Vom Pornofilm zum Strickwarengeschäft
Heinrich Steinfest liebt die Verknüpfung extremer, weit auseinander liegender Lebensentwürfe, Orte, Begebenheiten, die nie zuvor etwas miteinander zu tun hatten und erst in seinem Kopf zusammenfinden.
In diesem Fall ist es ein Pornofilmdarsteller in den besten Jahren, der seinen Beruf an den Nagel hängt und ein Strickwarengeschäft aufmacht. Und sich obendrein in die Verkörperung der Reinen verliebt, diese heiratet und von da an ein biedermeierliches Leben führt, auch wenn sich, recht bald im Roman, eine Leiche unter der Schlafstatt jenes gewandelten Mannes namens Lorenz Mohn findet.
Der Autor erzählt genau, beobachtet jede Gesichtsregung, kommentiert und stellt witzige, mitunter aberwitzige Vergleiche an. Insofern ist das Buch kein Krimi, sondern ein Roman, auch wenn Leiche, Polizei und Täter vorkommen. Steinfest geht es zwar um die Spannung der Handlung, aber vielmehr um die Schilderung der Charaktere, denen er immer wieder mitunter politisch völlig unkorrekte Schlenker in den Mund legt.
Mit der Zeit erkennt man, dass Steinfest Taxifahrern und Amerikanern skeptisch gegenübersteht, Rechtsanwälte und Topmanager nicht mag, es nicht so sehr mit dem Fernsehen hat und auch den Fortschritt, der der Menschheit eingeredet wird, insgeheim verhöhnt. Das liest die Schattenseite der eigenen Seele durchaus gerne, auch wenn die Seitenhiebe im Buch sich häufen.
Da Steinfest das Geschehen so präzise beobachtet, werden jene Leser bereits im zweiten der vier Teile enttäuscht, die sich in der ironisch beschriebenen Realität wohl fühlen. Denn da kommen Außerirdische ins Spiel, der Planet Pluto und die ihm zugeschriebene Kennzahl. Das Strickwarengeschäft heißt zudem "Plutos Liebe", und ab da wollen die Zufälle gar nicht mehr abreißen.
Schon bald weiß man, dass sich alle Ungereimtheiten nicht wie ein normaler Kriminalfall lösen werden, sondern nur über höhere Mächte. Steinfest turnt dabei zwischen Wien, Botnang bei Stuttgart, den USA und Oslo und lässt seine Ideen oft wilde Pirouetten schlagen. So gerät das Buch streckenweise zum Science-Fiction-Roman – es spielt teilweise im Jahr 2015 -, doch da die Handlung so nahe der Gegenwart stattfindet und auch die Außerirdischen sich kaum von Menschen unterscheiden, ist seine Fantasiewelt eine ziemlich realistische und wirkt durch die nur geringe Verzerrung köstlich parodiehaft.
Auf diese Weise befindet sich Steinfest in einer österreichischen Tradition: Der im Schatten von Johann Nestroy stehende Dichter Ferdinand Raimund ließ seine im Märchen- und Feenreich spielenden Theaterstücke stets von Wiener Typen bevölkern und auch Mozarts "Zauberflöte" ist geprägt von bodenständigem Verhalten.
Wie in seinem Buch "Mariaschwarz" ist Steinfest mit "Plutos Liebe" ein sprachliches Feuerwerk gelungen, mit großartigen Vergleichen, Wortschöpfungen, Beobachtungen und Bosheiten, eine in ihren unglaublichen Verbindungen, Zufällen und Grotesken kunstvoll verschränkte Handlung, die allerdings auf eine geniale Auflösung am Ende des Buches, ebenfalls ähnlich wie in "Mariaschwarz", verzichtet. Demgegenüber wirken der Epilog und die Anmerkungen wie hinten dran geklatscht.
Besprochen von Stefan May
Heinrich Steinfest: Gewitter über Pluto
Piper Verlag, München, 2009
400 Seiten, 19,95 Euro
Der Autor erzählt genau, beobachtet jede Gesichtsregung, kommentiert und stellt witzige, mitunter aberwitzige Vergleiche an. Insofern ist das Buch kein Krimi, sondern ein Roman, auch wenn Leiche, Polizei und Täter vorkommen. Steinfest geht es zwar um die Spannung der Handlung, aber vielmehr um die Schilderung der Charaktere, denen er immer wieder mitunter politisch völlig unkorrekte Schlenker in den Mund legt.
Mit der Zeit erkennt man, dass Steinfest Taxifahrern und Amerikanern skeptisch gegenübersteht, Rechtsanwälte und Topmanager nicht mag, es nicht so sehr mit dem Fernsehen hat und auch den Fortschritt, der der Menschheit eingeredet wird, insgeheim verhöhnt. Das liest die Schattenseite der eigenen Seele durchaus gerne, auch wenn die Seitenhiebe im Buch sich häufen.
Da Steinfest das Geschehen so präzise beobachtet, werden jene Leser bereits im zweiten der vier Teile enttäuscht, die sich in der ironisch beschriebenen Realität wohl fühlen. Denn da kommen Außerirdische ins Spiel, der Planet Pluto und die ihm zugeschriebene Kennzahl. Das Strickwarengeschäft heißt zudem "Plutos Liebe", und ab da wollen die Zufälle gar nicht mehr abreißen.
Schon bald weiß man, dass sich alle Ungereimtheiten nicht wie ein normaler Kriminalfall lösen werden, sondern nur über höhere Mächte. Steinfest turnt dabei zwischen Wien, Botnang bei Stuttgart, den USA und Oslo und lässt seine Ideen oft wilde Pirouetten schlagen. So gerät das Buch streckenweise zum Science-Fiction-Roman – es spielt teilweise im Jahr 2015 -, doch da die Handlung so nahe der Gegenwart stattfindet und auch die Außerirdischen sich kaum von Menschen unterscheiden, ist seine Fantasiewelt eine ziemlich realistische und wirkt durch die nur geringe Verzerrung köstlich parodiehaft.
Auf diese Weise befindet sich Steinfest in einer österreichischen Tradition: Der im Schatten von Johann Nestroy stehende Dichter Ferdinand Raimund ließ seine im Märchen- und Feenreich spielenden Theaterstücke stets von Wiener Typen bevölkern und auch Mozarts "Zauberflöte" ist geprägt von bodenständigem Verhalten.
Wie in seinem Buch "Mariaschwarz" ist Steinfest mit "Plutos Liebe" ein sprachliches Feuerwerk gelungen, mit großartigen Vergleichen, Wortschöpfungen, Beobachtungen und Bosheiten, eine in ihren unglaublichen Verbindungen, Zufällen und Grotesken kunstvoll verschränkte Handlung, die allerdings auf eine geniale Auflösung am Ende des Buches, ebenfalls ähnlich wie in "Mariaschwarz", verzichtet. Demgegenüber wirken der Epilog und die Anmerkungen wie hinten dran geklatscht.
Besprochen von Stefan May
Heinrich Steinfest: Gewitter über Pluto
Piper Verlag, München, 2009
400 Seiten, 19,95 Euro