Vom Nutzen der Kleinstlebewesen

Der Dschungel zu Hause

29:15 Minuten
Eine Zitterspinne sitzt in einem Wohnzimmer an einem Fenster.
Spinnen leben bis zu sechs Jahre im selben Haus – die hierzulande typischen Arten sind völlig ungefährlich. © picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand
Von Marko Pauli |
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Sie leben im Kühl- und Gefrierschrank, im Ofen, Wasserkocher, Duschkopf oder auf der Zahnbürste. Auch auf Kopfkissen und Klamotten – Bakterien, Spinnentiere und andere Kleinstlebewesen sind überall. Doch weg mit der Chemiekeule, denn: Sie nutzen uns!
"Wenn wir uns in den Häusern umsehen - und wir haben Proben aus Tausenden von Häusern gesammelt: Wir haben nie eine Oberfläche in einem Haus gefunden, auf der es kein Leben gibt."
Der Biologe, Professor und Autor Rob Dunn entdeckte seine Zuneigung zu kleinen und sehr kleinen Lebewesen als junger Student im Regenwald in Costa Rica. Da untersuchte er mit einem anderen Forscher zusammen, wie dortige Termiten es schafften, sich nur von bestimmten Blättern zu ernähren. Sie entdeckten, dass die Termiten in ihren Eingeweiden Bakterien beherbergen, die fähig sind, die nötigen Stoffe aus der Luft zu filtern.
In den Eingeweiden, klingt gar nicht gut.
Seitdem hat sie ihn nicht mehr losgelassen - die Welt der Insekten und der mikroskopisch kleinen Lebewesen, der Mikroben. Geheimnisvoll und kaum entdeckt, wie Rob Dunn bald bemerkte, auch bei uns Zuhause.
"Wenn wir uns genauer umsehen, gibt es an einigen Orten mehr ungewöhnliches Leben zu entdecken als an anderen. Ihr Kühlschrank zum Beispiel ist überfüllt, jedes Lebensmittel dort ist mit Lebendigem bedeckt und scheint jeweils andere Spezies anzuziehen.
In Ihrem Salzstreuer leben ungewöhnliche Bakterienarten, die sonst in Salzwüsten Zuhause sind. Im Wasserkocher und im warmen Wasser generell leben ungewöhnliche Mikroben, die wir typischerweise in heißen Quellen in Island oder Yellowstone finden. Aber sie fallen eben auch beim Duschen auf Sie hinab oder landen in Ihrer Kaffeetasse."
Wir sind nicht allein Zuhause, niemals. "Never Home Alone" heißt auch das 2018 in den USA erschienene Buch von Rob Dunn, nach dessen Lektüre sich Kritiker und Leser begeistert, aber auch ein bisschen schaudernd zeigen.
Rob Dunn trägt ein hellblaues Hemd und schaut freundlich in die Kamera.
Jeder Mensch ist von einer Wolke mit Bakterien umgehen, sagt der Autor und Wissenschaftler Rob Dunn.© Amanda Ward
Menschen aus der ganzen Welt haben Dunn und seinem Team geholfen, Daten zu beschaffen: Um mehr über Bakterien zu erfahren, wurden sie per Internet zum Beispiel dazu aufgerufen, bestimmte Flächen Zuhause mit Wattestäbchen abzutupfen. "Citizen Science" nennt sich diese Methode der offenen Wissenschaft. Tausende Wattestäbchen landeten in Dunns Labor in North Carolina, auf ihnen wurden diverse zuvor unbekannte Bakterienarten entdeckt.
"Wir haben mehr als einhunderttausend Arten von Bakterien in den Häusern gefunden."
Bei mir auf keinen Fall.
Sie sind in den meisten Fällen Einzeller, sehen aus wie Kugeln, Stäbchen oder Keulen. Im Haus lassen sie sich in verschiedene Gruppen aufteilen. Da sind zum einen die vielen Bakterien, die sich von unserem Körper ernähren. Auf allem, was wir berühren, bleiben welche zurück. Rob Dunn beschreibt es bildhaft in seinem Buch:
Zitat: "Wir hinterlassen eine Wolke aus Leben, wo immer wir auch hingehen. Wir alle fallen auseinander, mit einer Geschwindigkeit von etwa fünfzig Millionen Schuppen pro Tag. Auf jeder Schuppe, die durch die Luft schwebt, leben tausende von Bakterien, die sich von ihr ernähren. Auf ihren Fallschirmen schweben sie von uns wie stetiger Schneefall."
Ich möchte das nicht unbedingt hören und auch nicht wissen.

Bekannt sind bisher nur etwa ein Prozent der Bakterien

Wissenschaftler der Universität Oregon haben herausgefunden, dass jeder Mensch von seiner eigenen charakteristischen Bakterienwolke umgeben ist - eine Aura aus Bakterien. Eine andere große Gruppe Bakterien im Haus lebt von menschlicher Nahrung.
Es wurden aber auch viele Extremophile entdeckt: Bakterien, die sich extremen Bedingungen angepasst haben. Sie leben in Wüsten- oder Polarregionen, aber eben auch in Kühl- und Gefrierschränken, in Öfen und Wasserkochern, in der Zahnpasta oder Bleich- und Reinigungsmitteln. Kopfkissen, Klamotten, Zahnbürsten, Cremes, Lippenstifte - sie sind überall!
Ich geh mal kurz raus.
Bekannt sind bisher nur etwa ein Prozent der Bakterien. Wir kratzen noch nicht einmal an der Oberfläche, schreibt Rob Dunn.
Der Türgriff, ich möchte ihn nicht anfassen.
Es war lange gar nicht möglich, Bakterien im Labor zu untersuchen, geschweige denn sie dort kontrolliert wachsen zu lassen. Die DNA muss dafür kopiert werden, wofür eine Erhitzung notwendig ist und ein helfendes Enzym, das diese Hitze verträgt. Dieses wurde schließlich bei dem in den heißen Quellen badenden Thermus aquaticus-Bakterium gefunden. Das so genannte Taq-Bakterium hat also geholfen, andere Bakterien zu identifizieren und zu kopieren. Dank ihm kann heute aus einem Häufchen Staub jede DNA der sich darin befindlichen Bakterien herausgefiltert werden. Dunn sagt:
"Dieses Bakterium, wir trinken es, ohne Schaden zu nehmen, es lebt in unseren Wasserkochern, meint dabei, in Yellowstone zu sein, und es erlaubt uns gleichzeitig, andere Bakterien zu untersuchen. Das lässt mich fragen, was wohl hinter all den anderen Arten steckt, die wir noch nicht entdeckt haben, wie können wir sie nützlich machen für unser tägliches Leben?"

Pilzarten geben Aufschluss über Wohnstandort

Die Wattestäbchen, die in Dunns Labor untersucht wurden, verraten etwas über die Laienwissenschaftler, die sie eingeschickt haben.
"Wenn wir eine Oberfläche in Ihrem Zuhause abtupfen, können wir sagen, wo Sie wohnen, basierend auf den Pilzarten, die sich dort befinden. In den USA können wir das auf bis zu 50 Kilometer genau tun und weltweit sicherlich auf Länderebene."
Insgesamt wurden 40.000 Arten Pilze gefunden, nur rund die Hälfte von ihnen sind bekannt. Für die meisten Bakterien ist es aber nicht so entscheidend wo wir leben, sondern eher wie.
"Stehen Ihre Fenster offen? Haben Sie eine Katze oder einen Hund? Stellen Sie fermentierte Lebensmittel her - all das scheint mehr zu zählen, als das Land, in dem Sie leben. Fast alle Bakterien sind harmlos für uns oder bringen einen Nutzen. Weniger als 50 von ihnen sind wirklich problematische Krankheitserreger und in Deutschland sind's wahrscheinlich nur etwa 20."
Das ist die erste halbwegs gute Nachricht in diesem Stück.
Mikroskopaufnahme von Bakterien. Sehen aus wie blaue Kügelchen und rosafarbene längliche Würstchen. 
Ob in Kaffeetassen, auf unserer Haut oder wie hier auf einem Smartphone: Bakterien sind überall.© Imago / Science Photo Library
Die wenigsten Bakterien im Haus sind Krankheitserreger, antibakterielle Reiniger und Desinfektionssprays sind in den allermeisten Fällen überdimensioniert und kontraproduktiv, meint Rob Dunn. Sie zerstören eine nützliche Artenvielfalt in der direkten Umwelt. Einfache Seife reiche in den allermeisten Fällen.
Zitat: "Händewaschen stört nicht die dicke Schicht Mikroben auf der Haut, sondern nur die frisch eingetroffenen."
Tausende Menschen sind an der der Pest oder Cholera gestorben, ausgelöst durch Bakterien.
Eben!
Bakterien wollen Böses, das scheint tief im Menschen verankert zu sein. Doch sie sind auch lebensnotwendig. Ein- bis anderthalb Kilo Bakterien tragen wir mit uns herum, hauptsächlich im Darm und auf der Haut.
Ist es okay für Sie, wenn ich mir die Ohren zuhalte?
Robert Dunn: "Die erste Verteidigungslinie, die Sie gegen einen Krankheitserreger auf Ihrer Haut haben, ist nicht Ihr Immunsystem, sondern Ihre Schicht aus mehr oder weniger freundlichen Mikroben, die diesen Krankheitserreger angreift, bevor Ihr Immunsystem ihn überhaupt bemerkt."
"Die sind gut für Sie."

Neue Mikroorganismen helfen dem Immunsystem

Der Mikrobiologe Wolfgang Streit erforscht Mikroorganismen.
"Wenn Sie irgendwo ins Restaurant gehen oder auch nur frühstücken, dann können Sie die Nahrung nicht aufnehmen, wenn nicht die Mikroorganismen ihren Job da unten im Intestinaltrakt machen."
Im Darm - davon hatte ich schon gehört, es aber bis eben verdrängt.
Neu eintreffende Mikroben sind in den allermeisten Fällen keine Feinde.
"Sie müssen ja mit den neuen Mikroorganismen Ihr Immunsystem trainieren, die harmlosen versuchen eine Attacke und Sie wehren die erfolgreich ab. Und so, wie Sie mit den harmlosen Ihr Immunsystem trainieren, da kann auch mal so ein pathogener Organismus kommen und den wehren Sie dann auch erfolgreich ab. Sie brauchen diese, zu neudeutsch 'Challenge' Ihres Immunsystems die ganze Zeit, um fit zu bleiben."
Dieses Training findet in den städtischen Haushalten der westlichen Welt nur noch eingeschränkt statt. Vor allem die große Gruppe an Umweltbakterien gelangt kaum noch ins Haus: Spezies, die mit Wäldern, Erde, Gräsern, Wurzeln, Blättern zu tun haben. Die Hygiene-Hypothese geht davon aus, dass mit der Abwesenheit dieser Bakterien verschiedene Krankheiten begünstigt werden - Allergien, Asthma und chronische Entzündungskrankheiten.
Bei einer Studie aus dem Jahr 2017, in der Teenager in Finnland untersucht wurden, fanden Forscher heraus, dass die Jugendlichen, die rund um ihr Zuhause mit einer größeren Diversität an Pflanzen zu tun hatten, dazu tendierten, auch eine größere Diversität an Hautbakterien zu besitzen, speziell solche, die mit Erde zu tun haben. Diese Versuchsteilnehmer zeigten auch weniger Allergien. Rob Dunn beschreibt den Mensch in den Städten als Homo Indoorus.
"Wir verbringen etwa 23 Stunden pro Tag im Haus. Ich glaube, dass wir in den Städten, in immer dichteren Populationen lebend, die Verbindung zur Natur verlieren. Wenn wir aber merken, dass wir Zuhause von der Natur umgeben sind, und wenn wir anfangen, auf diese Natur zu achten, dann gibt uns das auch die Möglichkeit, uns als Teil einer größeren Lebenswelt zu sehen."

"Mit Insektiziden fügt man sich eher selbst Schaden zu"

Insekten und Spinnen gehören auch zu dieser Lebenswelt.
"Die meisten Insekten und Spinnen im Haus tun einem nichts. Mit Insektiziden fügt man sich eher selbst Schaden zu."
Ich halt beim Sprayen einfach die Luft an.
Insektizide vernichten nicht nur viele nützliche Lebewesen, sie können auch Resistenzen bei den Organismen entstehen lassen, die getötet werden sollen. Über viele Insektenarten sei ebenso wenig bekannt wie über Mikroben, sagt Rob Dunn, der seine "Citizen Science"-Community auch damit beschäftigt, die Insekten im Haus zu dokumentieren.
"In Deutschland haben wir diese erstaunliche und schlimme Geschichte, dass in den letzten Jahrzehnten ein außergewöhnlicher Verlust an Insektenbiomasse über das Land ging, ohne dass irgendjemand genau weiß, wie es dazu gekommen ist. Aber es ist wohl nicht allzu weit hergeholt, dass die übermäßige Verwendung von Pestiziden, auch in unseren Häusern, in unseren Gärten Teil dieser Geschichte ist."
Ein Mann bei der Hausarbeit - mit Putzlappen und Sprühflasche.
Reiniger, Insektizide und Desinfektionssprays zerstören eine durchaus nützliche Artenvielfalt. © picture alliance / Frank May
"Dass es einen starken Insektenschwund gibt, ist sicherlich eindeutig und die Gründe sind natürlich hauptsächlich in dem Verlust von Habitaten zu suchen. Also es gibt einfach viel, viel weniger Lebensräume für die Insekten."
"Aber auch in zusätzlichen Faktoren wie eben die Qualität der Habitate, also zu viel Nährstoffeintrag ist ein großes Problem. Pestizide sind sicherlich ein Problem, aber auch so kleinere Faktoren werden immer mehr diskutiert wie eingeschleppte Krankheiten bei den Insekten oder auch Fragmentierung durch Straßen."
Laut einer Meta-Studie der Universität Sydney aus dem Jahr 2019 sind weltweit 41 Prozent aller Insektenarten im Rückgang. Viele Arten sterben unbemerkt aus, und das bedroht zunehmend auch die, die sich von ihnen ernähren, die Zahl der Vögel in Europa etwa schrumpft dramatisch.
Vögel sind okay.

Nur eine kleine Gruppe von Insekten bereitet Probleme

Insekten, die Zuhause Probleme bereiten, finden sich zum Beispiel in der Vorratskammer.
"Wir haben etwa 100 Arten weltweit, die wirtschaftlich eine Rolle spielen. Das sind im wesentlichen Käfer, Motten und ein paar Staubläuse. Wenn man weiß, dass es insgesamt eine Million Arten von Insekten gibt, sieht man, das ist nur ne ganz kleine Gruppe."
Er nimmt ein Glas mit Weizenkörnern, in denen gerade tausende Kornkäfer heranwachsen, große Schädlinge im Vorratslager, zu sehen ist nichts von ihnen. Doch mit einem Gerät namens "Larvenspion" können die Körner belauscht werden.
"Das sind ganz junge Larven, die man da hört. Das sind die Mundwerkzeuge, die den Mehlkörper im Getreidekorn anbeißen."
Eieiei.
Die zwei Wochen älteren Kornkäferlarven klingen noch hungriger.
"Drittes oder viertes Larvenstadium, die fressen praktisch ohne Pause."
Husemann: "Wenn viele Lebensmittel irgendwie offen rumstehen, wenn man die irgendwie besser verschließt, dann reicht es häufig auch schon, gegen alles mögliche, gegen Dörrobstmotten – was ein häufigeres Problem ist -, gegen Schaben. Viele Insekten ernähren sich einfach von den Krümeln, die uns runterfallen, falls man das einschränkt, dann hat man schon meistens das Problem beseitigt."
Das verhindert natürlich nicht die Weberknechte, Winkel- und Zitterspinnen in Wohn- und Schlafzimmern oder die bis zu acht Jahre alt werdenden Silberfischchen in feuchteren Wohnungsgegenden. Sie alle haben ein relativ stabiles Dasein bei uns Zuhause, weiß Martin Husemann.
"Weil die Arten, die nahe beim Menschen leben, gut angepasst sind und dadurch auch nicht verschwinden. Also, die werden wir auch nicht mehr loswerden."
Sie tun uns auch nichts. Dennoch versuchen viele, ihr Haus Insektenfrei zu halten.
Allerdings!
Rob Dunn: "Mit dem zunehmenden Leben in den Städten sehen wir immer seltener Insekten und Spinnen, sie werden uns weniger vertraut und das lässt uns vor dem Abstrakten fürchten. Das gilt insbesondere für Spinnen. Es gab mal ein Projekt in Südafrika, wo absichtlich große Spinnennetze in Häusern installiert wurden, um so Fliegen unter Kontrolle zu halten - was übrigens funktionierte. Wenn ich Leuten auf Partys davon erzähle, beenden sie das Gespräch mit mir."

Milben trägt jeder Erwachsene im Gesicht herum

Bei Spinnen verstehen viele Menschen keinen Spaß mehr, dabei sind sie überall. Kleine, zu den Spinnentieren zählende Milben etwa wuseln bei jedem Erwachsenen im Gesicht herum.
Bitte!
Rob Dunn hatte dazu aufgerufen, Fotos von Spinnen im Haus zu machen, 4000 Bilder wurden ihm zugesandt.
"Die kamen aus aller Welt, es gibt da große regionale Unterschiede. Da ist zum Beispiel diese tropische Geißelspinne, sie heißt Amblypygi, ein ziemlich großes, dickes Ding, das so eine Art Tanz aufführt, sich vor und zurück bewegt. Sie ist auf vielen Fotos zu sehen, in Küchen, und die Leute mögen sie."
Krank!
"Sie kommen nachts raus, essen die Reste und verschwinden dann wieder."
Das nächtliche Erscheinen ist auch typisch für die meisten der hiesigen etwa 20 Hausspinnenarten. Wenn man es drauf anlegt, könnte man nachts an den Wänden zum Beispiel die Leimschleuderspinne beobachten. Eine sehr interessante Art, findet die Biologin und Spinnenexpertin Birgit Balkenhol vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz.
"Die spuckt über ihre Beutetiere in etwa 17 Hundertstel Sekunden so ein Zickzackband aus Leim und Gift und heftet die Fliege oder das Silberfischchen damit an den Untergrund fest."
Einige der häuslichen Spinnen verfügen über Hafthaare an ihren Beinen über die sie tausend Kontakte mit dem Untergrund haben, mit ihnen bewegen sie sich auf glatten Flächen und rennen, wie etwa die Zebraspinne, kopfunter die Fensterscheibe hinunter. Dann schauen sie einen mit vielen Augen an.
"Die fixieren einen, die haben wie die meisten heute lebenden Arten acht Augen, und die vorderen Mittelaugen, die sind relativ groß und gut ausgebildet und die fixieren richtig und beobachten einen."
Sie beobachten uns!

Frittierte Spinnen und Insekten als Fleischalternative

Warum die Angst vor Spinnen weitverbreitet ist, darüber existieren verschiedene Theorien. Ein nützliche angeborene Angst, behaupten einige, immerhin sterben jährlich noch tausende Menschen an den Stichen von Skorpionen, die ja auch zu den Spinnentieren gehören. Dagegen spricht, dass viele Kinder eher neugierig reagieren, wenn sie Spinnen sehen. Birgit Balkenhol vermutet, dass in der Motorik ein wichtiger Grund liegt.
"Weil die sich so schnell bewegen die Spinnen, und die haben eine andere Muskelphysiologie als wir, die können wirklich schnell starten, werden aber auch schneller müde. Und diese schnellen Bewegungen, weil man die als Mensch nicht so gut einordnen kann, die können ein bisschen Angst machen und das zweite ist so ein gewisser Ekel wegen der langen Haare."
Könnten wir das Thema eventuell bald wechseln?
Dabei leben manche Exemplare der bei uns typischen Hauswinkelspinne bis zu sechs Jahre im selben Haus, sind also so eine Art Haustier. Gefährlich sind sie nicht und auch keine der anderen Hausspinnen.
"Von den über 48.000 Spinnenarten weltweit sind sowieso nur vielleicht 30 Arten akut gefährlich für Mensch und die leben vor allen Dingen in den Tropen."
Frittierte Spinnen und Insekten sind für Menschen in manchen asiatischen Ländern alltägliche Nahrung. Auch in Europa wird versucht, Insekten als umweltschonende Fleischalternative durchzusetzen. Noch herrscht bei vielen großer Ekel, doch warum eigentlich? Kleine, okay, sehr kleine Lebewesen sind schon immer Teil unserer Nahrung.
Rob Dunn: "Wenn Sie einen guten Wein mögen, dann sind es auch die Mikroben, die Sie mögen. Durch sie wird der Saft erst zu Wein. Viele von ihnen, das weiß man heute, stammen übrigens aus dem Darm von Wespen. Die Wespen hinterlassen sie in den Trauben, wenn sie hineinbeißen. Oder Sauerteigbrot: Viele der Aromen darin stammen von Mikroben, die mit dem menschlichen Körper und dem Körper des Bäckers verbunden sind."
Mikroben, die mit dem Körper des Bäckers verbunden sind?
Siehste, jetzt geht's Ihnen auch zu weit!
Ein Sauerkrauttopf aus Holz mit einem roten Sieb in dem frisches Sauerkraut liegt.
Für traditionelles Sauerkraut wird Weißkohl gehobelt, alle anderen Zutaten liegen in der Luft.© Imago / Russian Look / Victor Lisitsyn
So ist das bei der Fermentation, also der Vergärung von Lebensmitteln, weiß Susanne Thiele, Mikrobiologin und Sachbuchautorin. In ihrem Blog "Mikrobenzirkus" finden sich Rezepte für koreanisches Kimchi oder auch traditionelles Sauerkraut. Für dieses wird Weißkohl gehobelt, alle anderen Zutaten liegen in der Luft.
"Wir fermentieren wild, wir kneten das Sauerkraut mit unseren Fingern. Da kommen dann schon Milchsäurebakterien von unserer Haut mit rein, gewisse Umwelt-Bakterien mit rein und auch Hefen aus der Umwelt mit rein. Das sind sozusagen die natürlichen wilden Bakterien und Hefen, mit denen wir dann die Fermentation in Gang setzen."
Klingt danach, als ob man sich unkontrolliert in die Klauen von unberechenbaren Mikroorganismen begibt.
Ja, genau!
Doch dem ist nicht so.
Hmm.
Sobald der Kohl unter die beim Kneten entstehende Lake getaucht wird, startet ein Milchsäurebakterium die Gärung, die Lake fängt an zu blubbern. Es entfalten sich so saure Bedingungen, dass alle möglichen Krankheitserreger absterben.
"Sie müssen auch mal davon ausgehen, die Fermentation ist eine ganz alte Kulturtechnik."
Schon vor Urzeiten hat der Mensch Lebensmittel so haltbar, schmackhaft - und gesund gemacht:
"Unser Immunsystem sitzt hauptsächlich im Darm. Wenn der Darm sehr gesund ist, kann er sich wehren gegen eindringende Krankheitserreger. Wenn wir jetzt Fermente essen, dann bringen wir automatisch eine ganz hohe Artenvielfalt an Bakterien und Mikroorganismen in den Darm rein."

Mikroorganismen können im Haushalt helfen

Das Werk von Mikroben findet sich Zuhause in Backmischungen, im Waschmittel oder auch im Kleiderschrank.
"Ich hab hier so eine schöne Blue Jeans an, die ist stone-washed."
Wolfgang Streit ist Leiter der Abteilung für Mikrobiologie und Biotechnologie an der Universität Hamburg.
"Sie erinnern sich selbst noch in den 80er-Jahren als die ersten aufkamen, da waren da immer so Steine in den Hosentaschen, das macht man heute alles mit Enzymen aus Mikroorganismen diese Farben."
In der Biotechnologie werden Mikroorganismen genutzt, um sie technologisch anzuwenden, Wolfgang Streit forscht vor allem an bisher nicht kultivierten.
"Und da haben wir es zum Beispiel in meiner Gruppe geschafft, die größte Sammlung an Plastik abbauenden Enzymen im letzten Jahr zu etablieren."
Bis der der Plastikmüll in den Meeren von diesen zersetzt wird, dauert es aber noch.
"Das ist ein langer Weg sowas in den Einsatz zu bringen."
Alle heute erhältlichen Antibiotika, sind ursprünglich Verbindungen, die Mikroorganismen produziert haben. Auch im Haushalt finden sich welche, die - isoliert und bearbeitet – nützlich sein können: zum Beispiel in der Waschmaschine. Diejenigen, die die dort herrschenden Bedingungen überleben, könnten auch gut im Waschmittel funktionieren.
"Wenn sie eine Waschmaschine nach dem Urlaub öffnen und oben die Spülkammer, wo das Waschmittel rein kommt aufziehen, dann ist da auch so ein schmieriger Biofilm, da ist es immer feucht, das ist ein ideales Habitat für Mikroorganismen dort zu wachsen."

Billionen von einzelnen Organismen im Duschkopf

Rob Dunn und sein Team fanden nach einer weiteren internationalen Sammlung von Proben heraus, dass besonders reichhaltige Ökosysteme in den Duschköpfen bzw. deren Düsen existieren.
Nein, nicht noch meine Dusche!
In einem durchschnittlichen Duschkopf enthält der dort gewachsene Biofilm Billionen von einzelnen Organismen, bis zu einem halben Millimeter dick geschichtet, schreibt Rob Dunn in "Never Home Alone":
Zitat: "Ein stabiles Ökosystem, in dem jede Spezies seine Rolle hat. In den Biofilmen finden sich sogar räuberische Bakterien, die Löcher in die Seiten anderer Bakterien bohren, dann dort Chemikalien freisetzen, die sie verdauen. Der Biofilm enthält Amöben, die die Räuber fressen und sogar Fadenwürmer, die wiederum diese fressen - sowie Pilze die wie immer ihr eigenes Ding machen. Dies ist das Nahrungsnetz, das auf dich fällt, während du duschst. Jeden Tag fällt das sich bei der Mahlzeit befindliche Leben auf dich, sich hin und her drehend, fassungslos von der Störung."
Das Cover des Buches auf einer historischen Illustration von Kakerlaken.
Das neue Buch "Never Home Alone" von Rob Dunn.© Imago / UIG / Basic Books
Auch im Leitungswasser selbst leben viele Mikroorganismen, weiß Hans-Jürgen Hahn, Zoologe mit Forschungsschwerpunkt Grundwasserökologie:
"Leitungswasser ist ein lebendiges Lebensmittel, ein Lebensraum. Im Leitungsnetz der Wasserversorger leben Tiere, leben Bakterien, leben Pilze, Biofilme, die dazu beitragen, dass das Wasser noch sauberer wird, als es schon ist."
Eine große Biodiversität im Grundwasser lässt Krankheitserregern kaum eine Chance, zu überleben.
Das Leitungswasser, man nimmt es selbstverständlich hin, es ist immer da, klar und frisch. Dabei kann es hunderte Jahre alt sein. Je nachdem, wie alt und tief der jeweilige Gesteinskörper ist, in dem sich das Grundwasser sammelt. Jedes regionale Grundwasser scheint über eigene Spezies zu verfügen, die sich sonst nirgends finden lassen.
"Grundwasser ist der größte, der älteste, der stabilste Lebensraum, den wir auf den Kontinenten haben, obwohl das kaum jemandem richtig bewusst ist. Was man über das Grundwasser als Lebensraum weiß, ist herzlich wenig, ist stark mit der Tiefsee zu vergleichen, ganz ähnliche Verhältnisse herrschen da - Nahrungsarmut, Dunkelheit, Isolation. Viele Arten die da vorkommen, sind extrem selten, sind lebende Fossilien, bilden Situationen ab, die wir vor zwei, drei Millionen Jahren hatten, zum Teil noch länger zurückliegen."

Bakterielle Vielfalt ist schützenswert

Ein sensibles System, das stark belastet wird: Etwa 35 Prozent der hiesigen Grundwasser sind in keinem guten chemischen Zustand. Hauptverantwortlich sind Nitrateinträge aus der industriellen Landwirtschaft, die mit dem Regen hinab sickern, in ein Reich mit einer kaum erforschten Biodiversität.
"Wenn Sie neue Arten beschreiben wollen, gehen Sie ins Grundwasser, brauchen Sie nicht in den Regenwald, brauchen Sie nicht in die Tiefsee, direkt unter unseren Füßen."
Wir sollten die uns direkt umgebende lebendige Welt erforschen, ihren Wert anerkennen und sie schützen, fordert Rob Dunn mit seinem Buch "Never Home Alone". Anstelle der Chemiekeule ist es in vielen Fällen durchaus möglich, ganz gezielt gegen unerwünschte Insekten vorzugehen. Wer die Fenster öffnet, lädt dazu ein, die bakterielle Vielfalt in den eigenen vier Wänden zu erhöhen, und mit dieser verhält es sich ähnlich wie mit der im Darm oder im Grundwasser, je vielfältiger, umso besser und desto schwerer haben es unerwünschte Organismen, zu überleben. Rob Dunn wünscht sich Architekten, die nicht nur an die menschlichen Bewohner denken – sondern auch an Mikroben und Insekten.
Soweit kommt's noch - Tschüss!
Rob Dunn: "Es wird bereits mit neuen Baumaterialien experimentiert, etwa mit verdichteter Erde, die bestimmte Spezies begünstigt. Am besten sollte es funktionieren, wie beim Fermentieren: Die Säure, die das Michsäurebakterium erzeugt, hilft dabei, die Mikroben-Gemeinschaft von den unerwünschten zu befreien. Eine Art Garten, der selbst sein Unkraut jätet. Für mich ist das auch eine Metapher für das, wie wir auch unser Haus sehen könnten, als eine Art Garten, der hilft, sich selbst zu kontrollieren und der uns zugute kommt."
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