Von Adelheid Wedel

31.05.2013
Die Dresdner Sinfoniker in Ramallah, die neue Uniform der Mittelschicht und die Frage, wie das Teilen unser Verhältnis zum Habenwollen verändert - das sind heute einige der Themen in den Feuilletons der großen Tageszeitungen.
Mit der "Sinfonie für Palästina" gastierten die Dresdner Sinfoniker in Ramallah, Peter Münch berichtet in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG von diesem außergewöhnlichen Konzert, denn

"tatsächlich sind die Wege, die nun 20 Streicher samt Begleittross aus dem deutschen Osten in den Nahen Osten geführt haben, nicht nur weit gewesen, sondern auch voller Fallen. Eine Symphonie für Palästina, geht das? Darf das ein deutsches Orchester? Was sagt Israel dazu?"

Solche Fragen, meint der Reporter, schwangen seit Beginn des Projektes ständig dissonant mit. Nun hieß es für das Orchester unter Leitung seines Dirigenten Andrea Molino:

"Willkommen zwischen den Fronten des Nahost-Konflikts, willkommen im Kulturpalast von Ramallah."

In der BERLINER ZEITUNG berichtet Inge Günter, wie sehr sich kurz vor Konzertbeginn Nervosität breit machte, und es ganz und gar unklar war, ob die Palästinenser überhaupt kommen würden. Dann aber füllten sich allmählich die 500 Plätze. Am Ende: Standing Ovations. Eine junge Frau aus dem Publikum sagte:

"Nie hätte ich gedacht, dass Palästina so inspirierend ist."

Die Tageszeitung DIE WELT macht auf einen Trend aufmerksam:

"Die Mittelschicht hat eine neue Uniform. Sie stammt von Jack Wolfskin und soll Distinktion durch Nützlichkeit ersetzen."

In diesem munteren Text schildert Ulf Poschardt, wie die Wolfskin-Mode samt ihrer Zweckdienlichkeit trotz gehobener Preise die Mittelschicht, ja besonders die protestierende Mittelschicht, erobert hat.

"Sehnsucht, Reiselust, Fernweh heißen die Kampfbegriffe, mit denen auf der Homepage der Vorzeigemarke das Hightech-Outfit romantisiert wird. Eigentlich wären wir am liebsten ganz woanders, kommuniziert dieses Abenteuerkostüm heimlich."

Die Outdoor-Branche gehört zu den absoluten Wachstumsmärkten der letzten Jahre. Poschardt macht einen Vergleich auf:

"Wo James Bond auf Maßanzügen, Ledersohlen und guten Krawatten besteht…, entscheidet sich die deutsche Mittelschicht selbst bei der Fahrt in der U-Bahn oder dem Gang zu Edeka für Action-Heldenkostüme im Nordic-Walking-Remix."

Und er hat rausgekriegt:

"Angela Merkel pflegt im Urlaub den Freizeitlook des Wolfskin-Biedermeier. Sie ist dabei ihrem Volk ganz nahe. Sie verkörpert so auch die sozialdemokratische Antithese zum Brioni-Kanzler Schröder und zu seinem Dreiteiler-Vize Fischer."

Die Berliner Tageszeitung TAZ gibt sich nicht mit Äußerlichkeiten zufrieden. Sie beschreibt das Wirken einer jungen Generation, oder zumindest erst einmal einiger junger Männer, "die an einer Wirtschaftsrevolution arbeiten. Teilen statt kaufen, lautet ihr Credo. Kann das funktionieren," fragt Julia Amberger in ihrem Bericht "über die neuen Habenichtse" und stellt gleich anfangs fest: "Die Widerstände sitzen in den Konzernzentralen – und in jedem Einzelnen."

Amberger beschreibt die Initiativen dreier junger Menschen – und natürlich reicht das Zeitlimit dieser Feuilletonvorschau nicht aus, alles vollständig wiederzugeben. Gemeinsam ist den Gründern Philipp Gloeckler, Michael Minis und Nam Chu Hoai die Idee, dass sie "statt sinnlos zu konsumieren, lieber bewusst teilen und tauschen" wollen.

"Es klingt, als sei es das Normalste der Welt. Doch denkt man das alles einmal zu Ende, ist das Ergebnis eine Wirtschaftsrevolution"," notiert Julia Amberger. ""Eine Wirtschaftsrevolution, die nicht nur das Prinzip unserer Wachstumswirtschaft infrage stellt. Wenn viele teilen, wird viel weniger gekauft. Wenn weniger gekauft wird, wird weniger produziert. Das schont die Umwelt. Das Teilen setzt etwas außer Kraft: das Habenwollen."

Wissenschaftler wie Michael Kuhndt erkennen darin "Anzeichen eines neuen Lebensstils, ein Modell mit Sprengkraft": Wir müssen (nur) das Habenwollen lassen wollen.