Vom Umgang des Menschen mit seiner Umgebung
Las Vegas und Venedig sind zwei Städte, die auf den ersten Blick wie pure Gegensätze wirken. Doch die amerikanische Glamouroase in der Wüste und die mit europäischer Geschichte aufgeladene Lagunenstadt kämpfen mit ganz ähnlichen ökologischen Problemen, wie Zersiedelung, Luftverschmutzung und Wasserknappheit. Die Berliner Akademie der Künste hat diese beiden Städte deshalb in ihrer neuesten Ausstellung einander gegenübergestellt. Unter dem Titel "Wiederkehr der Landschaft" lädt sie ein zum Nachdenken über unser Verhältnis zur Natur.
"Mir gefielen sehr früh die Landschaften des Ostens. Die Niederungen der großen Ströme. Die sich dann ins kurische Haff ergießen. Dahinter dann die Ostsee."
Erzählt Volker Koepp auf seiner Fahrt von Berlin nach Stettin. So wie in diesem in der Akademie der Künste gezeigten Filmausschnitt haben wir wohl alle unsere "Landschaftsbilder" im Kopf: schöne, manchmal vielleicht auch scheußliche. Und genau um diese Vorstellungen von Landschaft geht es zu Beginn Ausstellung.
Dokumentationen und Videos werden gezeigt. Außerdem hängen Leuchttafeln von der Decke, auf denen Dichter, Denker, Architekten, Politiker zitiert werden. Christian Morgenstern etwa lobt die Langsamkeit der Landschaft, Heinrich von Kleist ätzt über ihre endlose Ödnis und die Nazipropaganda vereinnahmt sie in ihrem volkstümelnden Gedankengut. Kuratorin Donata Valentin:
"Das ist natürlich ein schillernder Begriff. Deswegen haben wir natürlich auch den Einstieg in die Ausstellung so gewählt, dass wir ihn aus verschiedenen Blickwinkeln reflektiert haben. Zunächst mal ist es für mich die natürliche Lebensumwelt. Es ist aber auch ein kulturelles Produkt. Landschaft ist ja etwas, das über Jahrtausende entstanden ist. Da haben Generationen dran gearbeitet. Es gibt viel Wissen, was verborgen ist, wie man gelernt hat, Landschaft zu kultivieren. Deswegen auch die Wiederkehr. Wir denken, dass man den Blick drauf lenken soll, wo man Wissen entdeckt, was schon mal da war, was nützlich wäre ..."
Dafür hat man zwei Städte und ihre Umgebung beispielhaft herausgegriffen und sie ins Zentrum einer recht sinnlichen Inszenierung gerückt: Zwei große, mit Sand beziehungsweise Wasser gefüllte Bassins stehen symbolisch für Las Vegas und Venedig – die amerikanische Wüsten- und die italienische Lagunenstadt.
"Es war, weil die Städte natürlich einen Reiz haben. Jeder beschäftigt sich lieber mit Venedig und Las Vegas als vielleicht mit Castrop-Rauxel. Aber das Wesentliche ist, dass sie grundsätzlich verschiedene Strategien von Stadtentwicklung demonstrieren. Es war das Ziel der Republik Venedig, über Jahrhunderte hinweg zu existieren. Wenn man über Nachhaltigkeit spricht, dann ist eine Stadt, die seit über 500 Jahren mit der gleichen Substanz lebt, erstmal per se nachhaltig. Wohingegen die Bauformen in Las Vegas so konzipiert sind, dass man sagt, in fünfzig Jahren wird das weggerissen. Dann wird die Stadt neu erfunden. Die Stadt ist in ihrer Grundphilosophie auf Verschleiß angelegt."
Bevor man diese Entwicklung auf mit Fotos, Texten und Grafiken bedeckten Wandtafeln nachvollziehen kann, fällt der Blick zunächst auf daneben gehängte, großformatige Fotoleinwände. Sie zeigen grandiose Luftaufnahmen der beiden Städte und ihrer Umgebung. Wunderschön wirkt das auf den ersten Blick. Die weiten Wellentäler der Wüste auf der einen Seite, das die Häuserinseln umschließende Meer auf der Anderen; die Wege und Straßen, die sich durch Sand und Wasser bahnen wie Linien in einem abstrakten Gemälde.
"Ich glaube es ist wichtig, dass so ein Bild erstmal schön aussieht. Das soll die Menschen anziehen, sie sollen ja fasziniert sein von diesen Bildern, um dann genauer hinzusehen. Denn da steckt jede Menge mehr drin, als es dieser erste ästhetische Eindruck glauben macht."
Erläutert der Pilot und Fotograf Alex MacLean. Und tatsächlich entdeckt man bald die Schattenseiten der vordergründigen Schönheit. Die baukastenartigen Vorortsiedlungen, die sich als systematische Landnahme in die unberührte Natur hineinfräsen. Die auf Wiesen und Felder geklotzen Fabrikhallen, die sich krakenhaft ausbreitenden Straßen. Und schnell wird außerdem klar, dass die aus so verschiedenem Denken heraus entstandenen Städte sich, gemessen an ihren Umweltsünden, heute fatal gleichen. Die Landschaft, die der Mensch geschaffen hat, droht nun durch ihn zugrunde zu gehen. Doch die Ausstellung will mehr, als das anzuprangern, meint Donata Valentin:
"Wenn man über Stadtentwicklung spricht, dann ist das direkt gekoppelt mit Wachstum. Eine Stadt ist dann erfolgreich, wenn sie wächst, und wenn sie wächst, wächst sie in die Landschaft hinein. Das ist das Erste, was wir zurückdämmen müssen. Gerade in Deutschland, wo die Menschen nicht mehr, sondern weniger werden, gibt es keinen Grund, in die Landschaft zu bauen. Also die Städte müssen die Aufgabe sehen, die Stadt in sich zu kultivieren, umzubauen, wenn nötig und dann müssen sie erkennen, dass sie auch in die Landschaft investieren müssen. Im Augenblick ist es doch so, in das, was Landschaft zerstört. Landschaft ist das, was übrig bleibt, wenn alle anderen sich bedient haben."
Diese Thesen postuliert man in verschiedenen Wandtexten. Darüber hinaus werden internationale Umweltprojekte präsentiert. Doch so informativ das auch ist, so klug und sinnlich die Ausstellungen in weiten Teilen daherkommt, man vermisst doch manchmal den Mut zum Experiment. Den Raum für Visionäres. Warum zum Beispiel nicht den Fokus auf Berlin als Ausstellungsstandort richten und Ideen für das Tempelhofer Flugfeld entwickeln, einer seit der Schließung des Flughafens leeren Landschaft inmitten der Stadt?
Aber vielleicht fehlen solche Ansätze ja, weil es so schwer ist, Wege für die Wiederkehr der Landschaft zu finden. Schließlich ist der Konflikt zwischen ihrer Hege und Zerstörung ein wahrer "Evergreen". So bezieht sich die Choreografin Reinhild Hoffmann in einer verfilmten Performance auf Ovids Metarmorphosen und die Verwandlung des blutrünstigen Jägers Actaeon in einen von den eigenen Hunden zu Tode gehetzten Hirsch, nachdem er in den Wald der Göttin Diana eindrang.
Service:
Die Ausstellung "Wiederkehr der Landschaft" ist bis zum 30. Mai 2010 in der Berliner Akademie der Künste zu sehen.
Erzählt Volker Koepp auf seiner Fahrt von Berlin nach Stettin. So wie in diesem in der Akademie der Künste gezeigten Filmausschnitt haben wir wohl alle unsere "Landschaftsbilder" im Kopf: schöne, manchmal vielleicht auch scheußliche. Und genau um diese Vorstellungen von Landschaft geht es zu Beginn Ausstellung.
Dokumentationen und Videos werden gezeigt. Außerdem hängen Leuchttafeln von der Decke, auf denen Dichter, Denker, Architekten, Politiker zitiert werden. Christian Morgenstern etwa lobt die Langsamkeit der Landschaft, Heinrich von Kleist ätzt über ihre endlose Ödnis und die Nazipropaganda vereinnahmt sie in ihrem volkstümelnden Gedankengut. Kuratorin Donata Valentin:
"Das ist natürlich ein schillernder Begriff. Deswegen haben wir natürlich auch den Einstieg in die Ausstellung so gewählt, dass wir ihn aus verschiedenen Blickwinkeln reflektiert haben. Zunächst mal ist es für mich die natürliche Lebensumwelt. Es ist aber auch ein kulturelles Produkt. Landschaft ist ja etwas, das über Jahrtausende entstanden ist. Da haben Generationen dran gearbeitet. Es gibt viel Wissen, was verborgen ist, wie man gelernt hat, Landschaft zu kultivieren. Deswegen auch die Wiederkehr. Wir denken, dass man den Blick drauf lenken soll, wo man Wissen entdeckt, was schon mal da war, was nützlich wäre ..."
Dafür hat man zwei Städte und ihre Umgebung beispielhaft herausgegriffen und sie ins Zentrum einer recht sinnlichen Inszenierung gerückt: Zwei große, mit Sand beziehungsweise Wasser gefüllte Bassins stehen symbolisch für Las Vegas und Venedig – die amerikanische Wüsten- und die italienische Lagunenstadt.
"Es war, weil die Städte natürlich einen Reiz haben. Jeder beschäftigt sich lieber mit Venedig und Las Vegas als vielleicht mit Castrop-Rauxel. Aber das Wesentliche ist, dass sie grundsätzlich verschiedene Strategien von Stadtentwicklung demonstrieren. Es war das Ziel der Republik Venedig, über Jahrhunderte hinweg zu existieren. Wenn man über Nachhaltigkeit spricht, dann ist eine Stadt, die seit über 500 Jahren mit der gleichen Substanz lebt, erstmal per se nachhaltig. Wohingegen die Bauformen in Las Vegas so konzipiert sind, dass man sagt, in fünfzig Jahren wird das weggerissen. Dann wird die Stadt neu erfunden. Die Stadt ist in ihrer Grundphilosophie auf Verschleiß angelegt."
Bevor man diese Entwicklung auf mit Fotos, Texten und Grafiken bedeckten Wandtafeln nachvollziehen kann, fällt der Blick zunächst auf daneben gehängte, großformatige Fotoleinwände. Sie zeigen grandiose Luftaufnahmen der beiden Städte und ihrer Umgebung. Wunderschön wirkt das auf den ersten Blick. Die weiten Wellentäler der Wüste auf der einen Seite, das die Häuserinseln umschließende Meer auf der Anderen; die Wege und Straßen, die sich durch Sand und Wasser bahnen wie Linien in einem abstrakten Gemälde.
"Ich glaube es ist wichtig, dass so ein Bild erstmal schön aussieht. Das soll die Menschen anziehen, sie sollen ja fasziniert sein von diesen Bildern, um dann genauer hinzusehen. Denn da steckt jede Menge mehr drin, als es dieser erste ästhetische Eindruck glauben macht."
Erläutert der Pilot und Fotograf Alex MacLean. Und tatsächlich entdeckt man bald die Schattenseiten der vordergründigen Schönheit. Die baukastenartigen Vorortsiedlungen, die sich als systematische Landnahme in die unberührte Natur hineinfräsen. Die auf Wiesen und Felder geklotzen Fabrikhallen, die sich krakenhaft ausbreitenden Straßen. Und schnell wird außerdem klar, dass die aus so verschiedenem Denken heraus entstandenen Städte sich, gemessen an ihren Umweltsünden, heute fatal gleichen. Die Landschaft, die der Mensch geschaffen hat, droht nun durch ihn zugrunde zu gehen. Doch die Ausstellung will mehr, als das anzuprangern, meint Donata Valentin:
"Wenn man über Stadtentwicklung spricht, dann ist das direkt gekoppelt mit Wachstum. Eine Stadt ist dann erfolgreich, wenn sie wächst, und wenn sie wächst, wächst sie in die Landschaft hinein. Das ist das Erste, was wir zurückdämmen müssen. Gerade in Deutschland, wo die Menschen nicht mehr, sondern weniger werden, gibt es keinen Grund, in die Landschaft zu bauen. Also die Städte müssen die Aufgabe sehen, die Stadt in sich zu kultivieren, umzubauen, wenn nötig und dann müssen sie erkennen, dass sie auch in die Landschaft investieren müssen. Im Augenblick ist es doch so, in das, was Landschaft zerstört. Landschaft ist das, was übrig bleibt, wenn alle anderen sich bedient haben."
Diese Thesen postuliert man in verschiedenen Wandtexten. Darüber hinaus werden internationale Umweltprojekte präsentiert. Doch so informativ das auch ist, so klug und sinnlich die Ausstellungen in weiten Teilen daherkommt, man vermisst doch manchmal den Mut zum Experiment. Den Raum für Visionäres. Warum zum Beispiel nicht den Fokus auf Berlin als Ausstellungsstandort richten und Ideen für das Tempelhofer Flugfeld entwickeln, einer seit der Schließung des Flughafens leeren Landschaft inmitten der Stadt?
Aber vielleicht fehlen solche Ansätze ja, weil es so schwer ist, Wege für die Wiederkehr der Landschaft zu finden. Schließlich ist der Konflikt zwischen ihrer Hege und Zerstörung ein wahrer "Evergreen". So bezieht sich die Choreografin Reinhild Hoffmann in einer verfilmten Performance auf Ovids Metarmorphosen und die Verwandlung des blutrünstigen Jägers Actaeon in einen von den eigenen Hunden zu Tode gehetzten Hirsch, nachdem er in den Wald der Göttin Diana eindrang.
Service:
Die Ausstellung "Wiederkehr der Landschaft" ist bis zum 30. Mai 2010 in der Berliner Akademie der Künste zu sehen.