglichkeit in Zeiten von Blockade und Luftbrücke hilflos. Danach aber wurde die Bande wie reifes Obst eingesammelt. Nur Gladow wehrte sich mit der Waffe. Im Frühjahr 1950 begann der Prozess. "Sohni" saß damals mit auf der Anklagebank:
"Waren tausend Zuschauer, und da waren alles Offiziere von der Polizei oder Staatsanwaltschaft, oder von der Partei, waren richtige ausgesuchte Leute, wa. ... Wir hatten auch dreizehn Mikrophone vor uns zu stehen gehabt, Presse war da, Fernsehen war da."
Rechtsanwalt Ulrich Schüller, der Kutte Gäbler verteidigte:
"Der Prozess damals war kein Schauprozess. Es war ein Prozess streng nach der Prozessordnung, aber er wurde hart geführt, denn Ostberlin wollte beweisen, dass es in der Lage war, Ordnung zu schaffen ... und vor allen Dingen jedes Gangstertum zu unterdrücken."
Darum gab es für die Angeklagten keine Aussicht auf milde Urteile. Der gutachtende Psychiater hatte Gladow jugendliche Unreife bescheinigt. Selbst für die Morde wäre er mit höchstens zehn Jahren Zuchthaus davon gekommen. Das Ostberliner Gericht verurteilte ihn und zwei seiner Komplizen zum Tode. Es stützte sein Urteil auf ein Gesetz aus der Nazi-Zeit. Danach konnte ein Jugendlicher nach dem Erwachsenenstrafrecht bestraft werden:
"... wenn die Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit und seiner Tat ergibt, dass er ein charakterlich abartiger Schwerverbrecher ist und der Schutz des Volkes diese Behandlung fordert."
Werner Gladow, Kutte Gaebler und Seppel Rogasch wurden am 8. April 1950 zum Tode verurteilt, die anderen Angeklagten erhielten zwischen 4 und 15 Jahren Haft. "Sohni", der mit elf Jahren davonkam, über die Reaktion des Bandenchefs:
"Er hat zum Richter gesagt, wissen Sie, Herr Richter, die dreifache Todesstrafe, einmal lass ich mir das ja gefallen, die Birne abhauen, aber det andere beede Mal würde ich sagen, dat is Leichenschändung, sagt er zu dem Richter. Na, das war ziemlich hart, der Richter war leichenblass geworden."
Im November 1950 wurde das Urteil in der Strafanstalt Frankfurt/Oder mit dem Fallbeil vollstreckt.