Von Adelheid Wedel

Die "Süddeutsche" berichtet von einer möglichen Parteineugründung in Israel. Ansonsten beschäftigt die Feuilletons ein erneutes Aufflammen der Stadtschlossdebatte in Berlin. Die "Frankfurter Rundschau" porträtiert den russischen Schriftsteller Warlam Schalamow, dessen Leben eine pikante Fußnote zu dem des Literaturnobelpreisträgers Alexander Solschenizyn darstellt.
Es rumort in der Parteienlandschaft Israels. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG berichtet über den Austritt einer Gruppe israelischer Intellektueller und Künstler jetzt, wenige Wochen vor der vorgezogenen Parlamentswahl, aus der Arbeitspartei. Das komme "einem Todesstoß der Partei gleich", schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Zu den Parteirebellen gehört der Schriftsteller Amos Oz. Er und rund 30 Freunde wollen nun gemeinsam mit der linken "Meretz"-Partei Anfang Dezember eine neue Partei gründen, für die derzeit noch nach einem Namen gesucht wird. Oz sagt:

"Wir wollen alle Linken unter einem Dach vereinen und eine klare Alternative sein zum rechten Lager. Aber auch zur Arbeitspartei."

Oz selbst strebe keine Macht an, schon gar kein Ministeramt. Man wolle enttäuschte Arbeitspartei-Anhänger gewinnen, umweltbewusste, reformfreudige Israelis. Und jene mit arabischen Wurzeln.

Die neu aufgeflammte Diskussion um den Neu- oder Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses ist Thema in mehreren Feuilletons vom Dienstag. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU kritisiert:

"Architekturjurymitglieder demontieren den Wettbewerb für das Berliner Stadtschloss."

Es werden Meinungen, u.a. die des Juryvorsitzenden Lampugnani zitiert, die die Wettbewerbsvorgaben - Rekonstruktion des barocken Schlosses - plötzlich in Frage stellen. Lampugnani plädiert für "eine moderate Moderne". Die Frankfurter Rundschau sieht eine Flut von Klagen entstehen, Dutzende Büros, die Zeit und Geld in ihre Stadtschlosspläne investiert haben und sich streng an die Vorgaben gehalten haben, dürften sich nun getäuscht fühlen. Die BERLINER ZEITUNG hingegen beseitigt diese Zweifel und stellt fest:

"Beim Architekturwettbewerb zum Bau des Humboldt-Forums haben nur solche Entwürfe eine Chance zu gewinnen, die eine Rekonstruktion der barocken Schlossfassaden vorsehen."

Sie beruft sich dabei auf Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee und sein Wort, den Beschluss des Bundestages von 2002 umsetzen zu wollen und zu müssen. Am 27. und 28. November kommt die Jury zusammen und wird ihre Entscheidung treffen.

Die Tageszeitung DIE WELT zitiert den ehemaligen Senatsbaudirektor Hans Stimman zum Thema. Der sagt unmißverständlich: Wer als Jurymitglied die Rekonstruktion der Barockfassaden ablehnt, widerspricht klar dem Text und dem Geist der nach langjähriger Diskussion erarbeiteten Ausschreibung. Stimman legt Lampugnani nach dessen jüngsten Äußerungen nahe, von sich aus Konsequenzen zu ziehen. Das Ganze sei "ein Stück aus dem Tollhaus 'Wettbewerbskultur'". Sachlich resümiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

"Ein öffentlich ausgetragener und ständig befeuerter Streit der Juroren um Inhalte und Haltungen (pro oder contra Rekonstruktion), der so tut, als könne man über die Zukunft des Stadtschlosses nun völlig neu nachdenken, ist der Sache nicht förderlich.""

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU veröffentlicht einen interessanten Artikel über den russischen Schriftsteller Warlam Schalamow, der 1982 verbittert, krank und einsam in einer Nervenklinik starb. Ihm verdanken wir die "Erzählungen aus Kolyma", ergreifende, schonungslos dokumentierende Berichte aus dem Arbeitslager. Sie hatten in der Sowjetunion keine Chance, veröffentlicht zu werden. Olga Martynova berichtet von den Hintergründen.

1962 wurde Solschenizyns "Ein Tag aus dem Leben des Iwan Denissowitsch" in der Zeitschrift "Novy Mir" gedruckt. Der dortige Redakteur hatte die Wahl zwischen den Manuskripten Solschenizyns und Schalamows. "Er hatte nur einen Versuch frei, um ein GULAG-Werk zu profilieren" - und er entschied sich für Solschenizyn, der später aus dem Land getrieben wurde.

Der TAGESSPIEGEL rezensiert zwei Bücher, die sich mit David Bowies Berlinaufenthalt vor 30 Jahren beschäftigen. Während der britische Autor Thomas Jerome Seabrook "vor allem Anekdoten und musikhistorisch Relevantes aus Archiven zusammenträgt", wurde Tobias Rüthers Buch "ein faszinierendes Porträt des West-Berlins der Mauerjahre, einer Stadt, bei der - wie bei David Bowie - bis heute die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Legende verschwimmen."