Vom Pascha zum Papa
Männlich, türkisch, alleinerziehend - diese Kombination ist in Deutschland selten. Umso schwerer haben es die Väter, durch den Alltag zu kommen. Viele haben nie gelernt, sich um den Haushalt zu kümmern und mit ihren Gefühlen umzugehen. Auch ihr Umfeld macht es ihnen nicht leicht.
Vorsichtig gießt Kemalettin sich einen starken, schwarzen Tee in das kleine, gold bemalte Glas. Es ist Vormittag, sein 15-jähriger Sohn ist in der Schule. Kemalettin gönnt sich eine kleine Pause, bevor er einkaufen geht und den Haushalt macht. Kemalettin ist 42 Jahre, sieht mit seinem Kinnbart und dem Ohrring aber zehn Jahre jünger aus. Seit fünf Jahren leben seine Exfrau und der kleine Sohn in der Türkei, er mit dem großen Sohn in Berlin. "Seit damals habe ich den Kleinen nicht mehr gesehen", sagt Kemalettin und sieht für einen Moment unendlich traurig aus. Er arbeitet als Mitarbeiter im Projekt Kiezväter, kümmert sich um seinen Jungen, fotografiert und malt nebenbei. Trotzdem möchte er seinen richten Namen lieber nicht nennen. Alleinerziehender türkischer Vater - damit tun sich viele Menschen, die er kennt, noch immer sehr schwer. Seine Familie, so erzählt Kemalettin, hat es bis heute nicht akzeptiert:
"Sie waren schockiert. Bei uns kommt ja Trennung nicht in Frage. Man hat mich am Anfang beschuldigt: Ohne Grund geht ja eine Familie nicht auseinander. Du musst ja irgendetwas getan haben, dass es so weit gekommen ist."
Dabei hatten sich er und seine Frau einfach nur auseinander gelebt. Doch diesen Trennungsgrund verstehen Familie und Freunde nicht. "Den Neuanfang in Berlin musste ich deshalb völlig alleine schaffen", erzählt Kemalettin, nur die Nachbarn haben manchmal geholfen:
"Das hat mich irritiert, weil in unserem Kulturkreis lernt man Vieles später. Das heißt, wenn man mit Eltern zusammen lebt, wenn man verheiratet ist, dann bekommt man ja alles serviert. Alles wird vorbereitet - Essen, Tee, Wäsche, Haushalt. Das war natürlich für mich am Anfang eine völlige Umstellung."
Kemalettin lernt kochen, waschen, putzen und auch die alleinige Verantwortung für den damals 10-jährigen Sohn zu übernehmen. Doch irgendwann ist er mit seinen Kräften am Ende, denkt sogar an Selbstmord. Damals liest er in einer Zeitschrift von einer Selbsthilfegruppe für türkische Väter:
"Als ich die Väter begegnet habe und die Männer und ihre Lebensgeschichten mir angehört habe, da habe ich gesagt, ich dachte, mir geht es schlecht, aber es gibt Menschen, denen geht es noch schlechter. Da habe ich Mut bekommen. Und in dieser Gruppe konnte ich auch weinen. Wir mussten ja immer hart sein, wir waren ja die wahren Männer und Männer weinen nicht."
Seitdem geht Kemalettin ein Mal die Woche zur Vätergruppe. So auch an diesem Montagabend. Der kleine Raum im Erdgeschoss ist heute besonders voll. An die 30 Männer und ein paar Frauen rücken ihre Stühle zusammen, machen Platz für die Hereinkommenden. Die Männer sind zwischen 25 und 65, viele tragen Schnauzbart und je nach Alter Kapuzen-Sweatshirt, Strickpullover oder Sakko. Keine der Frauen trägt Kopftuch. Kemalettin setzt sich mitten ins Gewimmel, gegenüber von Kazim Erdogan. Erdogan ist 59 Jahre alt, Psychologe, Hauptschullehrer und Gründer der Vätergruppe:
"Die Idee hatte ich schon Mitte der 80er Jahre, als ich in der Hauptschule unterrichtet, da habe ich festgestellt, dass zu den Elternversammlungen nur Mütter kommen. Damals schon fragte ich mich, wo bleiben die Väter? Wir leben faktisch in einer vaterlosen Gesellschaft und viele der Väter und Männer sie stehlen sich aus der Verantwortung. Um die für Familie und Bildung zu sensibilisiert, habe ich gesagt, versuch mal eine Gruppe zu gründen."
Mit Erfolg. Seit mittlerweile sieben Jahren treffen sich die Männer, besprechen ein Mal die Woche private Probleme und politische Aktionen. An diesem Abend zum Beispiel spenden alle gemeinsam 430 Euro für eine Opferstiftung, diskutieren über das neue türkische Passrecht, planen die nächste Demo zum Thema ‚Gewalt gegen Frauen'.
Weil die meisten nicht ausreichend Deutsch können, wird türkisch gesprochen. Lediglich als Kemalettin ein Plakat an der Wand vorliest, das zu der Demo aufruft, wechselt er kurz ins Deutsche:
"Wir gedenken an sie und die weiteren Opfer von Gewalt in unserer Stadt."
Kazim Erdogan:"Wir müssten in jedem Bezirk Berlins und in jeder Stadt Deutschlands solche Gruppen haben und Gott sei Dank, das Projekt hat auch viele Nachahmer gefunden und weitere Gruppen sind am Kommen. Wir haben jetzt eine Gruppe in Mitte, die wir anbieten und in Friedrichshain-Kreuzberg ist die Gruppe in Vorbereitungsphase. Wir tun unser bestes, sage ich mal, dass wir das überall anbieten können."
Der Verein "Aufbruch Neukölln" finanziert sich ausschließlich durch Spenden und durch Preisgelder, die Erdogan für sein soziales Engagement in den letzten Jahren bekommen hat. Sein Traum ist eine gesicherte Finanzierung und eine gemischte Gruppe:
"Fast alle Männer der Welt, Väter der Welt haben ungefähr die gleichen Probleme mit paar kulturellen Unterschieden, Sitten und Bräuchen. Und deshalb ist es auch mein Traum, gemischte Vätergruppen zu installieren. Wenn die sprachlich in der Lage sind, versuche ich möglichst gemischte Gruppen zu installieren und das wird die Arbeit in Zukunft sein."
Nach anderthalb Stunden ist das Treffen zu Ende. Kemalettin geht nach Hause zu seinem Sohn. Vieles, was er heute Abend hier gehört hat, wird er morgen weiter erzählen, als erstes seinen Mitstreitern beim Projekt Kiezväter. Und später dann den Männern im türkischen Teehaus, in das er regelmäßig geht. Auch sie sollen hören von Männergruppen und den neuesten Plänen alleinerziehender türkischer Väter.
"Sie waren schockiert. Bei uns kommt ja Trennung nicht in Frage. Man hat mich am Anfang beschuldigt: Ohne Grund geht ja eine Familie nicht auseinander. Du musst ja irgendetwas getan haben, dass es so weit gekommen ist."
Dabei hatten sich er und seine Frau einfach nur auseinander gelebt. Doch diesen Trennungsgrund verstehen Familie und Freunde nicht. "Den Neuanfang in Berlin musste ich deshalb völlig alleine schaffen", erzählt Kemalettin, nur die Nachbarn haben manchmal geholfen:
"Das hat mich irritiert, weil in unserem Kulturkreis lernt man Vieles später. Das heißt, wenn man mit Eltern zusammen lebt, wenn man verheiratet ist, dann bekommt man ja alles serviert. Alles wird vorbereitet - Essen, Tee, Wäsche, Haushalt. Das war natürlich für mich am Anfang eine völlige Umstellung."
Kemalettin lernt kochen, waschen, putzen und auch die alleinige Verantwortung für den damals 10-jährigen Sohn zu übernehmen. Doch irgendwann ist er mit seinen Kräften am Ende, denkt sogar an Selbstmord. Damals liest er in einer Zeitschrift von einer Selbsthilfegruppe für türkische Väter:
"Als ich die Väter begegnet habe und die Männer und ihre Lebensgeschichten mir angehört habe, da habe ich gesagt, ich dachte, mir geht es schlecht, aber es gibt Menschen, denen geht es noch schlechter. Da habe ich Mut bekommen. Und in dieser Gruppe konnte ich auch weinen. Wir mussten ja immer hart sein, wir waren ja die wahren Männer und Männer weinen nicht."
Seitdem geht Kemalettin ein Mal die Woche zur Vätergruppe. So auch an diesem Montagabend. Der kleine Raum im Erdgeschoss ist heute besonders voll. An die 30 Männer und ein paar Frauen rücken ihre Stühle zusammen, machen Platz für die Hereinkommenden. Die Männer sind zwischen 25 und 65, viele tragen Schnauzbart und je nach Alter Kapuzen-Sweatshirt, Strickpullover oder Sakko. Keine der Frauen trägt Kopftuch. Kemalettin setzt sich mitten ins Gewimmel, gegenüber von Kazim Erdogan. Erdogan ist 59 Jahre alt, Psychologe, Hauptschullehrer und Gründer der Vätergruppe:
"Die Idee hatte ich schon Mitte der 80er Jahre, als ich in der Hauptschule unterrichtet, da habe ich festgestellt, dass zu den Elternversammlungen nur Mütter kommen. Damals schon fragte ich mich, wo bleiben die Väter? Wir leben faktisch in einer vaterlosen Gesellschaft und viele der Väter und Männer sie stehlen sich aus der Verantwortung. Um die für Familie und Bildung zu sensibilisiert, habe ich gesagt, versuch mal eine Gruppe zu gründen."
Mit Erfolg. Seit mittlerweile sieben Jahren treffen sich die Männer, besprechen ein Mal die Woche private Probleme und politische Aktionen. An diesem Abend zum Beispiel spenden alle gemeinsam 430 Euro für eine Opferstiftung, diskutieren über das neue türkische Passrecht, planen die nächste Demo zum Thema ‚Gewalt gegen Frauen'.
Weil die meisten nicht ausreichend Deutsch können, wird türkisch gesprochen. Lediglich als Kemalettin ein Plakat an der Wand vorliest, das zu der Demo aufruft, wechselt er kurz ins Deutsche:
"Wir gedenken an sie und die weiteren Opfer von Gewalt in unserer Stadt."
Kazim Erdogan:"Wir müssten in jedem Bezirk Berlins und in jeder Stadt Deutschlands solche Gruppen haben und Gott sei Dank, das Projekt hat auch viele Nachahmer gefunden und weitere Gruppen sind am Kommen. Wir haben jetzt eine Gruppe in Mitte, die wir anbieten und in Friedrichshain-Kreuzberg ist die Gruppe in Vorbereitungsphase. Wir tun unser bestes, sage ich mal, dass wir das überall anbieten können."
Der Verein "Aufbruch Neukölln" finanziert sich ausschließlich durch Spenden und durch Preisgelder, die Erdogan für sein soziales Engagement in den letzten Jahren bekommen hat. Sein Traum ist eine gesicherte Finanzierung und eine gemischte Gruppe:
"Fast alle Männer der Welt, Väter der Welt haben ungefähr die gleichen Probleme mit paar kulturellen Unterschieden, Sitten und Bräuchen. Und deshalb ist es auch mein Traum, gemischte Vätergruppen zu installieren. Wenn die sprachlich in der Lage sind, versuche ich möglichst gemischte Gruppen zu installieren und das wird die Arbeit in Zukunft sein."
Nach anderthalb Stunden ist das Treffen zu Ende. Kemalettin geht nach Hause zu seinem Sohn. Vieles, was er heute Abend hier gehört hat, wird er morgen weiter erzählen, als erstes seinen Mitstreitern beim Projekt Kiezväter. Und später dann den Männern im türkischen Teehaus, in das er regelmäßig geht. Auch sie sollen hören von Männergruppen und den neuesten Plänen alleinerziehender türkischer Väter.