Vom Urknall und intelligenten Design
"Wir sind nämlich zum Vertrauen berechtigt, dass die Natur die Realisierung des mathematisch denkbar Ein-fachsten ist", meinte Einstein und offenbarte damit ein Urvertrauen in die ästhetische Konzeption des Univer-sums. Die Intelligent-Design-Theorie knüpft daran an und will sich dennoch nicht der Theologie verschreiben. Sie will Wissenschaft sein, was viele Physiker aufregt, und Raum für religiöse Erklärungen lassen. Sie zieht die Möglichkeiten eines Schöpfungsplanes in Betracht, ohne zu erforschen, wer oder was die Quelle ist.
"Knall und Fall…plötzlich…Bumm
Urknall
So mir nichts dir nichts
Aus dem Nichts begann
Die Zeit zu fließen…
Alles Illusion? – wenn doch
Der Geist vibriert / sich das Gemüt erhellt,
Der Urknall stimuliert …nun
Erklären wir die Welt!"
Auch die Astrophysik kennt ein Bild des Monats. Das Dezemberphoto des letzten Jahres zeigte eine Art glühender, glimmender Kartoffel in den Farben Rot, Blau, Gelb. Das ist übrig geblieben….am Himmel übrig geblieben…vom hellen, neuen Stern, den Johannes Kepler im Jahre 1604 beobachtete. Nein… es war das Ende eines alten. Mit einer gewaltigen, lichtintensiven Explosion verabschiedete er sich aus dem Kosmos. Und die Explosionswolke glimmt bis heute - und noch viele Jahre weiter – nach, sendet Infrarot – und Röntgenstrahlung aus…und immer weniger sichtbares Licht.
Im Kosmos wird gelebt und gestorben… Das Universum: Ein Gebilde voll von kluger Energie? Gab es einen Anfang, eine Geburtsstunde des Kosmos, folgt die Sternenwelt einem Evolutionsprinzip? Sind die uns bekannten Naturgesetze überall und über alle Zeiten hin unveränderbar?
Von April 1911 an weilte Albert Einstein als Professor an der Deutschen Universität in Prag. Eines Tages wurde er zu einem Vortrag Rudolf Steiners eingeladen und sei dann lachend herausgekommen – wie Zeitzeugen berichten.
Schwärmerisch – mystische Vorstellungen, die der Begründer der Anthroposophie entwickelte, diese auf Ganzheit der Natur gerichtete Lehre menschlicher Erkenntnis: Für Einstein war sie Impuls zur Belustigung.
Albert Einstein: Auch er ein früher Exponent der "Zwei - Kulturen – Hypothese", die vom englischen Chemiker Charles Percy Snow im Jahre 1959 formuliert wurde? In einer weiteren Anekdote wird erzählt, wie Albert Einstein anlässlich eines Vortrags über den Zen–Buddhismus in der Universität Princeton eingeschlafen sei.
Zwei Kulturen: Die musisch – literarische steht allen um Wissen und Bildung Bemühten offen, die mathematisch -naturwissenschaftliche ist dagegen nur wenigen zugänglich.
Einstein war Cervantes-Fan und Bewunderer der "Brüder Karamasow" von Dostojewski und auch Musiker.
"Zu leben, ohne Musik zu spielen, ist undenkbar für mich", bemerkte er.
Und Lise Meitner erinnerte sich an einen Musikabend im Haus von Max Planck in Berlin, an dem Planck, Einstein und ein professioneller Cellist Beethovens Piano Trio in B-Dur intonierten.
"Dies zu hören war höchst vergnüglich – abgesehen von ein paar unwichtigen Ausrutschern Einsteins"."
Natürlich wirkte Einstein nicht nur im abstrakten, theoretischen Raum der Physik. Aber die Frage, in welchem Umfang sich das Genie des vergangenen Jahrhunderts überhaupt durch erkenntnistheoretische Entwürfe anderer Disziplinen beeinflussen lassen hat, ist von nachgeordneter Bedeutung, wenn man sich die geistige Motivkonstruktion seiner wissenschaftlichen Überlegungen vor Augen führt. Diese sind auch antiautoritär – im nichtpolitischen Wortsinn. Der zentrale Punkt ist:
"Albert Einstein war zeitlebens der Auffassung….ja, mehr…er fühlte auch…dass jede Theorie - neben den Elementen der objektivierbaren Erfahrung - auch Urteile und Begriffe enthalten muss, die eben nicht – oder noch nicht - mit dieser Erfahrung übereinstimmen, und die dann auch Kriterien eines ästhetischen Entwurfs enthalten musste."
Dieses Denken steht im Einklang mit der Auffassung des Physiknobelpreisträgers Samuel Ting in unserer Zeit:
Samuel Ting: "Theoretische Ideen resultieren aus Logik, aus Annahmen. Sei die Theorie auch noch so schön und elegant, wenn sie nicht durchs Experiment bestätigt wird, ist sie ohne Bedeutung. Und nur, wenn diese Theorie widerlegt werden kann, geht es vorwärts. Eine Theorie zu bestätigen, heißt lediglich, dass man irgendetwas lernt."
Ähnlich wie bei Wolfgang Pauli – einem weiteren theoretischen Schwergewicht des vergangenen Jahrhunderts – muss auch bei Einstein das Unterbewusste eine Rolle im Erkenntnisprozess gespielt haben. Pauli sagte, jedes Verstehen sei ein Prozess, der….
""….lange vor der rationalen Formulierbarkeit im Unterbewussten eingeleitet wird."
Einsteins Theorien scheinen aus zwei Komponenten zu bestehen: Der momentanen Erfahrungswelt, die jeder nachvollziehen und emotional fassen kann und einer anderen geistigen Welt, die noch nicht wirklich nachfühlbar ist, die auch beim Rezipienten einen Schuss Unterbewusstsein verlangt. Vielen fällt es bis heute schwer, die Allgemeine Relativitätstheorie nur abstrakt - nicht emotional - zu akzeptieren, zu begreifen. Obwohl sie gerade jetzt wieder erneut bestätigt wurde…
Die Erde dreht sich, eine große Masse dreht sich und zieht den Raum um sich herum periodisch zusammen. Zwei Satelliten, die mit Laser-Impulsen von der Erde "beschossen" werden, werfen das Licht zurück. Aus dessen Laufzeiten lassen sich minimale Abstandsänderungen der Satelliten nachweisen. Die Erde zieht an der Raumzeit.
Einsteins Zeitgenossen in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts in Berlin empörten sich zum Teil über seine theoretischen Hirngespinste. Alfred Döblin etwa sagte, Kopernikus, Kepler und Galilei könne er begreifen. Die "abscheuliche Relativitätslehre" aber…
"Schließt ( mich) und die ungeheure Menge aller Menschen, auch der denkenden, auch der gebildeten, von ihrer Erkenntnis aus"."
Die moderne Physik: "Schreckliche Missgeburt, verarmtes Kunstgebilde", wie Döblin meinte? Herwig Schopper - langjähriger Direktor des europäischen Zentrums für Elementarteilchen-Physik CERN in der Schweiz und Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft – hätte heute Alfred Döblin vielleicht aufmuntern können:
Herwig Schopper: ""Sehen Sie, in den Naturwissenschaften, in der Physik kennen wir keine menschlichen Autoritäten an. In der Philosophie heißt es ja oft: Ja, aber Kant hat gesagt, Aristoteles hat gesagt. Bei uns ist es so, dass jeder junge Student, der mit einem guten Experiment kommt, oder mit einer Theorie kommt, die in sich schlüssig ist, sich durchsetzen kann – unabhängig davon, was Newton oder Einstein gesagt hat. Wir haben eine letzte Autorität: Das ist die Natur"."
Die Autorität der Natur triumphierte am 4. November 1915. In Berlin legte Einstein der Preußischen Akademie seine Abhandlung zur Allgemeinen Relativität vor. Dieses Datum gilt als Geburtsstunde einer der größten Kulturleistungen des 20. Jahrhunderts. Zugleich wurde die Basis für die so genannte Urknall-Hypothese gelegt, obwohl dieser Begriff erst sehr viel später geprägt wurde.
Andererseits wütete 1915 erbarmungslos der politische Wahnsinn des ersten Weltkriegs …mehr als tragische Ironie: Auch der Begriff Kulturleistung ist relativ, und Einstein schrieb an seinen Freund – den Physiker Paul Ehrenfest:
""Unglaubliches hat nun Europa in seinem Wahn begonnen. In solcher Zeit sieht man, welch trauriger Viehgattung man angehört"."
Aber er schwärmte auch von seiner Arbeit.
""Die Theorie ist von unvergleichlicher Schönheit"."
Man stelle sich einen Getreidehalm und eine dünne Bretterwand vor. Es ist vollkommen windstill. Beide Dinge stehen vollkommen gerade in der Landschaft. Dies entspricht der leeren Raumzeit. Nun erhebt sich ein Lüftchen, der Halm biegt sich. Ein Mensch lehnt sich gegen die Bretterwand, die daraufhin eine Delle bekommt. Wind – sprich Energie – und das Gewicht der Person verbiegen die Dinge, die Raumzeit ist gekrümmt.
Ein Fußball – vom Torwart abgeschlagen – wird - in dieser Sichtweise - nicht von der Erde angezogen, sondern sucht sich den Weg des geringsten Widerstandes durch die Raumzeit.
Albert Einstein hat später darüber gerätselt, warum seine Theorie so publikumswirksam die kulturelle Diskussion der 20er Jahre im letzten Jahrhundert bestimmt hat.
""Mir war es immer unverständlich, warum die Relativitätstheorie mit ihren dem praktischen Leben so entfernten Begriffen und Problemstellungen in den breitesten Schichten der Bevölkerung so eine lange Zeit eine so lebhafte, ja leidenschaftliche Resonanz gefunden hat"."
Man hat dies mit einer kollektiven Sehnsucht der Menschen zu erklären versucht. In einer säkularisierten, der Technik huldigenden Welt gab es endlich wieder einmal eine Botschaft aus dem geheimnisvollen Himmel und seinen unfassbaren Gesetzen.
Und die leidenschaftliche öffentliche Diskussion um Einstein stimulierte das kosmologische Interesse. Mit Einstein begann die moderne Kosmologie. Er selbst scheiterte allerdings zunächst daran, seine Theorie plausibel in ein stimmiges Bild des Universums zu integrieren. Hätte er sich von der eigenen ästhetischen Begeisterung weiter tragen lassen…
Doch eins gilt heute nach wie vor und muss betont werden, weil vielfältige Spekulationen und wissenschaftliche Scharlatanerie ein "Vorwärts" der Erkenntnis suggerieren, das fragwürdig ist. Es gilt – mit den Worten Herwig Schoppers:
""Ein Verständnis der Geschichte des Kosmos ist ohne Allgemeine Relativitätstheorie nicht denkbar"."
Diese Geschichte soll ihren Anfang – nach der gängigen Hypothese – im so genannten Urknall gehabt haben – dem Beginn der Existenz von Zeit.
Das meist zitierte Argument zur Stützung dieser Hypothese ist die Expansion des Kosmos, an der Einstein zunächst zweifelte. Doch als er in den USA weilte und einen Blick durchs neue Teleskop auf dem Mount Wilson warf, entpuppten sich feine Nebelschleier durch die vorher nie erreichte Vergrößerung als ganze Galaxien. Und er musste einräumen: Die sensationelle Entdeckung Edwin Hubbles, dass sich der Kosmos ausdehnt, schien sich mit Überlegungen in Einklang bringen zu lassen, die auf seinen eigenen Gleichungen beruhten.
Wenn man von der Erde aus – oder einer Erdumlaufbahn – mit Teleskopen in alle Richtungen des Universums schaut, scheinen überall die gleichen, großräumigen Strukturen der Sterne, Galaxien mit der gleichen Art von Materie zu existieren. Überall gelten offenbar dieselben Naturgesetze. Wie ist diese großräumige Gleichmäßigkeit zu erklären? Nehmen wir vielleicht nur ein Trugbild wahr? Sah der Kosmos immer schon so aus, oder ist der heutige Zustand das Ergebnis einer Art Evolution? Wir müssen dabei auch nach der Natur der Natur fragen. Welche Kräfte wirken zum Beispiel, wie sieht das Wesen dieser Kräfte aus?
Der Astrophysiker John Barrow: ""Der bei weitem erfolgreichste Weg zum Verständnis der Frage: Wie funktioniert die Welt? wurde getestet, indem man die Wirkungsweise der Natur in vier Ereignisklassen einteilte. Darin wirken vier verschiedene Kräfte."
Aber, lassen sich mit dieser qualitativen – richtigen, aber doch vorläufigen - allgemeinen Erkenntnis die zentralen kosmologischen Fragen lösen? Nein!
Was heißt Kräfte? Gab es eine so genannte Urkraft am Anfang des Kosmos? Wir hängen doch immer noch der vertrauten Anschauung nach, die Natur als naturalistisches Bild zu betrachten, dessen Bausteine winzige Kügelchen sind, zwischen denen eine spiralfedergleiche Kraft wirkt. Werner Heisenberg scheiterte mit dem Versuch, in einer so genannten Weltformel die bekannten Kräfte theoretisch zusammenzufassen.
""Ich halte es für eine der wichtigsten Erkenntnisse der Elementarteilchenphysik, dass wir gezwungen sind, dieses naive Bild aufzugeben und auf eine Trennung von Grundbausteinen und Kräften zu verzichten"."
betonte Herwig Schopper und führt weiter aus:
Herwig Schopper: ""Dieses primitive materialistische Bild von letzten Kügelchen müssen wir aufgeben. Wenn wir etwas aufgeben müssen, stellt sich natürlich die Frage: Wodurch wird es ersetzt? Wir glauben heute, dass die letzten Elemente für das Naturverstehen Symmetrien sind. Symmetrien sind natürlich etwas Abstraktes, nichts Materialistisches mehr. Und ich würde sagen – wenn ich das auf einen kurzen Nenner bringen soll – dass wir uns vom griechischen Philosophen Demokrit, der die Atome eingeführt hat, entfernen und mehr auf Plato hinzubewegen, der gesagt hat: Die letzten Realitäten sind – wie er es genannt hat – Ideen"."
Ideen! Auch der Urknall: Eine Idee? Hilft sie uns, in den kosmischen Gefilden – fern von der Physik des Alltags - den geistigen Anker zu werfen, sicheren Grund zu gewinnen? Eine Anzahl namhafter Naturforscher und Nobelpreisträger sucht nach neuen Modellen. Der mathematische Physiker Frank Tipler, der mit John Barrow zusammenarbeitete, plädiert zum Beispiel für eine Art Rückbesinnung der Kosmologie auf eine traditionelle religiöse Begrifflichkeit.
""So kann eine Reformulierung der Kosmologie in traditioneller religiöser Begrifflichkeit, in deren Rahmen die kosmische Singularität mit Gott identifiziert wird, unerwartete physikalische Phänomene offenbaren"."
Unter Singularität soll eine "Einheit" verstanden werden, die außerhalb von Raum und Zeit liegt. Diese Singularität dirigiert das physikalische Universum. Man spricht vom Designeruniversum.
Kosmologischer "Ball Paradox"?
""Nein, die Gottesfrage ist zu gewichtig und zu brisant, als dass man sie den Theologen allein überlassen dürfte, etwa in der Astrophysik die Frage nach dem Ursprung des Universums. Soll man nicht den Mut haben (dies) zuzugestehen, wo die Wissenschaft mit ihrem Wissen und Planen am Ende ist?"
fragt Hans Küng.
Doch die Wissenschaft ist nicht am Ende. Und der Rückgriff oder die Besinnung auf einen Formalismus disziplinfremder Begrifflichkeit ist ein Merkmal der Kulturgeschichte. Immer dann, wenn der "Erkenntnisapparat" des Menschen im Leerlauf zu drehen scheint, muss die Aura des Bewährten strahlen. Dabei geraten die großen interdisziplinären Denkansätze leicht in Vergessenheit. Denn der theologische Bezug und Fragen nach dem Urwesen des Kosmos, seiner Geschichte und dem Seinsverständnis des Menschen sind schon viel tiefer und radikaler gedacht worden, als es neuere Publikationen suggerieren.
Dem so genannten Heidelberger Kreis des Religionsphilosophen Georg Picht gehörte der Theoretische Physiker Adolf Klaus Max Müller an. Ausgehend vom Wesentlichen beider Einsteinscher Relativitätstheorien – nämlich das Geheimnis der Zeit in seinen Bezügen zur Natur zu lüften – führte er aus:
"Die Schlüsselerkenntnis aus der Relativitätstheorie ist ja gewesen, dass verschiedene Beobachter verschiedene Zeiten haben. Dass die Zeit sich also aufschlüsselt in verschiedene Zeiten. Etwas, was man vorher für ganz ausgeschlossen hielt. Aber, man muss gleich dazu sagen: Diese Zeit bleibt – wie überall in der Physik –bis dahin weiterhin Uhrzeit. Die Zeit, welche auf Uhren abgelesen wird. Demgegenüber ist, wenn ich von Zeit spreche, wenn Picht das tut… ist im Grunde etwas ungeheuer Weitergehendes: ein Ausbruch aus dieser Weise, Zeit zu messen. Wir sagen ja oft: Ich habe Zeit, oder ich habe keine Zeit. Und ich gehe noch weiter. Für mich ist Zeit so zu verstehen, dass ich sagen kann: Ich bin Zeit!"
Ich bin Zeit! Ich bin existenziell eins mit dem Kosmos… mit Gott? Das ist viel mehr als das, was als letzte dialektische Zuflucht die kosmologische Spekulation bestimmt – das so genannte anthropische Prinzip.
Ich bin Zeit!
Dieser Gedanke geht über den anthropischen Ansatz hinaus, der eine göttliche, ästhetische Konstruktion der Welt beschwört, weil wir diese Konstruktion beobachten und bewerten können.
Wir können über die Welt und deren Anfang nachdenken – nicht nur, weil das Universum so beschaffen ist – wie es ist, sondern weil wir mit seinem Geheimnis eins sind: Der Größe der Zeit. Aber wir müssen mehr wissen, detaillierter wissen, noch mehr Aspekte der Zeit zu erfassen suchen.
Ist die Zeit kontinuierlich oder diskret? Ist diese Frage unsinnig, weil sie ja schon ein Wissen, eine Existenz von Zeit voraussetzt? Wie die weiteren Fragen auch: Fließt die Zeit dahin wie der Wasserstrom, oder bewegt sie sich ruckweise wie der Sekundenzeiger einer Taschenuhr? Hat die Zeit vielleicht sogar eine Richtung, gibt es einen Zeitpfeil?
Der Astrophysiker John Barrow: "Es gibt offenbar einen Zeitpfeil, der mit kosmologischen Fragen zusammenhängt. Das Universum expandiert. Vielleicht markiert die Richtung der Expansion die Zukunft. Mein Gefühl sagt mir, dass die Vorstellungen über Zeit, die wir durch die Chemie, dem Computerwesen oder der Psychologie haben, sehr vereinfacht, sehr simpel sind. Wir wissen aus dem Studium der Gravitation, dass die Zeit etwas völlig anderes darstellt, als es unsere Intuition vorspiegelt.
Einstein zeigte, dass die Zeit relativ ist, dass sie von der Bewegung des Beobachters abhängt. Bewegte Uhren gehen langsamer, wenn man eine Uhr in ein starkes Gravitationsfeld bringt, geht sie langsamer im Vergleich zu einer zweiten Uhr im schwachen Gravitationsfeld. Es ergibt keinen Sinn von einem Zeitfluss zu sprechen. Die Physiker sind an dem ganzen Block von Raumzeit interessiert, und sie haben gesehen, dass man ihn in verschiedene Scheiben aufschneiden kann..."
Physiker, Philosophen und Theologen "schneiden" die Zeit auf. Sie mikroskopieren die Zeit. Das Geheimnis "Zeit" ist noch nicht gelüftet – auch wenn wir verinnerlichen könnten: "Wir sind Zeit".
Albert Einstein hat sich dann - im Exil in Princeton in den USA – der Kosmologie aus der philosophischen Perspektive wieder genähert. Allerdings ohne ausdrücklich den Anfang der Welt erklären zu wollen. Und er war bestürzt über den Beweis des Mathematikers Kurt Gödel, dass in jedem Universum, welches sich mit der Relativitätstheorie beschreiben lässt, keine Zeit existieren könne. Doch unabhängig davon - seine Überzeugung schien ungebrochen zu sein: Naturgesetze müssten einfach und schön sein. Ein Mitarbeiter erinnerte sich…
""Einstein war nicht von der Logik im engeren Sinn des Begriffs motiviert, sondern von einem Sinn für Schönheit"."
Die Zeit – verwoben mit dem Raum – die Zeit als Alter, als Evolutionszeit des Kosmos, der Nullpunkt der Zeit im Urknall. Die Zeit – vielleicht eine Illusion aus der Neigung, die Welt in einem speziellen Blickwinkel zu betrachten…die Zeit als Substanz, als Medium, als Seinskonstante – vielleicht der einzigen. Mit unserer Trivialzeit: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft hat dies nichts zu tun. Hat Albert Einstein durch das Zusammendenken von Zeit, Gravitation und Raum nur einen Spalt der Tür geöffnet? Zu dem Raum, in dem die ganze Wahrheit liegt?
Es ergibt keinen Sinn, von einem Zeitfluss zu sprechen, obwohl der tägliche Blick des Menschen in den Spiegel das Gegenteil zu beweisen scheint. Die biologische Zeit verhöhnt die Zeit der Physik und die der Philosophie. Was sagte Einstein am Ende seiner Zeit?
""Wenn ich in den Grübeleien eines langen Lebens etwas gelernt habe, so ist es dies, dass wir von einer tiefen Einsicht in die elementaren Vorgänge viel weiter entfernt sind, als die meisten Zeitgenossen glauben"."
Urknall
So mir nichts dir nichts
Aus dem Nichts begann
Die Zeit zu fließen…
Alles Illusion? – wenn doch
Der Geist vibriert / sich das Gemüt erhellt,
Der Urknall stimuliert …nun
Erklären wir die Welt!"
Auch die Astrophysik kennt ein Bild des Monats. Das Dezemberphoto des letzten Jahres zeigte eine Art glühender, glimmender Kartoffel in den Farben Rot, Blau, Gelb. Das ist übrig geblieben….am Himmel übrig geblieben…vom hellen, neuen Stern, den Johannes Kepler im Jahre 1604 beobachtete. Nein… es war das Ende eines alten. Mit einer gewaltigen, lichtintensiven Explosion verabschiedete er sich aus dem Kosmos. Und die Explosionswolke glimmt bis heute - und noch viele Jahre weiter – nach, sendet Infrarot – und Röntgenstrahlung aus…und immer weniger sichtbares Licht.
Im Kosmos wird gelebt und gestorben… Das Universum: Ein Gebilde voll von kluger Energie? Gab es einen Anfang, eine Geburtsstunde des Kosmos, folgt die Sternenwelt einem Evolutionsprinzip? Sind die uns bekannten Naturgesetze überall und über alle Zeiten hin unveränderbar?
Von April 1911 an weilte Albert Einstein als Professor an der Deutschen Universität in Prag. Eines Tages wurde er zu einem Vortrag Rudolf Steiners eingeladen und sei dann lachend herausgekommen – wie Zeitzeugen berichten.
Schwärmerisch – mystische Vorstellungen, die der Begründer der Anthroposophie entwickelte, diese auf Ganzheit der Natur gerichtete Lehre menschlicher Erkenntnis: Für Einstein war sie Impuls zur Belustigung.
Albert Einstein: Auch er ein früher Exponent der "Zwei - Kulturen – Hypothese", die vom englischen Chemiker Charles Percy Snow im Jahre 1959 formuliert wurde? In einer weiteren Anekdote wird erzählt, wie Albert Einstein anlässlich eines Vortrags über den Zen–Buddhismus in der Universität Princeton eingeschlafen sei.
Zwei Kulturen: Die musisch – literarische steht allen um Wissen und Bildung Bemühten offen, die mathematisch -naturwissenschaftliche ist dagegen nur wenigen zugänglich.
Einstein war Cervantes-Fan und Bewunderer der "Brüder Karamasow" von Dostojewski und auch Musiker.
"Zu leben, ohne Musik zu spielen, ist undenkbar für mich", bemerkte er.
Und Lise Meitner erinnerte sich an einen Musikabend im Haus von Max Planck in Berlin, an dem Planck, Einstein und ein professioneller Cellist Beethovens Piano Trio in B-Dur intonierten.
"Dies zu hören war höchst vergnüglich – abgesehen von ein paar unwichtigen Ausrutschern Einsteins"."
Natürlich wirkte Einstein nicht nur im abstrakten, theoretischen Raum der Physik. Aber die Frage, in welchem Umfang sich das Genie des vergangenen Jahrhunderts überhaupt durch erkenntnistheoretische Entwürfe anderer Disziplinen beeinflussen lassen hat, ist von nachgeordneter Bedeutung, wenn man sich die geistige Motivkonstruktion seiner wissenschaftlichen Überlegungen vor Augen führt. Diese sind auch antiautoritär – im nichtpolitischen Wortsinn. Der zentrale Punkt ist:
"Albert Einstein war zeitlebens der Auffassung….ja, mehr…er fühlte auch…dass jede Theorie - neben den Elementen der objektivierbaren Erfahrung - auch Urteile und Begriffe enthalten muss, die eben nicht – oder noch nicht - mit dieser Erfahrung übereinstimmen, und die dann auch Kriterien eines ästhetischen Entwurfs enthalten musste."
Dieses Denken steht im Einklang mit der Auffassung des Physiknobelpreisträgers Samuel Ting in unserer Zeit:
Samuel Ting: "Theoretische Ideen resultieren aus Logik, aus Annahmen. Sei die Theorie auch noch so schön und elegant, wenn sie nicht durchs Experiment bestätigt wird, ist sie ohne Bedeutung. Und nur, wenn diese Theorie widerlegt werden kann, geht es vorwärts. Eine Theorie zu bestätigen, heißt lediglich, dass man irgendetwas lernt."
Ähnlich wie bei Wolfgang Pauli – einem weiteren theoretischen Schwergewicht des vergangenen Jahrhunderts – muss auch bei Einstein das Unterbewusste eine Rolle im Erkenntnisprozess gespielt haben. Pauli sagte, jedes Verstehen sei ein Prozess, der….
""….lange vor der rationalen Formulierbarkeit im Unterbewussten eingeleitet wird."
Einsteins Theorien scheinen aus zwei Komponenten zu bestehen: Der momentanen Erfahrungswelt, die jeder nachvollziehen und emotional fassen kann und einer anderen geistigen Welt, die noch nicht wirklich nachfühlbar ist, die auch beim Rezipienten einen Schuss Unterbewusstsein verlangt. Vielen fällt es bis heute schwer, die Allgemeine Relativitätstheorie nur abstrakt - nicht emotional - zu akzeptieren, zu begreifen. Obwohl sie gerade jetzt wieder erneut bestätigt wurde…
Die Erde dreht sich, eine große Masse dreht sich und zieht den Raum um sich herum periodisch zusammen. Zwei Satelliten, die mit Laser-Impulsen von der Erde "beschossen" werden, werfen das Licht zurück. Aus dessen Laufzeiten lassen sich minimale Abstandsänderungen der Satelliten nachweisen. Die Erde zieht an der Raumzeit.
Einsteins Zeitgenossen in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts in Berlin empörten sich zum Teil über seine theoretischen Hirngespinste. Alfred Döblin etwa sagte, Kopernikus, Kepler und Galilei könne er begreifen. Die "abscheuliche Relativitätslehre" aber…
"Schließt ( mich) und die ungeheure Menge aller Menschen, auch der denkenden, auch der gebildeten, von ihrer Erkenntnis aus"."
Die moderne Physik: "Schreckliche Missgeburt, verarmtes Kunstgebilde", wie Döblin meinte? Herwig Schopper - langjähriger Direktor des europäischen Zentrums für Elementarteilchen-Physik CERN in der Schweiz und Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft – hätte heute Alfred Döblin vielleicht aufmuntern können:
Herwig Schopper: ""Sehen Sie, in den Naturwissenschaften, in der Physik kennen wir keine menschlichen Autoritäten an. In der Philosophie heißt es ja oft: Ja, aber Kant hat gesagt, Aristoteles hat gesagt. Bei uns ist es so, dass jeder junge Student, der mit einem guten Experiment kommt, oder mit einer Theorie kommt, die in sich schlüssig ist, sich durchsetzen kann – unabhängig davon, was Newton oder Einstein gesagt hat. Wir haben eine letzte Autorität: Das ist die Natur"."
Die Autorität der Natur triumphierte am 4. November 1915. In Berlin legte Einstein der Preußischen Akademie seine Abhandlung zur Allgemeinen Relativität vor. Dieses Datum gilt als Geburtsstunde einer der größten Kulturleistungen des 20. Jahrhunderts. Zugleich wurde die Basis für die so genannte Urknall-Hypothese gelegt, obwohl dieser Begriff erst sehr viel später geprägt wurde.
Andererseits wütete 1915 erbarmungslos der politische Wahnsinn des ersten Weltkriegs …mehr als tragische Ironie: Auch der Begriff Kulturleistung ist relativ, und Einstein schrieb an seinen Freund – den Physiker Paul Ehrenfest:
""Unglaubliches hat nun Europa in seinem Wahn begonnen. In solcher Zeit sieht man, welch trauriger Viehgattung man angehört"."
Aber er schwärmte auch von seiner Arbeit.
""Die Theorie ist von unvergleichlicher Schönheit"."
Man stelle sich einen Getreidehalm und eine dünne Bretterwand vor. Es ist vollkommen windstill. Beide Dinge stehen vollkommen gerade in der Landschaft. Dies entspricht der leeren Raumzeit. Nun erhebt sich ein Lüftchen, der Halm biegt sich. Ein Mensch lehnt sich gegen die Bretterwand, die daraufhin eine Delle bekommt. Wind – sprich Energie – und das Gewicht der Person verbiegen die Dinge, die Raumzeit ist gekrümmt.
Ein Fußball – vom Torwart abgeschlagen – wird - in dieser Sichtweise - nicht von der Erde angezogen, sondern sucht sich den Weg des geringsten Widerstandes durch die Raumzeit.
Albert Einstein hat später darüber gerätselt, warum seine Theorie so publikumswirksam die kulturelle Diskussion der 20er Jahre im letzten Jahrhundert bestimmt hat.
""Mir war es immer unverständlich, warum die Relativitätstheorie mit ihren dem praktischen Leben so entfernten Begriffen und Problemstellungen in den breitesten Schichten der Bevölkerung so eine lange Zeit eine so lebhafte, ja leidenschaftliche Resonanz gefunden hat"."
Man hat dies mit einer kollektiven Sehnsucht der Menschen zu erklären versucht. In einer säkularisierten, der Technik huldigenden Welt gab es endlich wieder einmal eine Botschaft aus dem geheimnisvollen Himmel und seinen unfassbaren Gesetzen.
Und die leidenschaftliche öffentliche Diskussion um Einstein stimulierte das kosmologische Interesse. Mit Einstein begann die moderne Kosmologie. Er selbst scheiterte allerdings zunächst daran, seine Theorie plausibel in ein stimmiges Bild des Universums zu integrieren. Hätte er sich von der eigenen ästhetischen Begeisterung weiter tragen lassen…
Doch eins gilt heute nach wie vor und muss betont werden, weil vielfältige Spekulationen und wissenschaftliche Scharlatanerie ein "Vorwärts" der Erkenntnis suggerieren, das fragwürdig ist. Es gilt – mit den Worten Herwig Schoppers:
""Ein Verständnis der Geschichte des Kosmos ist ohne Allgemeine Relativitätstheorie nicht denkbar"."
Diese Geschichte soll ihren Anfang – nach der gängigen Hypothese – im so genannten Urknall gehabt haben – dem Beginn der Existenz von Zeit.
Das meist zitierte Argument zur Stützung dieser Hypothese ist die Expansion des Kosmos, an der Einstein zunächst zweifelte. Doch als er in den USA weilte und einen Blick durchs neue Teleskop auf dem Mount Wilson warf, entpuppten sich feine Nebelschleier durch die vorher nie erreichte Vergrößerung als ganze Galaxien. Und er musste einräumen: Die sensationelle Entdeckung Edwin Hubbles, dass sich der Kosmos ausdehnt, schien sich mit Überlegungen in Einklang bringen zu lassen, die auf seinen eigenen Gleichungen beruhten.
Wenn man von der Erde aus – oder einer Erdumlaufbahn – mit Teleskopen in alle Richtungen des Universums schaut, scheinen überall die gleichen, großräumigen Strukturen der Sterne, Galaxien mit der gleichen Art von Materie zu existieren. Überall gelten offenbar dieselben Naturgesetze. Wie ist diese großräumige Gleichmäßigkeit zu erklären? Nehmen wir vielleicht nur ein Trugbild wahr? Sah der Kosmos immer schon so aus, oder ist der heutige Zustand das Ergebnis einer Art Evolution? Wir müssen dabei auch nach der Natur der Natur fragen. Welche Kräfte wirken zum Beispiel, wie sieht das Wesen dieser Kräfte aus?
Der Astrophysiker John Barrow: ""Der bei weitem erfolgreichste Weg zum Verständnis der Frage: Wie funktioniert die Welt? wurde getestet, indem man die Wirkungsweise der Natur in vier Ereignisklassen einteilte. Darin wirken vier verschiedene Kräfte."
Aber, lassen sich mit dieser qualitativen – richtigen, aber doch vorläufigen - allgemeinen Erkenntnis die zentralen kosmologischen Fragen lösen? Nein!
Was heißt Kräfte? Gab es eine so genannte Urkraft am Anfang des Kosmos? Wir hängen doch immer noch der vertrauten Anschauung nach, die Natur als naturalistisches Bild zu betrachten, dessen Bausteine winzige Kügelchen sind, zwischen denen eine spiralfedergleiche Kraft wirkt. Werner Heisenberg scheiterte mit dem Versuch, in einer so genannten Weltformel die bekannten Kräfte theoretisch zusammenzufassen.
""Ich halte es für eine der wichtigsten Erkenntnisse der Elementarteilchenphysik, dass wir gezwungen sind, dieses naive Bild aufzugeben und auf eine Trennung von Grundbausteinen und Kräften zu verzichten"."
betonte Herwig Schopper und führt weiter aus:
Herwig Schopper: ""Dieses primitive materialistische Bild von letzten Kügelchen müssen wir aufgeben. Wenn wir etwas aufgeben müssen, stellt sich natürlich die Frage: Wodurch wird es ersetzt? Wir glauben heute, dass die letzten Elemente für das Naturverstehen Symmetrien sind. Symmetrien sind natürlich etwas Abstraktes, nichts Materialistisches mehr. Und ich würde sagen – wenn ich das auf einen kurzen Nenner bringen soll – dass wir uns vom griechischen Philosophen Demokrit, der die Atome eingeführt hat, entfernen und mehr auf Plato hinzubewegen, der gesagt hat: Die letzten Realitäten sind – wie er es genannt hat – Ideen"."
Ideen! Auch der Urknall: Eine Idee? Hilft sie uns, in den kosmischen Gefilden – fern von der Physik des Alltags - den geistigen Anker zu werfen, sicheren Grund zu gewinnen? Eine Anzahl namhafter Naturforscher und Nobelpreisträger sucht nach neuen Modellen. Der mathematische Physiker Frank Tipler, der mit John Barrow zusammenarbeitete, plädiert zum Beispiel für eine Art Rückbesinnung der Kosmologie auf eine traditionelle religiöse Begrifflichkeit.
""So kann eine Reformulierung der Kosmologie in traditioneller religiöser Begrifflichkeit, in deren Rahmen die kosmische Singularität mit Gott identifiziert wird, unerwartete physikalische Phänomene offenbaren"."
Unter Singularität soll eine "Einheit" verstanden werden, die außerhalb von Raum und Zeit liegt. Diese Singularität dirigiert das physikalische Universum. Man spricht vom Designeruniversum.
Kosmologischer "Ball Paradox"?
""Nein, die Gottesfrage ist zu gewichtig und zu brisant, als dass man sie den Theologen allein überlassen dürfte, etwa in der Astrophysik die Frage nach dem Ursprung des Universums. Soll man nicht den Mut haben (dies) zuzugestehen, wo die Wissenschaft mit ihrem Wissen und Planen am Ende ist?"
fragt Hans Küng.
Doch die Wissenschaft ist nicht am Ende. Und der Rückgriff oder die Besinnung auf einen Formalismus disziplinfremder Begrifflichkeit ist ein Merkmal der Kulturgeschichte. Immer dann, wenn der "Erkenntnisapparat" des Menschen im Leerlauf zu drehen scheint, muss die Aura des Bewährten strahlen. Dabei geraten die großen interdisziplinären Denkansätze leicht in Vergessenheit. Denn der theologische Bezug und Fragen nach dem Urwesen des Kosmos, seiner Geschichte und dem Seinsverständnis des Menschen sind schon viel tiefer und radikaler gedacht worden, als es neuere Publikationen suggerieren.
Dem so genannten Heidelberger Kreis des Religionsphilosophen Georg Picht gehörte der Theoretische Physiker Adolf Klaus Max Müller an. Ausgehend vom Wesentlichen beider Einsteinscher Relativitätstheorien – nämlich das Geheimnis der Zeit in seinen Bezügen zur Natur zu lüften – führte er aus:
"Die Schlüsselerkenntnis aus der Relativitätstheorie ist ja gewesen, dass verschiedene Beobachter verschiedene Zeiten haben. Dass die Zeit sich also aufschlüsselt in verschiedene Zeiten. Etwas, was man vorher für ganz ausgeschlossen hielt. Aber, man muss gleich dazu sagen: Diese Zeit bleibt – wie überall in der Physik –bis dahin weiterhin Uhrzeit. Die Zeit, welche auf Uhren abgelesen wird. Demgegenüber ist, wenn ich von Zeit spreche, wenn Picht das tut… ist im Grunde etwas ungeheuer Weitergehendes: ein Ausbruch aus dieser Weise, Zeit zu messen. Wir sagen ja oft: Ich habe Zeit, oder ich habe keine Zeit. Und ich gehe noch weiter. Für mich ist Zeit so zu verstehen, dass ich sagen kann: Ich bin Zeit!"
Ich bin Zeit! Ich bin existenziell eins mit dem Kosmos… mit Gott? Das ist viel mehr als das, was als letzte dialektische Zuflucht die kosmologische Spekulation bestimmt – das so genannte anthropische Prinzip.
Ich bin Zeit!
Dieser Gedanke geht über den anthropischen Ansatz hinaus, der eine göttliche, ästhetische Konstruktion der Welt beschwört, weil wir diese Konstruktion beobachten und bewerten können.
Wir können über die Welt und deren Anfang nachdenken – nicht nur, weil das Universum so beschaffen ist – wie es ist, sondern weil wir mit seinem Geheimnis eins sind: Der Größe der Zeit. Aber wir müssen mehr wissen, detaillierter wissen, noch mehr Aspekte der Zeit zu erfassen suchen.
Ist die Zeit kontinuierlich oder diskret? Ist diese Frage unsinnig, weil sie ja schon ein Wissen, eine Existenz von Zeit voraussetzt? Wie die weiteren Fragen auch: Fließt die Zeit dahin wie der Wasserstrom, oder bewegt sie sich ruckweise wie der Sekundenzeiger einer Taschenuhr? Hat die Zeit vielleicht sogar eine Richtung, gibt es einen Zeitpfeil?
Der Astrophysiker John Barrow: "Es gibt offenbar einen Zeitpfeil, der mit kosmologischen Fragen zusammenhängt. Das Universum expandiert. Vielleicht markiert die Richtung der Expansion die Zukunft. Mein Gefühl sagt mir, dass die Vorstellungen über Zeit, die wir durch die Chemie, dem Computerwesen oder der Psychologie haben, sehr vereinfacht, sehr simpel sind. Wir wissen aus dem Studium der Gravitation, dass die Zeit etwas völlig anderes darstellt, als es unsere Intuition vorspiegelt.
Einstein zeigte, dass die Zeit relativ ist, dass sie von der Bewegung des Beobachters abhängt. Bewegte Uhren gehen langsamer, wenn man eine Uhr in ein starkes Gravitationsfeld bringt, geht sie langsamer im Vergleich zu einer zweiten Uhr im schwachen Gravitationsfeld. Es ergibt keinen Sinn von einem Zeitfluss zu sprechen. Die Physiker sind an dem ganzen Block von Raumzeit interessiert, und sie haben gesehen, dass man ihn in verschiedene Scheiben aufschneiden kann..."
Physiker, Philosophen und Theologen "schneiden" die Zeit auf. Sie mikroskopieren die Zeit. Das Geheimnis "Zeit" ist noch nicht gelüftet – auch wenn wir verinnerlichen könnten: "Wir sind Zeit".
Albert Einstein hat sich dann - im Exil in Princeton in den USA – der Kosmologie aus der philosophischen Perspektive wieder genähert. Allerdings ohne ausdrücklich den Anfang der Welt erklären zu wollen. Und er war bestürzt über den Beweis des Mathematikers Kurt Gödel, dass in jedem Universum, welches sich mit der Relativitätstheorie beschreiben lässt, keine Zeit existieren könne. Doch unabhängig davon - seine Überzeugung schien ungebrochen zu sein: Naturgesetze müssten einfach und schön sein. Ein Mitarbeiter erinnerte sich…
""Einstein war nicht von der Logik im engeren Sinn des Begriffs motiviert, sondern von einem Sinn für Schönheit"."
Die Zeit – verwoben mit dem Raum – die Zeit als Alter, als Evolutionszeit des Kosmos, der Nullpunkt der Zeit im Urknall. Die Zeit – vielleicht eine Illusion aus der Neigung, die Welt in einem speziellen Blickwinkel zu betrachten…die Zeit als Substanz, als Medium, als Seinskonstante – vielleicht der einzigen. Mit unserer Trivialzeit: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft hat dies nichts zu tun. Hat Albert Einstein durch das Zusammendenken von Zeit, Gravitation und Raum nur einen Spalt der Tür geöffnet? Zu dem Raum, in dem die ganze Wahrheit liegt?
Es ergibt keinen Sinn, von einem Zeitfluss zu sprechen, obwohl der tägliche Blick des Menschen in den Spiegel das Gegenteil zu beweisen scheint. Die biologische Zeit verhöhnt die Zeit der Physik und die der Philosophie. Was sagte Einstein am Ende seiner Zeit?
""Wenn ich in den Grübeleien eines langen Lebens etwas gelernt habe, so ist es dies, dass wir von einer tiefen Einsicht in die elementaren Vorgänge viel weiter entfernt sind, als die meisten Zeitgenossen glauben"."