Vom System der Pflanzen
Das Frühjahr ist die Zeit der Blüte und auch die Zeit, in der sich Hobbygärtner mit neuen Pflanzen beschäftigen, die sie für ihr Reich brauchen könnten. Bei ihrer Suche werden sie vielleicht auch auf Namen stoßen, denen ein "L" beigefügt ist.
Århammar. "Er hält in seiner Hand die Linnea Borealis. Seine Blume. Die ja auch in den Wäldern seines Geburtsortes in Småland vorkommt und die Gattung ist ja nach ihm benannt."
Erik Århammar - ein Schwede, der in Marburg aufgewachsen ist - leitet die Orangerie der Universität Uppsala. Der Bau mit dem prächtigen Säulenportal trägt den Namen des Naturforschers Carl von Linné. Er befindet sich in unmittelbarer Nähe des historischen Zentrums der Universitätsstadt. Neben dem Dom und dem Schloss gehört es zu den Sehenswürdigkeiten von Uppsala.
Die Orangerie wurde im Mai 1807 aus Anlass des 100. Geburtstages von Carl von Linné eingeweiht. In der warmen Jahreszeit bevölkern alle Blumen, Gewächse und Bäume das weitläufige Freigelände des Botanischen Gartens. Während des langen Winters finden die Kübelpflanzen im Linneanum Schutz vor Frost und Schnee. In der Orangerie steht Erik Århammar vor einem Poster, das Carl von Linné mit weißer Perücke und rotem Rock präsentiert.
Århammar: "Er steht in einem Teil des Universitätsparks und hinter den großen Baumkronen - im Hintergrund - bricht die Sonne hervor und gibt ihm fast so etwas wie einen Erleuchtungs- oder Heiligenschein, kann man schon fast sagen, und hebt den Linné also heraus und hervor. Mehr als er eigentlich im Vordergrund schon ist. Und ganz im Hintergrund kann man die Universitätsaula sehen."
Am 5. September 1728 traf Linné in Uppsala ein, um sein Studium der Medizin fortzusetzen. Zwei Semester in Lund lagen hinter ihm. Schon in dieser Zeit gelangte Linné zu der Schlüsselidee seines gesamten botanischen Werkes. Er fand heraus, dass sich die Blüten mit den Staubblättern und dem Stempel – und somit die Fortpflanzungsorgane - als Grundlage für die Klassifikation der Pflanzen eignen.
Die erste kurze Abhandlung des schwedischen Botanikers trug den poetischen Titel "Hochzeiten der Pflanzen". In seiner Autobiografie berichtet Linné über die Wirkung der Schrift.
"Linnaeus schrieb einige Bogen über den eigentlichen Zusammenhang des Geschlechtes der Pflanzen im botanischen Sinne und gab das Manuskript dem Doktor Celsius, von dem es weiter in die Hände des Professors Olof Rudbeck kam und ihm so gefiel, dass er wünschte, den jungen Mann, der es entworfen, kennen zu lernen."
Olof Rudbeck entdeckte den aufgehenden Stern der Botanik. Im Jahr 1730 erteilte er Linné einen Lehrauftrag. So kam es, dass in Uppsala ein Student des dritten Studienjahres im Botanischen Garten der Universität angehende Mediziner in die Welt der Pflanzen einführte. In Uppsala entwickelte sich Linné zu einem Naturforscher mit Weltruf.
1735 verließ er die Stadt, um sich auf eine Bildungsreise nach Deutschland, Holland und Frankreich zu begeben. Im Linneanum werden Bäume aufbewahrt, die aus dem Goldenen Zeitalter der Botanik stammen. Neben der Usambaraveilchensammlung gehören sie zu den Schätzen des Botanischen Gartens. Erik Århammar führt durch das Freigelände.
Århammar: "Wir stehen jetzt inmitten von einem Teil der Kübelpflanzen, die in der Orangerie hier gepflegt werden. In unmittelbarer Nähe haben wir vier der alten Lorbeerbäume, die Carl von Linné einst vom botanischen Garten der Universität Leiden in Holland als kleine Stecklinge bekommen hat. Und die Bäume hier, neben denen wir stehen, die sind ungefähr sechs Meter hoch und voll von grünen Blättern und stehen also in großen, metergroßen Eichenholzkübeln. Die Stämme sind knorrig und wirklich vom Alter geprägt."
1741 wurde Carl von Linné zum Professor der Medizin und Botanik berufen. Er gründete einen der besten Botanischen Gärten Europas und verwandelte damit Uppsala in ein Zentrum der neuzeitlichen Naturgeschichte.
Obwohl die Kräuterwissenschaften und die Pflanzenkunde zu den ältesten Wissensdisziplinen der Menschheit gehören, sah sich Linné als Reformator der Botanik. In seinen autobiografischen Notizen schreibt er voller Selbstbewusstsein.
"Die Botanik baute er von Grund auf an der Stelle der früheren, verfallenen, so dass, von seiner Zeit an zu rechnen, diese Wissenschaft ein ganz anderes Ansehen und eine ganz neue Epoche erhalten hat."
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts steckte die Botanik in einer Krise. In der Pflanzenkunde herrschte ein Namenschaos. Linné machte sich im Laufe seines Lebens daran, den Stall der Botanik auszukehren. Ihm gelang es, die unübersichtliche Fülle von fast 18.000 Pflanzennamen auf etwa 3000 Namen zu reduzieren. Linné führte eine zweiteilige lateinische Namensgebung ein, die sich weltweit durchsetzte.
Zu seiner berühmten binären Nomenklatur gelangte Linné aber erst allmählich. Im Jahr 1753 veröffentlichte er das Werk "Species Plantarum", in dem er jede Art durch einen lateinischen Satz von höchstens zwölf Wörtern beschrieb. Den Buchrand seines Handexemplars versah Linné mit Notizen. Über diese Sternstunde der Botanik berichten die Autoren des Lehrbuchs zur "Biologie der Pflanzen".
"Bei der ‚Echten Katzenminze‘ zum Beispiel mit dem vollständigen mehrgliedrigen lateinischen Namen Nepata floribus interrupte spicatus pedunculatis (Nepeta mit gestielten Blüten in unterbrochener Ähre) führte Linnaeus das Wort ‚cataria‘ (auf Katzen wirkend) am Buchrand an, womit er eine bekannte Eigenschaft der Pflanze hervorhebt. Er und seine Zeitgenossen nannten diese Art bald Nepata cataria, und mit diesem lateinischen Namen wird die Art bis zum heutigen Tag benannt."
Bis in die Gegenwart ist Linné für Pflanzenkundige ein wichtiger Bezugspunkt. Auch an der Fachhochschule Anhalt (FH) am Stadtrand von Bernburg ist der alte Schwede kein Unbekannter. Wolfram Kircher – er stammt aus einer Würzburger Gärtnerdynastie – lehrt das Gebiet der Pflanzenverwendung.
Mit seinen Kollegen entwickelt er Staudensortimente, die pflegeleicht und farbenfroh sind und die auch auf nährstoffarmen Böden gut gedeihen. Im Staudengarten erläutert Wolfram Kircher den großen Vorteil des von Linné eingeführten Verfahrens zur Benennung von Pflanzen.
Kircher: "Er hat aber ... die Art und Weise, wie benannt wird, überhaupt erst erschaffen. Das ist seine Erfindung ... Da steht hier zum Beispiel Melica ciliata. Das ist ein Gras. Im Moment auch noch recht unspektakulär. Macht aber wunderschöne Blütenstände später. Silbrig leuchtend. Da sehen Sie also Melica. Das ist die Gattung. Da gibt es auch andere Arten. Melica transsilvanica, Melica nutans oder wie die Dinger alle heißen. Und ciliata ist der Artname. Das macht also klar, welche Art es ist. Nun gibt es auch ganz andere Pflanzen, die auch im Artnamen ciliata heißen. Aber in ganz andere Gattungen gehören. Also es reicht nicht, nur einen Namen zu haben. Sondern mit diesem zweiteiligen System – Gattungsname – Artname. Wenn wir das vielleicht auf uns Menschen übertragen. Mein Name ist Wolfram Kircher. Wenn Sie so wollen. Das ist hier allerdings in anderer Reihenfolge. Kircher wäre sozusagen der Gattungsname. Wolfram der Artname. Mal etwas angepasst formuliert."
Linné setzte das Werk von John Ray fort, dem die Priorität für den Einsatz von Blütenmerkmalen zur Klassifikation von Pflanzen gebührt. Der englische Vater der Botanik schuf die Grundlage für die Systematik der Pflanzen, die Linné im Laufe seines Lebens weiter ausarbeitete. Was Linné neu in die Wissenschaft einführte, das ist ein Ordnungssystem für seine botanischen Beobachtungen.
Basierend auf 26 Merkmalen sortierte er die von ihm beschriebenen Pflanzen in eine Reihe ineinander geschachtelter Kästen, d. h. in Klassen, Ordnungen, Gattungen und schließlich Arten. Bei der Einrichtung des Staudengartens am Stadtrand von Bernburg war Carl von Linné ein Vorbild. Wolfram Kircher.
Kircher: "Denn der ist pflanzensystematisch angeordnet. Ähnlich wie in vielen botanischen Gärten auch, wo man dann Pflanzen nach Ähnlichkeiten zusammenstellt. Gemäß der Ähnlichkeiten werden Pflanzen dann auch in ein solches System – hierarchisch angeordnet – gestellt. Wir unterscheiden verschiedene Ordnungen. Innerhalb der Ordnungen sind ähnlich aussehende Pflanzen zusammengestellt mit ähnlichen Merkmalen, ähnlichen Merkmalsausprägungen. Wenn die ganzen Merkmale noch näher zusammenrücken zwischen verschiedenen Arten, dann kommen wir in die Pflanzenfamilie. Innerhalb der Pflanzenfamilie gibt es wiederum Gattungen und die Gattungen wiederum das sind dann die Oberhierarchien für Arten. Wenn Sie wollen können Sie die Arten noch aufschlüsseln in Unterarten, Varietäten, Formen oder wenn der Mensch züchterisch herangeht, so genannte Sorten. Das ist immer was vom Menschen zumindest ausgelesenes, etwas sogar bewusst züchterisch Herbeigeführtes, was die Natur so nicht dauerhaft bringt."
Nicht nur dem Schlafmohn "Papaver somniferum" - und der Hausmaus "Mus musculus" gab Linné einen kurzen Doppelnamen, sondern auch dem Menschen "Homo sapiens": Der "wissende Mensch". Linné gelang es, eine enorme Organismenfülle nach einheitlichen Regeln zu ordnen.
Das war mehr als nur eine neue Buchhaltung. Staffan Müller-Wille lehrt als Professor an der Universität Exeter. In seinem Buch "Botanik und weltweiter Handel" untersuchte er die Begründung eines Natürlichen Systems der Pflanzen durch Carl von Linné. Der Wissenschaftshistoriker spricht davon, dass sich durch Linné eine "stille" Revolution ereignete.
Müller-Wille: "Die stille Revolution besteht darin, dass man in ganz bestimmter Weise beispielsweise Artbeschreibungen verfasst, dass man in ganz bestimmter Weise Arten benennt, eben diese zweiteiligen Binominalnamen, dass man Bücher in bestimmter Weise organisiert, so dass sich Informationen darin wieder auffinden lassen, dass man sich in bestimmter Weise auf Forschungsreisen verhält, seine Notizen in bestimmter Weise führt. Dann gibt es so eine Art Ehrenkodex unter Botanikern, nach dem sie ihren Austausch von Pflanzennamen organisieren, so dass auch jeder die Chance hat, Exemplare von allen Arten zu kriegen in den verschiedenen botanischen Gärten. Es geht um die Praxis, die hier revolutioniert wird, weniger in erster Linie die Wissensinhalte."
Die wissenschaftliche Revolution in der Erforschung der irdischen Vegetation, die der Engländer Charles Darwin mit seiner Theorie der Evolution vollendete, begann in Uppsala. Vor dem Linneanum der skandinavischen Universitätsstadt befindet sich eine Bronzebüste, die Erik Århammar täglich bewundert.
Århammar: "Die Büste ist insofern sehr interessant, weil sie sehr pfiffig gestaltet ist. Teils sieht man wie einen Baumstamm und das geht dann in ein Blattwerk über, was dann die Schultern von Carl von Linné darstellt. Und dann sieht man, dass das Blattwerk Lindenblätter sind. Und Linde, das war ja sein Lieblingsbaum. Und dann sieht man, wenn man ein bisschen weiter um Linné herumgeht und ihn von hinten anschaut, dann sieht man in der Perücke die Karte oder den Übersichtsplan über den Akademie- oder Linné-Garten. Er ist in die Perücke eingerüstet oder eingebaut. Unten auf dem Sockel von der Büste das sieht man noch auch die Linnea wieder. Das ist auch ein Element, was immer wieder hervorkommt und unlöslich mit Linné verknüpft ist, seine Blume, die Linnea borealis."
Das seltene Moosglöckchen mit den zartrosafarbenen Blüten – die Linnea borealis – ist die Symbolblume von Småland. In der südschwedischen Provinz erblickte Carl von Linné am 23. Mai 1707 das Licht der Welt. Der Name "Linnaeus" geht auf den Vater zurück, der sich zu Beginn seines Theologiestudiums umbenannte. Der frei erfundene Name verweist auf die Linden, die zum Hof der Vorfahren gehörten.
Seit der Jugend glaubte der Pfarrerssohn an den göttlichen Auftrag, dass es ihm aufgeben sei, die Natur zu erforschen und im Sinne ihres Schöpfers zu ordnen. Obwohl Linné ein jugendliches Genie war, hatte er in reifen Jahren auch mit Krisen zu kämpfen. Halt fand er in seinem Glauben. In seiner Autobiografie äußert sich Linné über die religiöse Motivation seines Forschens.
"Er las auf der Erde Steine, Gewächse, Tiere wie in einem Buche. Er war einer der stärksten Oberservatoren, die wir gehabt. Er hatte alle Zeit Ehrfurcht und Bewunderung vor seinem Schöpfer und suchte seine Wissenschaft auf ihren Urheber hinzuleiten. Gott selbst hat ihn geleitet mit seiner eigenen allmächtigen Hand. Er hat ihn lassen aufsprießen aus geringfügiger Wurzel, ihn verpflanzt an einen fernen Ort herrlich, ihn emporschießen lassen zu einem ansehnlichen Baume."
Der Botanische Garten der Martin-Luther-Universtität in Halle war im "Goldenen Zeitalter" der Botanik ein Arzneigarten. Hier studierte Johann Christian Daniel von Schreber, der seine Ausbildung an der Universität Uppsala beendete.
Schreber übersetzte die Werke seines Lehrers Linné ins Deutsche. Matthias Hoffmann – wissenschaftlicher Leiter des Botanischen Gartens in Halle – führt durch das historische Gelände, in dem sich von Schreber als Student zu Hause fühlte.
Hoffmann: "Jetzt sind wir im System, in der Systemanlage des Botanischen Gartens. Also dort, wo die Pflanzen nach ihren Verwandtschaftsverhältnissen angeordnet sind. Das ist auch mehr oder weniger der Bereich, wo sich der Medizinalpflanzengarten befand. Das ist auch sehr schön, dass man in dieser kleinen Anlage die Heilpflanzen unserer Breiten zusammengetragen hat. Also wenn wir da jetzt hier hinschauen: Zum Beispiel Pfefferminze ist von Linné beschrieben worden. Bohnenkraut auch von Linné. Die nächste Pflanze wäre der gemeine Dost. Ebenfalls von Linné beschrieben. Etwas weiter hier nach rechts. Dann zum Beispiel der echte Salbei. Ebenfalls eine Pflanze, die von Linné beschrieben worden ist. Also hier begegnet uns Linné auf Schritt und Tritt."
Auch im Staudengarten der Hochschule Anhalt ist das so. Wolfram Kircher hat ein dickes Bestimmungsbuch mitgebracht. Das botanische Werk basiert auf der von Linné geschaffenen Fachsprache.
Wenn Praktiker über Pflanzen reden, dann verständigen sie sich in dieser Sprache, die erst im 18. Jahrhundert durch Linné erfunden wurde. Der Schwede ging ökonomisch zu Werke: Zwei lateinische Worte mussten reichen, um eine Pflanzenart zu benennen. Vor einem Tulpenbeet erzählt Wolfram Kircher über Linné.
Kircher: "Er hat die Gattung Tulipa benannt. Hat zumindest auch eine Tulipa gesneriana als solche Art benannt. Wenn wir da gucken, ich habe hier das botanisch nomenklatorische Werk dabei, das von einem Herrn Zander – übrigens ein Magdeburger und er wirkte gleich um die Ecke hier – begründet wurde. Herr Zander lebt inzwischen nicht mehr. Es wird von andern Leuten weitergeführt. Dieses Buch erscheint in unregelmäßigen Abständen immer wieder neu. Bringt den aktuellen Stand der Nomenklatur. Wenn wir da unter Tulipa nachschlagen, dann finden wir Tulipa L., als Gattungsbezeichnung, das heißt unser Herr Linné hat diese Gattung Tulipa so genannt. Und wenn wir weitergucken, dann finden wir ganz viele Arten natürlich an Tulpen. Die haben alle unmögliche Autorennamen. Dann kann man hinten im Register nachschlagen, was das dann für Leute waren, die die jeweiligen Arten benannt haben. Dann finden wir irgendwann diese Tulipa gesneriana – das Ganze ist ja alphabetisch geordnet – und da steht dann wiederum das L Punkt dahinter. Also diese Art wurde von Linné so genannt."
Der Garten, in dem Linné als Student dozierte und den er als Professor zu einem Zentrum der Naturgeschichte in Europa machte, befindet sich inmitten der Stadt. Heute sind der historische Linné-Garten und das Linné-Museum in Uppsala für Menschen aus aller Welt ein Wallfahrtsort. Hier kann man über die Evolution der Pflanzen nachdenken und sich an der Schönheit der Schöpfung erfreuen.
In der Person von Linné bilden die religiöse Empfindung und die wissenschaftliche Erkenntnis keinen Gegensatz. In dem Manuskript "Nemesis divina" – das Linné allein für seinen Sohn Carl verfasste – formuliert der Naturforscher sein Glaubensbekenntnis.
"Dürft‘ ich einmal sehen – dein heimliches Walten – und dann verstehen. – So hebe Du auch mich – vom Staube zu Dir auf, - nur einen Augenblick – zu sehen, wie Du lenkest – aller Welten Lauf, - dir Ursache zu sehen – der Dinge sonder Zahl, - die wunderlich geschehen."
Linné träumte davon, Gott bei der Schöpfung über die Schultern zu schauen und er hatte Erfolg dabei. Die europäische Flora wurde fast ausschließlich von ihm beschrieben.
In seinem Wohnhaus in Uppsala befindet sich heute das Linné-Museum. Im ersten Stock des Hauses hängt ein berühmtes Porträt. Es zeigt nicht den Ehemann und fünffachen Familienvater, sondern der junge Linné ist in der Kleidung eines Forschungsreisenden zu sehen. Erik Århammar beschreibt das Gemälde, auf dem Linné in einer Volkstracht zu sehen ist.
Århammar: "Er hat ja eine Reise nach Lappland unternommen. Einer sehr strapaziöse solche. Das zeigt ihn also hier mit allen Utensilien. Unter anderem sieht man hier eine so genannte ‚nyt trumma‘, eine magische Trommel, die von den Lappen verwendet wird, um die Vorväter zu beschwören oder gute Geister oder böse Geister fernzuhalten und gute Geister hervorzuholen. Und links neben ihm auf dem Tisch liegt seine Flora Lapponica, also das Buch, was er dann als Ergebnis seiner Reise publiziert hat. Und in seiner rechten Hand wieder die Linnea borealis, die Linnea, seine Blume, die ist ja überall wie ein roter Faden mit dabei."
Im Auftrag der Königlichen Societät der Wissenschaften war Linné im Mai 1732 zu einer halbjährigen Forschungsreise aufgebrochen. In seinem Reisebericht schildert Linné den Auszug aus Uppsala.
"Somit reiste ich am 12. Mai 1732 aus der Stadt Uppsala ab, es war ein Freitag, 11 Uhr vormittags, bis zu meinem 25. Jahre fehlte mir nur noch ein halber Tag. Nun begann das ganze Land zu lächeln und Freude zu fühlen, nun kömmt die schöne Flora und schläft mit dem Phoebus ... Die Lerche sang den ganzen Weg für uns, sie zitterte in der Luft. - Ecce suum tirile, tirile, suum tirile tractat."
Bei der Neuordnung der Botanik spielte die Reise durch Lappland eine wichtige Rolle. Linné erkannte die morphologische Vielfalt ein und derselben Art. Wie die Raupe und der Schmetterling als Exemplare einer Art anzusehen sind, so auch die verschiedenen Wuchsformen von Birken oder von Kiefern. Die Entdeckung der Variabilität einzelner Arten war ein wichtiger Schritt auf dem Wege zur Theorie der Evolution von Charles Darwin. Der Engländer stand auf den Schultern von Linné.
So wurde auch Darwins neue Theorie erstmals am 1. Juli 1858 auf einer Sitzung der "Linnean Society" in London verlesen.
Linnés Fußmarsch durch Lappland trug reiche Früchte. Der Botaniker verfasste ein spezielles Werk über Lapplands Flora. - Wolfram Kircher von der Hochschule Anhalt hegt an der Lapplandreise ein besonderes gärtnerisches Interesse. Im Staudengarten testet er Anpflanzungen für nährstoffarme Böden in Bädern und für Gartenteiche. Der Pflanzengestalter zeigt auf eines der Testbeete mit einem flächigen Bewuchs.
Kircher: "Eine Charakterart der Hochmoore, der richtig sauren, durch Regenwasser gespeisten Moore, ist das Scheidige Wollgras, das nennt sich botanisch, wenn wir von Linné reden, müssen wir einfach die Fachwörter auch nennen, Erioforum. Das kann man auch übersetzen. Erios – das Haar. Und Forum, das kommt von ferre, also tragen. Sprich: Der Haarträger. Wenn Sie sich die Blütenstände oder Fruchtstände anschauen, dann sehen Sie dann lauter Haare rausschauen, die an den Früchtchen dran sitzen. Die natürlich da namensgebend waren. Vaginatum, da steckt eben das Scheidige, also das ist da die Blattscheide, die da gemeinst ist, die da besonders ausgeprägt ist, drin. Das ist der botanische Name Erioforum vaginatum. Übersetzt: Der scheidige Haarträger. Dieses horstförmig wachsende Gras kommt in solchen aufwachsenden Hochmooren zwischen den Hochmoormoosen, den so genannten Sphagnen oder auch Edelweismoosen genannten Moosen vor und wächst mit seinen Horsten immer mehr in die Höhe, weil ja auch diese Torfmoosdecken immer mehr in die Höhe wachsen. Also dieses Gras steht hier drin. Dieses Gras wurde von Linné benannt. Insofern schon eine Spur von Linné."
Im Jahr 1735 verließ Linné erneut das ihm vertraute Uppsala. Vor seiner Reise nach Holland verlobte sich der 28-Jährige mit der begüterten Sarah Elisabeth Moraea aus Falun. Nach einer Zwischenstation in Hamburg reiste Linné in die holländische Universitätsstadt Harderwijk. Hier erwarb er am 12. Juni mit seiner mitgebrachten Arbeit das Doktordiplom der Medizin.
Linné fand auch einen holländischen Gönner, der es ihm ermöglichte, sein Werk "Systema naturae" herauszugeben. Die Auflage von 1735 vervollständigte der Autor in den folgenden Jahrzehnten, so dass die 13. Auflage von 1770 schließlich aus mehr als 3000 Seiten bestand. In der Bibliothek des Linné-Museums in Uppsala ist ebenfalls der große Pflanzenkatalog zu sehen, den Linné in Holland erarbeitete.
Århammar: "Auf dem Mittelregal hier liegt ein Buch aus, das Hortus cliffortianus heißt und 1737 von Linné geschrieben wurde unter den Jahren, in denen er in Holland war. Dann sieht man hier, wo das Buch aufgeschlagen ist, sieht man auf der linken Seite eine Pflanze. Da steht Browallia. Das ist dann natürlich jetzt die binäre Nomenklatur, die er jetzt verwendet. Die Namensgebung, die man heute noch verwendet, um Pflanzen und Tiere zu benennen."
Die Browallie – das als Zimmerpflanze beliebte Blauglöckchen - stammt aus dem tropischen Südamerika. Dem jungen Kurator lagen in Holland die Pflanzen der Welt zu Füßen. Linné befand sich in einem der besten Botanischen Gärten Europas.
Als er die Browallie beschrieb, stand ihm der im 18. Jahrhundert berühmte Pflanzenmaler Georg Dionysos Ehret zu Seite. Doch Linné sah sich trotz der hervorragenden Zeichnungen in seinem Katalog nicht nur als Pflanzenliebhaber, sondern er zählte sich zu den "wahrhaften" Botanikern. Staffan Müller-Wille von der Universität Exeter.
Müller-Wille: "Der echte Botaniker braucht einen Botanischen Garten, muss dem vorstehen. Ansonsten kann er nicht das tun, was von einem echten Botaniker erwartet wird, nämlich Arten im Vergleich miteinander zu bestimmen. Linné war da sehr selbstbewusst. Er hat sich selbst für den Fürst aller Botaniker gehalten. Es gibt sogar den Spruch, dass er der zweite Adam war. Adam hat im Garten Eden die Pflanzen und Tiere benannt und Linné war der zweite Adam. Das stammt allerdings nicht von ihm selber. Man findet leicht ähnlich selbstbewusste Aussagen von ihm. Er war sich sehr genau bewusst, welche Stellung er besaß und wie er die auch sichern konnte innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft der Botaniker. Das war wenn man so will sein Berufsgeheimnis, wie man es macht."
In Uppsala kann das Werk des "Fürsten der Botanik" doppelt in Augenschein genommen werden. Während die Bücher des Forschers in der Bibliothek seines Stadthauses präsentiert werden, stellt der historische Linné-Garten gleich nebenan die dem Botaniker vertraute Pflanzenwelt in lebendiger Weise vor.
Im Staudenquartier wächst der Wasserdost. Unten an der Staude befindet sich eine weiß gestrichene Tafel. Der Doppelname "Eupatorium purpureum" ist zu lesen. Angefügt ist ein großes L. Der Orangeur Erik Århammar.
Århammar: "Das ist ja, dass die Linné auch wissenschaftlich beschrieben hat. Sie stammt aus Nordamerika, aber er hat sie dann hier in den Garten eingeführt. Und durch sein Zutun ist sie dann weiter verbreitet worden. Unten haben wir ein Etikett oder eine Tafel, Schiefertafel. Das ist bei jeder Pflanze hier in den Quartieren. Da ist ein Namensschild, was handbeschriftet ist. Das sind Etiketten, die auch original lineanisch sind. So war die Namensgebung zu Zeiten Linnés. Das sind also die Namen, die Linné für die Pflanzen verwendet hat. Nicht die heute gültigen. Die stehen vielleicht noch in Klammern mit dabei. Das ist der Name, der auch noch heute, wie wir bei Browallia vorhin im Linné-Museum gesehen haben, heute noch wissenschaftlich gültig ist."
Im Jahr 1758 erwarb Linné das zehn Kilometer vor Uppsala gelegene Landgut Hammarby. Im Zentrum des Landsitzes steht ein Holzhaus mit dem für Schweden typischen roten Anstrich.
Vor dem Wohnhaus befinden sich Blumenbeete, in denen sowohl Staudensonnenblumen als auch Fingerhüte angepflanzt sind. Linnés Hammarby war nicht allein ein Ort der Erholung, sondern auch eine Stätte der botanischen Lehre.
Århammar: "Das ist ein Exkursions- und Lehrpfad, auf dem Linné schon seine Studenten geführt hat. Auf so genannten Herbationen. Also botanische Exkursionswanderungen, die er teilweise vom Linné-Garten aus mit den Studenten hierher gemacht hat. Aber auch hier im Park herum. Das war ganz unabhängig von der Witterung. Die haben also in Regengüssen die Wanderungen vorgenommen. Da gab es keine Hinderungen dafür. Und wenn die eine so genannte Große Herbation gemacht haben von Uppsala hierher, dann haben sie hier auf dem Heuschober übernachtet und sind dann am Tag darauf wieder nach Uppsala zurückgekehrt. Das war recht weit und es gab viel zu sehen auf dem Weg hierher."
In der Mitte des 18. Jahrhunderts war Uppsala ein Magnet für junge Botaniker aus allen Teilen Europas. Die Exkursionen nach Hammarby besaßen Kultstatus. Über den Zulauf an Studenten berichtet Linné in seiner Autobiografie.
"Denn wenn er jährlich des Sommers botanisierte, hatte er ein paar hundert auditores, welche Pflanzen und Insekten sammelten, Observationen anstellten, Vögel schossen, Protokoll führten. Und nachdem sie von morgens sieben bis abends neun Uhr mittwochs und sonnabends botanisiert hatten, kamen sie in die Stadt zurück mit Blumen auf den Hüten, begleiteten auch ihren Anführer mit Pauken und Waldhörnern durch die ganze Stadt bis zu dem Garten."
Das Sommerhaus in Hammarby ist heute ein Museum. Unter den Kostbarkeiten, die hier aufbewahrt werden, ragt ein chinesisches Teeservice heraus. Zu Ehren des Naturforschers wurde es mit der Linnea borealis dekoriert.
Beim Blick ins Schlafzimmer ist die Überraschung groß. Die Kupferstiche des Pflanzenmalers Georg Dionysos Ehret schmücken die Wände. Linné entnahm die Bilder einem Buch, das ihm zur Begutachtung vorgelegen hatte.
Århammar: "Das Sensationelle hier – kann man wohl sagen – das ist die originelle Tapete. Auch aus smaländischer Sparsamkeit. Weil: Man sagt den Leuten aus Smaland nach, dass sie sparsam sind. Dass sie wirklich die Sachen verwenden, dass sie nicht unnötig Geld ausgeben oder verschlendern. Das hat er hier auch gemacht. Er hat mit botanischen Illustrationen die Wände tapeziert."
Als Carl von Linné das Durcheinander der Namen in der Welt der Pflanzen beseitigte, half ihm das Prinzip der Sparsamkeit, um der Schöpfung in ihrer Vielfalt einen Namen zu geben.
Ob der Strich- oder Balkencode die Namensgebung des schwedischen Naturforschers in den kommenden Jahrzehnten verdrängen wird, das ist noch nicht entschieden. Matthias Hoffmann vom Botanischen Garten in Halle an der Saale zu diesem Streitfall.
Hoffmann: "Die binäre Nomenklatur ist ein sehr hilfreiches Mittel, mit dem man sich in der Botanik verständigen kann, mit dem Gattungs- und Artnamen weiß eigentlich jeder Botaniker, was gemeint ist damit. Es gibt natürlich auch Bestrebungen, vor allen Dingen jetzt durch die genetischen Analysen das Pflanzensystem nach ihren Verwandtschaftsverhältnissen zu benennen und dann Zahlencodes einzuführen. Was sich nun durchsetzen wird, ist schwer zu sagen. Ich bin ja auch kein Hellseher. Aber ich vermute, diese binäre Nomenklatur ist relativ einfach, relativ gut zu lernen, so dass ich eigentlich denke, dass mit dieser binären Nomenklatur sicherlich noch über viele Jahrzehnte auch gearbeitet wird."
Literatur:
Carl von Linné: Lappländische Reise und andere Schriften. Leipzig 1980
Carl von Linné: Nemesis Divina. Hrsg. von Wolf Lepenies und Lars Gustafsson. München/Wien 1981
Staffan Müller-Wille: Botanik und weltweiter Handel. Zur Begründung eines Natürlichen Systems der Pflanzen durch Carl von Linné (1707-78), Berlin 1999
Peter H. Raven, Ray F. Evert, Susan E. Eichhorn: Biologie der Pflanzen. Berlin/New York 2006
Buchhalter Gottes. Carl von Linné 1707 – 1778. In: Bernd Schuh: 50 Klassiker. Naturwissenschaftler. Von Aristoteles bis Crick & Watson. Hildesheim 2006
Erik Århammar - ein Schwede, der in Marburg aufgewachsen ist - leitet die Orangerie der Universität Uppsala. Der Bau mit dem prächtigen Säulenportal trägt den Namen des Naturforschers Carl von Linné. Er befindet sich in unmittelbarer Nähe des historischen Zentrums der Universitätsstadt. Neben dem Dom und dem Schloss gehört es zu den Sehenswürdigkeiten von Uppsala.
Die Orangerie wurde im Mai 1807 aus Anlass des 100. Geburtstages von Carl von Linné eingeweiht. In der warmen Jahreszeit bevölkern alle Blumen, Gewächse und Bäume das weitläufige Freigelände des Botanischen Gartens. Während des langen Winters finden die Kübelpflanzen im Linneanum Schutz vor Frost und Schnee. In der Orangerie steht Erik Århammar vor einem Poster, das Carl von Linné mit weißer Perücke und rotem Rock präsentiert.
Århammar: "Er steht in einem Teil des Universitätsparks und hinter den großen Baumkronen - im Hintergrund - bricht die Sonne hervor und gibt ihm fast so etwas wie einen Erleuchtungs- oder Heiligenschein, kann man schon fast sagen, und hebt den Linné also heraus und hervor. Mehr als er eigentlich im Vordergrund schon ist. Und ganz im Hintergrund kann man die Universitätsaula sehen."
Am 5. September 1728 traf Linné in Uppsala ein, um sein Studium der Medizin fortzusetzen. Zwei Semester in Lund lagen hinter ihm. Schon in dieser Zeit gelangte Linné zu der Schlüsselidee seines gesamten botanischen Werkes. Er fand heraus, dass sich die Blüten mit den Staubblättern und dem Stempel – und somit die Fortpflanzungsorgane - als Grundlage für die Klassifikation der Pflanzen eignen.
Die erste kurze Abhandlung des schwedischen Botanikers trug den poetischen Titel "Hochzeiten der Pflanzen". In seiner Autobiografie berichtet Linné über die Wirkung der Schrift.
"Linnaeus schrieb einige Bogen über den eigentlichen Zusammenhang des Geschlechtes der Pflanzen im botanischen Sinne und gab das Manuskript dem Doktor Celsius, von dem es weiter in die Hände des Professors Olof Rudbeck kam und ihm so gefiel, dass er wünschte, den jungen Mann, der es entworfen, kennen zu lernen."
Olof Rudbeck entdeckte den aufgehenden Stern der Botanik. Im Jahr 1730 erteilte er Linné einen Lehrauftrag. So kam es, dass in Uppsala ein Student des dritten Studienjahres im Botanischen Garten der Universität angehende Mediziner in die Welt der Pflanzen einführte. In Uppsala entwickelte sich Linné zu einem Naturforscher mit Weltruf.
1735 verließ er die Stadt, um sich auf eine Bildungsreise nach Deutschland, Holland und Frankreich zu begeben. Im Linneanum werden Bäume aufbewahrt, die aus dem Goldenen Zeitalter der Botanik stammen. Neben der Usambaraveilchensammlung gehören sie zu den Schätzen des Botanischen Gartens. Erik Århammar führt durch das Freigelände.
Århammar: "Wir stehen jetzt inmitten von einem Teil der Kübelpflanzen, die in der Orangerie hier gepflegt werden. In unmittelbarer Nähe haben wir vier der alten Lorbeerbäume, die Carl von Linné einst vom botanischen Garten der Universität Leiden in Holland als kleine Stecklinge bekommen hat. Und die Bäume hier, neben denen wir stehen, die sind ungefähr sechs Meter hoch und voll von grünen Blättern und stehen also in großen, metergroßen Eichenholzkübeln. Die Stämme sind knorrig und wirklich vom Alter geprägt."
1741 wurde Carl von Linné zum Professor der Medizin und Botanik berufen. Er gründete einen der besten Botanischen Gärten Europas und verwandelte damit Uppsala in ein Zentrum der neuzeitlichen Naturgeschichte.
Obwohl die Kräuterwissenschaften und die Pflanzenkunde zu den ältesten Wissensdisziplinen der Menschheit gehören, sah sich Linné als Reformator der Botanik. In seinen autobiografischen Notizen schreibt er voller Selbstbewusstsein.
"Die Botanik baute er von Grund auf an der Stelle der früheren, verfallenen, so dass, von seiner Zeit an zu rechnen, diese Wissenschaft ein ganz anderes Ansehen und eine ganz neue Epoche erhalten hat."
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts steckte die Botanik in einer Krise. In der Pflanzenkunde herrschte ein Namenschaos. Linné machte sich im Laufe seines Lebens daran, den Stall der Botanik auszukehren. Ihm gelang es, die unübersichtliche Fülle von fast 18.000 Pflanzennamen auf etwa 3000 Namen zu reduzieren. Linné führte eine zweiteilige lateinische Namensgebung ein, die sich weltweit durchsetzte.
Zu seiner berühmten binären Nomenklatur gelangte Linné aber erst allmählich. Im Jahr 1753 veröffentlichte er das Werk "Species Plantarum", in dem er jede Art durch einen lateinischen Satz von höchstens zwölf Wörtern beschrieb. Den Buchrand seines Handexemplars versah Linné mit Notizen. Über diese Sternstunde der Botanik berichten die Autoren des Lehrbuchs zur "Biologie der Pflanzen".
"Bei der ‚Echten Katzenminze‘ zum Beispiel mit dem vollständigen mehrgliedrigen lateinischen Namen Nepata floribus interrupte spicatus pedunculatis (Nepeta mit gestielten Blüten in unterbrochener Ähre) führte Linnaeus das Wort ‚cataria‘ (auf Katzen wirkend) am Buchrand an, womit er eine bekannte Eigenschaft der Pflanze hervorhebt. Er und seine Zeitgenossen nannten diese Art bald Nepata cataria, und mit diesem lateinischen Namen wird die Art bis zum heutigen Tag benannt."
Bis in die Gegenwart ist Linné für Pflanzenkundige ein wichtiger Bezugspunkt. Auch an der Fachhochschule Anhalt (FH) am Stadtrand von Bernburg ist der alte Schwede kein Unbekannter. Wolfram Kircher – er stammt aus einer Würzburger Gärtnerdynastie – lehrt das Gebiet der Pflanzenverwendung.
Mit seinen Kollegen entwickelt er Staudensortimente, die pflegeleicht und farbenfroh sind und die auch auf nährstoffarmen Böden gut gedeihen. Im Staudengarten erläutert Wolfram Kircher den großen Vorteil des von Linné eingeführten Verfahrens zur Benennung von Pflanzen.
Kircher: "Er hat aber ... die Art und Weise, wie benannt wird, überhaupt erst erschaffen. Das ist seine Erfindung ... Da steht hier zum Beispiel Melica ciliata. Das ist ein Gras. Im Moment auch noch recht unspektakulär. Macht aber wunderschöne Blütenstände später. Silbrig leuchtend. Da sehen Sie also Melica. Das ist die Gattung. Da gibt es auch andere Arten. Melica transsilvanica, Melica nutans oder wie die Dinger alle heißen. Und ciliata ist der Artname. Das macht also klar, welche Art es ist. Nun gibt es auch ganz andere Pflanzen, die auch im Artnamen ciliata heißen. Aber in ganz andere Gattungen gehören. Also es reicht nicht, nur einen Namen zu haben. Sondern mit diesem zweiteiligen System – Gattungsname – Artname. Wenn wir das vielleicht auf uns Menschen übertragen. Mein Name ist Wolfram Kircher. Wenn Sie so wollen. Das ist hier allerdings in anderer Reihenfolge. Kircher wäre sozusagen der Gattungsname. Wolfram der Artname. Mal etwas angepasst formuliert."
Linné setzte das Werk von John Ray fort, dem die Priorität für den Einsatz von Blütenmerkmalen zur Klassifikation von Pflanzen gebührt. Der englische Vater der Botanik schuf die Grundlage für die Systematik der Pflanzen, die Linné im Laufe seines Lebens weiter ausarbeitete. Was Linné neu in die Wissenschaft einführte, das ist ein Ordnungssystem für seine botanischen Beobachtungen.
Basierend auf 26 Merkmalen sortierte er die von ihm beschriebenen Pflanzen in eine Reihe ineinander geschachtelter Kästen, d. h. in Klassen, Ordnungen, Gattungen und schließlich Arten. Bei der Einrichtung des Staudengartens am Stadtrand von Bernburg war Carl von Linné ein Vorbild. Wolfram Kircher.
Kircher: "Denn der ist pflanzensystematisch angeordnet. Ähnlich wie in vielen botanischen Gärten auch, wo man dann Pflanzen nach Ähnlichkeiten zusammenstellt. Gemäß der Ähnlichkeiten werden Pflanzen dann auch in ein solches System – hierarchisch angeordnet – gestellt. Wir unterscheiden verschiedene Ordnungen. Innerhalb der Ordnungen sind ähnlich aussehende Pflanzen zusammengestellt mit ähnlichen Merkmalen, ähnlichen Merkmalsausprägungen. Wenn die ganzen Merkmale noch näher zusammenrücken zwischen verschiedenen Arten, dann kommen wir in die Pflanzenfamilie. Innerhalb der Pflanzenfamilie gibt es wiederum Gattungen und die Gattungen wiederum das sind dann die Oberhierarchien für Arten. Wenn Sie wollen können Sie die Arten noch aufschlüsseln in Unterarten, Varietäten, Formen oder wenn der Mensch züchterisch herangeht, so genannte Sorten. Das ist immer was vom Menschen zumindest ausgelesenes, etwas sogar bewusst züchterisch Herbeigeführtes, was die Natur so nicht dauerhaft bringt."
Nicht nur dem Schlafmohn "Papaver somniferum" - und der Hausmaus "Mus musculus" gab Linné einen kurzen Doppelnamen, sondern auch dem Menschen "Homo sapiens": Der "wissende Mensch". Linné gelang es, eine enorme Organismenfülle nach einheitlichen Regeln zu ordnen.
Das war mehr als nur eine neue Buchhaltung. Staffan Müller-Wille lehrt als Professor an der Universität Exeter. In seinem Buch "Botanik und weltweiter Handel" untersuchte er die Begründung eines Natürlichen Systems der Pflanzen durch Carl von Linné. Der Wissenschaftshistoriker spricht davon, dass sich durch Linné eine "stille" Revolution ereignete.
Müller-Wille: "Die stille Revolution besteht darin, dass man in ganz bestimmter Weise beispielsweise Artbeschreibungen verfasst, dass man in ganz bestimmter Weise Arten benennt, eben diese zweiteiligen Binominalnamen, dass man Bücher in bestimmter Weise organisiert, so dass sich Informationen darin wieder auffinden lassen, dass man sich in bestimmter Weise auf Forschungsreisen verhält, seine Notizen in bestimmter Weise führt. Dann gibt es so eine Art Ehrenkodex unter Botanikern, nach dem sie ihren Austausch von Pflanzennamen organisieren, so dass auch jeder die Chance hat, Exemplare von allen Arten zu kriegen in den verschiedenen botanischen Gärten. Es geht um die Praxis, die hier revolutioniert wird, weniger in erster Linie die Wissensinhalte."
Die wissenschaftliche Revolution in der Erforschung der irdischen Vegetation, die der Engländer Charles Darwin mit seiner Theorie der Evolution vollendete, begann in Uppsala. Vor dem Linneanum der skandinavischen Universitätsstadt befindet sich eine Bronzebüste, die Erik Århammar täglich bewundert.
Århammar: "Die Büste ist insofern sehr interessant, weil sie sehr pfiffig gestaltet ist. Teils sieht man wie einen Baumstamm und das geht dann in ein Blattwerk über, was dann die Schultern von Carl von Linné darstellt. Und dann sieht man, dass das Blattwerk Lindenblätter sind. Und Linde, das war ja sein Lieblingsbaum. Und dann sieht man, wenn man ein bisschen weiter um Linné herumgeht und ihn von hinten anschaut, dann sieht man in der Perücke die Karte oder den Übersichtsplan über den Akademie- oder Linné-Garten. Er ist in die Perücke eingerüstet oder eingebaut. Unten auf dem Sockel von der Büste das sieht man noch auch die Linnea wieder. Das ist auch ein Element, was immer wieder hervorkommt und unlöslich mit Linné verknüpft ist, seine Blume, die Linnea borealis."
Das seltene Moosglöckchen mit den zartrosafarbenen Blüten – die Linnea borealis – ist die Symbolblume von Småland. In der südschwedischen Provinz erblickte Carl von Linné am 23. Mai 1707 das Licht der Welt. Der Name "Linnaeus" geht auf den Vater zurück, der sich zu Beginn seines Theologiestudiums umbenannte. Der frei erfundene Name verweist auf die Linden, die zum Hof der Vorfahren gehörten.
Seit der Jugend glaubte der Pfarrerssohn an den göttlichen Auftrag, dass es ihm aufgeben sei, die Natur zu erforschen und im Sinne ihres Schöpfers zu ordnen. Obwohl Linné ein jugendliches Genie war, hatte er in reifen Jahren auch mit Krisen zu kämpfen. Halt fand er in seinem Glauben. In seiner Autobiografie äußert sich Linné über die religiöse Motivation seines Forschens.
"Er las auf der Erde Steine, Gewächse, Tiere wie in einem Buche. Er war einer der stärksten Oberservatoren, die wir gehabt. Er hatte alle Zeit Ehrfurcht und Bewunderung vor seinem Schöpfer und suchte seine Wissenschaft auf ihren Urheber hinzuleiten. Gott selbst hat ihn geleitet mit seiner eigenen allmächtigen Hand. Er hat ihn lassen aufsprießen aus geringfügiger Wurzel, ihn verpflanzt an einen fernen Ort herrlich, ihn emporschießen lassen zu einem ansehnlichen Baume."
Der Botanische Garten der Martin-Luther-Universtität in Halle war im "Goldenen Zeitalter" der Botanik ein Arzneigarten. Hier studierte Johann Christian Daniel von Schreber, der seine Ausbildung an der Universität Uppsala beendete.
Schreber übersetzte die Werke seines Lehrers Linné ins Deutsche. Matthias Hoffmann – wissenschaftlicher Leiter des Botanischen Gartens in Halle – führt durch das historische Gelände, in dem sich von Schreber als Student zu Hause fühlte.
Hoffmann: "Jetzt sind wir im System, in der Systemanlage des Botanischen Gartens. Also dort, wo die Pflanzen nach ihren Verwandtschaftsverhältnissen angeordnet sind. Das ist auch mehr oder weniger der Bereich, wo sich der Medizinalpflanzengarten befand. Das ist auch sehr schön, dass man in dieser kleinen Anlage die Heilpflanzen unserer Breiten zusammengetragen hat. Also wenn wir da jetzt hier hinschauen: Zum Beispiel Pfefferminze ist von Linné beschrieben worden. Bohnenkraut auch von Linné. Die nächste Pflanze wäre der gemeine Dost. Ebenfalls von Linné beschrieben. Etwas weiter hier nach rechts. Dann zum Beispiel der echte Salbei. Ebenfalls eine Pflanze, die von Linné beschrieben worden ist. Also hier begegnet uns Linné auf Schritt und Tritt."
Auch im Staudengarten der Hochschule Anhalt ist das so. Wolfram Kircher hat ein dickes Bestimmungsbuch mitgebracht. Das botanische Werk basiert auf der von Linné geschaffenen Fachsprache.
Wenn Praktiker über Pflanzen reden, dann verständigen sie sich in dieser Sprache, die erst im 18. Jahrhundert durch Linné erfunden wurde. Der Schwede ging ökonomisch zu Werke: Zwei lateinische Worte mussten reichen, um eine Pflanzenart zu benennen. Vor einem Tulpenbeet erzählt Wolfram Kircher über Linné.
Kircher: "Er hat die Gattung Tulipa benannt. Hat zumindest auch eine Tulipa gesneriana als solche Art benannt. Wenn wir da gucken, ich habe hier das botanisch nomenklatorische Werk dabei, das von einem Herrn Zander – übrigens ein Magdeburger und er wirkte gleich um die Ecke hier – begründet wurde. Herr Zander lebt inzwischen nicht mehr. Es wird von andern Leuten weitergeführt. Dieses Buch erscheint in unregelmäßigen Abständen immer wieder neu. Bringt den aktuellen Stand der Nomenklatur. Wenn wir da unter Tulipa nachschlagen, dann finden wir Tulipa L., als Gattungsbezeichnung, das heißt unser Herr Linné hat diese Gattung Tulipa so genannt. Und wenn wir weitergucken, dann finden wir ganz viele Arten natürlich an Tulpen. Die haben alle unmögliche Autorennamen. Dann kann man hinten im Register nachschlagen, was das dann für Leute waren, die die jeweiligen Arten benannt haben. Dann finden wir irgendwann diese Tulipa gesneriana – das Ganze ist ja alphabetisch geordnet – und da steht dann wiederum das L Punkt dahinter. Also diese Art wurde von Linné so genannt."
Der Garten, in dem Linné als Student dozierte und den er als Professor zu einem Zentrum der Naturgeschichte in Europa machte, befindet sich inmitten der Stadt. Heute sind der historische Linné-Garten und das Linné-Museum in Uppsala für Menschen aus aller Welt ein Wallfahrtsort. Hier kann man über die Evolution der Pflanzen nachdenken und sich an der Schönheit der Schöpfung erfreuen.
In der Person von Linné bilden die religiöse Empfindung und die wissenschaftliche Erkenntnis keinen Gegensatz. In dem Manuskript "Nemesis divina" – das Linné allein für seinen Sohn Carl verfasste – formuliert der Naturforscher sein Glaubensbekenntnis.
"Dürft‘ ich einmal sehen – dein heimliches Walten – und dann verstehen. – So hebe Du auch mich – vom Staube zu Dir auf, - nur einen Augenblick – zu sehen, wie Du lenkest – aller Welten Lauf, - dir Ursache zu sehen – der Dinge sonder Zahl, - die wunderlich geschehen."
Linné träumte davon, Gott bei der Schöpfung über die Schultern zu schauen und er hatte Erfolg dabei. Die europäische Flora wurde fast ausschließlich von ihm beschrieben.
In seinem Wohnhaus in Uppsala befindet sich heute das Linné-Museum. Im ersten Stock des Hauses hängt ein berühmtes Porträt. Es zeigt nicht den Ehemann und fünffachen Familienvater, sondern der junge Linné ist in der Kleidung eines Forschungsreisenden zu sehen. Erik Århammar beschreibt das Gemälde, auf dem Linné in einer Volkstracht zu sehen ist.
Århammar: "Er hat ja eine Reise nach Lappland unternommen. Einer sehr strapaziöse solche. Das zeigt ihn also hier mit allen Utensilien. Unter anderem sieht man hier eine so genannte ‚nyt trumma‘, eine magische Trommel, die von den Lappen verwendet wird, um die Vorväter zu beschwören oder gute Geister oder böse Geister fernzuhalten und gute Geister hervorzuholen. Und links neben ihm auf dem Tisch liegt seine Flora Lapponica, also das Buch, was er dann als Ergebnis seiner Reise publiziert hat. Und in seiner rechten Hand wieder die Linnea borealis, die Linnea, seine Blume, die ist ja überall wie ein roter Faden mit dabei."
Im Auftrag der Königlichen Societät der Wissenschaften war Linné im Mai 1732 zu einer halbjährigen Forschungsreise aufgebrochen. In seinem Reisebericht schildert Linné den Auszug aus Uppsala.
"Somit reiste ich am 12. Mai 1732 aus der Stadt Uppsala ab, es war ein Freitag, 11 Uhr vormittags, bis zu meinem 25. Jahre fehlte mir nur noch ein halber Tag. Nun begann das ganze Land zu lächeln und Freude zu fühlen, nun kömmt die schöne Flora und schläft mit dem Phoebus ... Die Lerche sang den ganzen Weg für uns, sie zitterte in der Luft. - Ecce suum tirile, tirile, suum tirile tractat."
Bei der Neuordnung der Botanik spielte die Reise durch Lappland eine wichtige Rolle. Linné erkannte die morphologische Vielfalt ein und derselben Art. Wie die Raupe und der Schmetterling als Exemplare einer Art anzusehen sind, so auch die verschiedenen Wuchsformen von Birken oder von Kiefern. Die Entdeckung der Variabilität einzelner Arten war ein wichtiger Schritt auf dem Wege zur Theorie der Evolution von Charles Darwin. Der Engländer stand auf den Schultern von Linné.
So wurde auch Darwins neue Theorie erstmals am 1. Juli 1858 auf einer Sitzung der "Linnean Society" in London verlesen.
Linnés Fußmarsch durch Lappland trug reiche Früchte. Der Botaniker verfasste ein spezielles Werk über Lapplands Flora. - Wolfram Kircher von der Hochschule Anhalt hegt an der Lapplandreise ein besonderes gärtnerisches Interesse. Im Staudengarten testet er Anpflanzungen für nährstoffarme Böden in Bädern und für Gartenteiche. Der Pflanzengestalter zeigt auf eines der Testbeete mit einem flächigen Bewuchs.
Kircher: "Eine Charakterart der Hochmoore, der richtig sauren, durch Regenwasser gespeisten Moore, ist das Scheidige Wollgras, das nennt sich botanisch, wenn wir von Linné reden, müssen wir einfach die Fachwörter auch nennen, Erioforum. Das kann man auch übersetzen. Erios – das Haar. Und Forum, das kommt von ferre, also tragen. Sprich: Der Haarträger. Wenn Sie sich die Blütenstände oder Fruchtstände anschauen, dann sehen Sie dann lauter Haare rausschauen, die an den Früchtchen dran sitzen. Die natürlich da namensgebend waren. Vaginatum, da steckt eben das Scheidige, also das ist da die Blattscheide, die da gemeinst ist, die da besonders ausgeprägt ist, drin. Das ist der botanische Name Erioforum vaginatum. Übersetzt: Der scheidige Haarträger. Dieses horstförmig wachsende Gras kommt in solchen aufwachsenden Hochmooren zwischen den Hochmoormoosen, den so genannten Sphagnen oder auch Edelweismoosen genannten Moosen vor und wächst mit seinen Horsten immer mehr in die Höhe, weil ja auch diese Torfmoosdecken immer mehr in die Höhe wachsen. Also dieses Gras steht hier drin. Dieses Gras wurde von Linné benannt. Insofern schon eine Spur von Linné."
Im Jahr 1735 verließ Linné erneut das ihm vertraute Uppsala. Vor seiner Reise nach Holland verlobte sich der 28-Jährige mit der begüterten Sarah Elisabeth Moraea aus Falun. Nach einer Zwischenstation in Hamburg reiste Linné in die holländische Universitätsstadt Harderwijk. Hier erwarb er am 12. Juni mit seiner mitgebrachten Arbeit das Doktordiplom der Medizin.
Linné fand auch einen holländischen Gönner, der es ihm ermöglichte, sein Werk "Systema naturae" herauszugeben. Die Auflage von 1735 vervollständigte der Autor in den folgenden Jahrzehnten, so dass die 13. Auflage von 1770 schließlich aus mehr als 3000 Seiten bestand. In der Bibliothek des Linné-Museums in Uppsala ist ebenfalls der große Pflanzenkatalog zu sehen, den Linné in Holland erarbeitete.
Århammar: "Auf dem Mittelregal hier liegt ein Buch aus, das Hortus cliffortianus heißt und 1737 von Linné geschrieben wurde unter den Jahren, in denen er in Holland war. Dann sieht man hier, wo das Buch aufgeschlagen ist, sieht man auf der linken Seite eine Pflanze. Da steht Browallia. Das ist dann natürlich jetzt die binäre Nomenklatur, die er jetzt verwendet. Die Namensgebung, die man heute noch verwendet, um Pflanzen und Tiere zu benennen."
Die Browallie – das als Zimmerpflanze beliebte Blauglöckchen - stammt aus dem tropischen Südamerika. Dem jungen Kurator lagen in Holland die Pflanzen der Welt zu Füßen. Linné befand sich in einem der besten Botanischen Gärten Europas.
Als er die Browallie beschrieb, stand ihm der im 18. Jahrhundert berühmte Pflanzenmaler Georg Dionysos Ehret zu Seite. Doch Linné sah sich trotz der hervorragenden Zeichnungen in seinem Katalog nicht nur als Pflanzenliebhaber, sondern er zählte sich zu den "wahrhaften" Botanikern. Staffan Müller-Wille von der Universität Exeter.
Müller-Wille: "Der echte Botaniker braucht einen Botanischen Garten, muss dem vorstehen. Ansonsten kann er nicht das tun, was von einem echten Botaniker erwartet wird, nämlich Arten im Vergleich miteinander zu bestimmen. Linné war da sehr selbstbewusst. Er hat sich selbst für den Fürst aller Botaniker gehalten. Es gibt sogar den Spruch, dass er der zweite Adam war. Adam hat im Garten Eden die Pflanzen und Tiere benannt und Linné war der zweite Adam. Das stammt allerdings nicht von ihm selber. Man findet leicht ähnlich selbstbewusste Aussagen von ihm. Er war sich sehr genau bewusst, welche Stellung er besaß und wie er die auch sichern konnte innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft der Botaniker. Das war wenn man so will sein Berufsgeheimnis, wie man es macht."
In Uppsala kann das Werk des "Fürsten der Botanik" doppelt in Augenschein genommen werden. Während die Bücher des Forschers in der Bibliothek seines Stadthauses präsentiert werden, stellt der historische Linné-Garten gleich nebenan die dem Botaniker vertraute Pflanzenwelt in lebendiger Weise vor.
Im Staudenquartier wächst der Wasserdost. Unten an der Staude befindet sich eine weiß gestrichene Tafel. Der Doppelname "Eupatorium purpureum" ist zu lesen. Angefügt ist ein großes L. Der Orangeur Erik Århammar.
Århammar: "Das ist ja, dass die Linné auch wissenschaftlich beschrieben hat. Sie stammt aus Nordamerika, aber er hat sie dann hier in den Garten eingeführt. Und durch sein Zutun ist sie dann weiter verbreitet worden. Unten haben wir ein Etikett oder eine Tafel, Schiefertafel. Das ist bei jeder Pflanze hier in den Quartieren. Da ist ein Namensschild, was handbeschriftet ist. Das sind Etiketten, die auch original lineanisch sind. So war die Namensgebung zu Zeiten Linnés. Das sind also die Namen, die Linné für die Pflanzen verwendet hat. Nicht die heute gültigen. Die stehen vielleicht noch in Klammern mit dabei. Das ist der Name, der auch noch heute, wie wir bei Browallia vorhin im Linné-Museum gesehen haben, heute noch wissenschaftlich gültig ist."
Im Jahr 1758 erwarb Linné das zehn Kilometer vor Uppsala gelegene Landgut Hammarby. Im Zentrum des Landsitzes steht ein Holzhaus mit dem für Schweden typischen roten Anstrich.
Vor dem Wohnhaus befinden sich Blumenbeete, in denen sowohl Staudensonnenblumen als auch Fingerhüte angepflanzt sind. Linnés Hammarby war nicht allein ein Ort der Erholung, sondern auch eine Stätte der botanischen Lehre.
Århammar: "Das ist ein Exkursions- und Lehrpfad, auf dem Linné schon seine Studenten geführt hat. Auf so genannten Herbationen. Also botanische Exkursionswanderungen, die er teilweise vom Linné-Garten aus mit den Studenten hierher gemacht hat. Aber auch hier im Park herum. Das war ganz unabhängig von der Witterung. Die haben also in Regengüssen die Wanderungen vorgenommen. Da gab es keine Hinderungen dafür. Und wenn die eine so genannte Große Herbation gemacht haben von Uppsala hierher, dann haben sie hier auf dem Heuschober übernachtet und sind dann am Tag darauf wieder nach Uppsala zurückgekehrt. Das war recht weit und es gab viel zu sehen auf dem Weg hierher."
In der Mitte des 18. Jahrhunderts war Uppsala ein Magnet für junge Botaniker aus allen Teilen Europas. Die Exkursionen nach Hammarby besaßen Kultstatus. Über den Zulauf an Studenten berichtet Linné in seiner Autobiografie.
"Denn wenn er jährlich des Sommers botanisierte, hatte er ein paar hundert auditores, welche Pflanzen und Insekten sammelten, Observationen anstellten, Vögel schossen, Protokoll führten. Und nachdem sie von morgens sieben bis abends neun Uhr mittwochs und sonnabends botanisiert hatten, kamen sie in die Stadt zurück mit Blumen auf den Hüten, begleiteten auch ihren Anführer mit Pauken und Waldhörnern durch die ganze Stadt bis zu dem Garten."
Das Sommerhaus in Hammarby ist heute ein Museum. Unter den Kostbarkeiten, die hier aufbewahrt werden, ragt ein chinesisches Teeservice heraus. Zu Ehren des Naturforschers wurde es mit der Linnea borealis dekoriert.
Beim Blick ins Schlafzimmer ist die Überraschung groß. Die Kupferstiche des Pflanzenmalers Georg Dionysos Ehret schmücken die Wände. Linné entnahm die Bilder einem Buch, das ihm zur Begutachtung vorgelegen hatte.
Århammar: "Das Sensationelle hier – kann man wohl sagen – das ist die originelle Tapete. Auch aus smaländischer Sparsamkeit. Weil: Man sagt den Leuten aus Smaland nach, dass sie sparsam sind. Dass sie wirklich die Sachen verwenden, dass sie nicht unnötig Geld ausgeben oder verschlendern. Das hat er hier auch gemacht. Er hat mit botanischen Illustrationen die Wände tapeziert."
Als Carl von Linné das Durcheinander der Namen in der Welt der Pflanzen beseitigte, half ihm das Prinzip der Sparsamkeit, um der Schöpfung in ihrer Vielfalt einen Namen zu geben.
Ob der Strich- oder Balkencode die Namensgebung des schwedischen Naturforschers in den kommenden Jahrzehnten verdrängen wird, das ist noch nicht entschieden. Matthias Hoffmann vom Botanischen Garten in Halle an der Saale zu diesem Streitfall.
Hoffmann: "Die binäre Nomenklatur ist ein sehr hilfreiches Mittel, mit dem man sich in der Botanik verständigen kann, mit dem Gattungs- und Artnamen weiß eigentlich jeder Botaniker, was gemeint ist damit. Es gibt natürlich auch Bestrebungen, vor allen Dingen jetzt durch die genetischen Analysen das Pflanzensystem nach ihren Verwandtschaftsverhältnissen zu benennen und dann Zahlencodes einzuführen. Was sich nun durchsetzen wird, ist schwer zu sagen. Ich bin ja auch kein Hellseher. Aber ich vermute, diese binäre Nomenklatur ist relativ einfach, relativ gut zu lernen, so dass ich eigentlich denke, dass mit dieser binären Nomenklatur sicherlich noch über viele Jahrzehnte auch gearbeitet wird."
Literatur:
Carl von Linné: Lappländische Reise und andere Schriften. Leipzig 1980
Carl von Linné: Nemesis Divina. Hrsg. von Wolf Lepenies und Lars Gustafsson. München/Wien 1981
Staffan Müller-Wille: Botanik und weltweiter Handel. Zur Begründung eines Natürlichen Systems der Pflanzen durch Carl von Linné (1707-78), Berlin 1999
Peter H. Raven, Ray F. Evert, Susan E. Eichhorn: Biologie der Pflanzen. Berlin/New York 2006
Buchhalter Gottes. Carl von Linné 1707 – 1778. In: Bernd Schuh: 50 Klassiker. Naturwissenschaftler. Von Aristoteles bis Crick & Watson. Hildesheim 2006