Vom Spiel zur Sucht
Computerspiele bergen hohes Suchtpotenzial: Gerade Jungen sind fasziniert von ihnen, hat man in ihnen doch nahezu unbegrenzte Machtfülle und ist unangreifbar. Aber auch Mädchen sind gefährdet, da ihre virtuellen Stellvertreter in den Spielen - Avatare - ihrem körperlichen Ideal von Schönheit entsprechen.
Jugendliche verbringen heute mitunter viele Stunden am Computer. Allerdings weniger, um für die Schule zu recherchieren. Attraktiv sind Computer vor allem für den Zeitvertreib. Im SchülerVZ stöbern, Musik herunterladen, auf Fanseiten klicken.
Luisa ist 14:
"Wenn ich aus der Schule komme, ist es meistens so, dass ich mich gleich vor den Computer setze, ob was Neues ist, über Lehrer reden, wie doof sie waren oder so. Meistens auch Spiele spielen. Ja!"
Ach ja, die Computerspiele. Der soziale Hintergrund der Familie, ob reich oder arm, spielt hier praktisch keine Rolle. Computer gehören fast schon zur Grundausstattung. Und Spiele gehören automatisch dazu.
Besonders "Ballerspiele" haben es in sich. Das Suchtpotential ist hier besonders groß, meint Florian Rehbein vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. Im Extremfall sitzen die Jugendlichen vier Stunden täglich vor dem Rechner, vernachlässigen die Schule, selbst für Freunde bleibt da kaum noch Zeit:
"Zum Beispiel bei 'World of Warcraft' haben wir einen sehr hohen Anteil von Computerspiel-Abhängigen, diesem Online-Rollenspiel, und bei einem Spiel wie 'Counter-Strike', das ist ja ein klassischer Online-Shooter, haben wir auch noch einen erhöhten Anteil, aber nicht ganz so hoch wie bei 'World of Warcraft', und wenn man dann noch mal so ein Casual-Game, so ein Gelegenheitsspiel wie 'Need for Speed', da haben wir dann eher geringe Abhängigkeitswerte. Das heißt, es deutet sich schon an, dass Computerspiele durchaus nicht gleich zu sehen sind, dass es also Spiele gibt mit unterschiedlichem Gefährdungspotential."
Vor allem die Jungen fühlen sich von Ballerszenarien oder Autorennen wie "Need for speed" geradezu magisch angezogen. Es ist die Verbindung aus Schnelligkeit und Machtfülle, die fasziniert: Die Spieler bestehen gefährlichste Situationen, ohne auch nur einen Kratzer abzubekommen. Sie sind unverwundbar, siegreich, wie richtige Helden. Kühnste Träume, so der Psychologe aus Hannover, sie werden im Computerspiel erlebt, als wäre man wirklich dabei.
"Also, ein erhöhtes Suchtpotential kann man allein schon daran festmachen, dass Computerspiele den Spieler ganz stark belohnen. Auf ganz vielfältige Weise. Durch Punkte. Durch das Erscheinen in irgend einer Rangliste, die dann plötzlich ein soziales Prestigeobjekt werden kann, durch bestimmte Gegenstände, die man freigespielt hat, die man benutzen kann, durch Ausstattungsmerkmale, dass man sich anders kleiden kann als die anderen. Dadurch kann man sich wieder sozial abgrenzen. Da sehe ich eigentlich so im Kern eine Problematik in den Spielen."
Mädchen lieben im Gegensatz zu Jungen eher friedliche Simulationen mit sozialem Hintergrund. "SIMS" zum Beispiel - eine digitale Puppenstube mit Figuren, die merkwürdig sprechen: Ein Baukasten für digitale Familien. Doch selbst solche scheinbar harmlosen Szenarien bergen Suchtpotential. Denn auch die Jugendlichen agieren mit einem sogenannten Avatar - einem digitalen Stellvertreter.
"Also für Jugendliche ist ja heutzutage die Körperlichkeit die eigentliche Hauptthematik. Die körperliche Unversehrtheit, die Schönheit, aber auch der Trainingszustand. Und wenn ich jetzt ein Medium habe, wo die Entkörperlichung quasi perfekt funktioniert, wo ich ohne meine eigentlichen körperlichen Gebrechen, Schwierigkeiten, aber auch Ängste, Sorgen, Fehleinschätzungen leben kann, dann ist das gerade für - ich hätte fast schon Patienten gesagt, aber sagen wir lieber mal Jugendliche, die an ihrem eigenen Körper zweifeln, und das tun nun mal gerade sehr viele Mädchen, gerade depressive Mädchen, das ideale Medium eigentlich."
Sagt Dr. Oliver Bilke, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Vivantes-Kliniken, Berlin. Für Eltern ist es schwierig, zu entscheiden, wann es an der Zeit ist, mit dem Kind über andere Freizeitbeschäftigungen zu reden. Eine Mutter:
"Ich hab' halt Angst, dass sie ihre sozialen Kontakte dadurch verliert und dadurch nur noch in dieser zweiten Welt lebt."
Einfach den Stecker ziehen, um dem bösen Spiel ein Ende zu bereiten, ist die denkbar schlechteste Lösung, urteilen Experten. Besser wäre es, über Alternativen zu sprechen. Sport, gemeinsame Unternehmungen oder aber die Nutzung des Computers - möglichst im gegenseitigen Einvernehmen - zeitlich zu limitieren.
"Sucht beginnt da, wo das Spiel aufhört. Der Spielsüchtige spielt ja auch nicht zum Spaß. Sondern er spielt, weil er es nicht mehr ertragen kann, ohne Spielen zu leben. Er spielt, weil er Entzugserscheinungen hat. Er spielt, weil er da seine einzige soziale Bestätigung bekommt."
Jungen sind nach einer Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen geradezu dramatisch betroffen. Neun Prozent der heranwachsenden Männer gelten heute als gefährdet bzw. abhängig von Computerspielen. Bei den Mädchen ist es dagegen nur ein Prozent. Meist sind die jungen Menschen sozial bereits vorbelastet: Eltern kümmern sich kaum, viele ahnen nicht, dass die Kinder am Rechner vereinsamen.
Luisa ist 14:
"Wenn ich aus der Schule komme, ist es meistens so, dass ich mich gleich vor den Computer setze, ob was Neues ist, über Lehrer reden, wie doof sie waren oder so. Meistens auch Spiele spielen. Ja!"
Ach ja, die Computerspiele. Der soziale Hintergrund der Familie, ob reich oder arm, spielt hier praktisch keine Rolle. Computer gehören fast schon zur Grundausstattung. Und Spiele gehören automatisch dazu.
Besonders "Ballerspiele" haben es in sich. Das Suchtpotential ist hier besonders groß, meint Florian Rehbein vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. Im Extremfall sitzen die Jugendlichen vier Stunden täglich vor dem Rechner, vernachlässigen die Schule, selbst für Freunde bleibt da kaum noch Zeit:
"Zum Beispiel bei 'World of Warcraft' haben wir einen sehr hohen Anteil von Computerspiel-Abhängigen, diesem Online-Rollenspiel, und bei einem Spiel wie 'Counter-Strike', das ist ja ein klassischer Online-Shooter, haben wir auch noch einen erhöhten Anteil, aber nicht ganz so hoch wie bei 'World of Warcraft', und wenn man dann noch mal so ein Casual-Game, so ein Gelegenheitsspiel wie 'Need for Speed', da haben wir dann eher geringe Abhängigkeitswerte. Das heißt, es deutet sich schon an, dass Computerspiele durchaus nicht gleich zu sehen sind, dass es also Spiele gibt mit unterschiedlichem Gefährdungspotential."
Vor allem die Jungen fühlen sich von Ballerszenarien oder Autorennen wie "Need for speed" geradezu magisch angezogen. Es ist die Verbindung aus Schnelligkeit und Machtfülle, die fasziniert: Die Spieler bestehen gefährlichste Situationen, ohne auch nur einen Kratzer abzubekommen. Sie sind unverwundbar, siegreich, wie richtige Helden. Kühnste Träume, so der Psychologe aus Hannover, sie werden im Computerspiel erlebt, als wäre man wirklich dabei.
"Also, ein erhöhtes Suchtpotential kann man allein schon daran festmachen, dass Computerspiele den Spieler ganz stark belohnen. Auf ganz vielfältige Weise. Durch Punkte. Durch das Erscheinen in irgend einer Rangliste, die dann plötzlich ein soziales Prestigeobjekt werden kann, durch bestimmte Gegenstände, die man freigespielt hat, die man benutzen kann, durch Ausstattungsmerkmale, dass man sich anders kleiden kann als die anderen. Dadurch kann man sich wieder sozial abgrenzen. Da sehe ich eigentlich so im Kern eine Problematik in den Spielen."
Mädchen lieben im Gegensatz zu Jungen eher friedliche Simulationen mit sozialem Hintergrund. "SIMS" zum Beispiel - eine digitale Puppenstube mit Figuren, die merkwürdig sprechen: Ein Baukasten für digitale Familien. Doch selbst solche scheinbar harmlosen Szenarien bergen Suchtpotential. Denn auch die Jugendlichen agieren mit einem sogenannten Avatar - einem digitalen Stellvertreter.
"Also für Jugendliche ist ja heutzutage die Körperlichkeit die eigentliche Hauptthematik. Die körperliche Unversehrtheit, die Schönheit, aber auch der Trainingszustand. Und wenn ich jetzt ein Medium habe, wo die Entkörperlichung quasi perfekt funktioniert, wo ich ohne meine eigentlichen körperlichen Gebrechen, Schwierigkeiten, aber auch Ängste, Sorgen, Fehleinschätzungen leben kann, dann ist das gerade für - ich hätte fast schon Patienten gesagt, aber sagen wir lieber mal Jugendliche, die an ihrem eigenen Körper zweifeln, und das tun nun mal gerade sehr viele Mädchen, gerade depressive Mädchen, das ideale Medium eigentlich."
Sagt Dr. Oliver Bilke, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Vivantes-Kliniken, Berlin. Für Eltern ist es schwierig, zu entscheiden, wann es an der Zeit ist, mit dem Kind über andere Freizeitbeschäftigungen zu reden. Eine Mutter:
"Ich hab' halt Angst, dass sie ihre sozialen Kontakte dadurch verliert und dadurch nur noch in dieser zweiten Welt lebt."
Einfach den Stecker ziehen, um dem bösen Spiel ein Ende zu bereiten, ist die denkbar schlechteste Lösung, urteilen Experten. Besser wäre es, über Alternativen zu sprechen. Sport, gemeinsame Unternehmungen oder aber die Nutzung des Computers - möglichst im gegenseitigen Einvernehmen - zeitlich zu limitieren.
"Sucht beginnt da, wo das Spiel aufhört. Der Spielsüchtige spielt ja auch nicht zum Spaß. Sondern er spielt, weil er es nicht mehr ertragen kann, ohne Spielen zu leben. Er spielt, weil er Entzugserscheinungen hat. Er spielt, weil er da seine einzige soziale Bestätigung bekommt."
Jungen sind nach einer Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen geradezu dramatisch betroffen. Neun Prozent der heranwachsenden Männer gelten heute als gefährdet bzw. abhängig von Computerspielen. Bei den Mädchen ist es dagegen nur ein Prozent. Meist sind die jungen Menschen sozial bereits vorbelastet: Eltern kümmern sich kaum, viele ahnen nicht, dass die Kinder am Rechner vereinsamen.