Von Adelheid Wedel

Günter Grass hadert zum Bebel-Gedenktag mit der SPD, die "FAZ" rezensiert einen teilweise kritischen ZDF-Film über die Kanzlerin und Norwegens Ministerpräsident macht Furore als Taxi fahrender Wahlkämpfer.
Wir sind in Wahlkampfzeiten. Und da verwundert es nicht, wenn der Schriftsteller Günter Grass in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG markige Worte zum gegenwärtigen Zustand der SPD äußert. Er hadert mit seiner Partei. Ihr "fehlen konsequente Personen", sagt er und: "Die SPD tut sich schwer daran zu erkennen, dass ihre Stunde geschlagen hat, dass wir eine soziale Situation, nicht nur in Deutschland, sondern insgesamt haben – die längst die Stunde der Sozialdemokratie hätte werden müssen." Aus Anlass des 100. Todestages von August Bebel wird er von Manfred Bissinger auch zur Rolle des Parteigründers gefragt. Grass lobt diesen "sich selbst bildenden Mann, der nie den Kontakt zu seinen Wurzeln verloren hat." Er sieht Hannelore Kreft am ehesten in Bebels Nachfolge. Für Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder formuliert er Kurzcharakteristika: "Schröders Nein zum Irak-Krieg," so Günter Grass, "hat uns bekanntlich vieles erspart, mindestens die Teilnahme an einem verbrecherisch geplanten und geführten Krieg… Schröder hat mit den Grünen regiert, sie haben als Erste zu Tabu-Themen wie die rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen und die Einbürgerung von langjährigen Gastarbeiterfamilien in Deutschland Gesetze möglich gemacht. Das sind Leistungen gegen Widerstände der CDU/CSU, die zu leicht in Vergessenheit geraten." Unter dem Titel "Was würde Bebel dazu sagen?" veröffentlicht der Steidl Verlag in diesen Tagen das Gespräch zwischen Grass und Bissinger, herausgegeben von Wolfgang Thierse und dem Interviewer.

Die BERLINER ZEITUNG druckt ein Interview mit dem Schweizer Schriftsteller Franz Hohler, in dem wir aber kein einziges politisches Statement ausfindig machen konnten. Kein Wunder, der Beitrag gehört zur Serie "Das Alter", in der schon Stefan Troller und Peter Farkas ihre Gedanken zum Altern ausbreiteten. Franz Hohler zählt aus seiner Sicht Alarmsignale dafür auf. Das sind: "gelähmte Neugier, Unwillen, sich am Unbekannten zu messen, erwartete Demütigung durch ihm fremde Installationen und zuletzt wenigstens Recht haben wollen. Winzige Entgleisungen der Vernunft, eine Art Realitätsapnoe" gehören für Hohler, selbst 71 Jahre alt, zu den Tücken nach 71.

Politik pur kündigt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG für diesen Dienstag an. Im ZDF läuft im Abendprogramm 20.15 Uhr das Porträt "Macht Manch Merkel". In dem Film von Bettina Schausten und Mathias Feldhof, so Michael Hanfeld, "kommen zahlreiche Kritiker zu Wort. Ihr fehle es an politischer Vision, Mission, dem großen Plan, der Linie, dem Bewusstsein für das Wertegerüst ihrer Partei… Gleichwohl ist Angela Merkel beliebt, sehr viel beliebter als ihr Herausforderer Peer Steinbrück." Ihm galt die Dokumentation in der vergangenen Woche, sie zeigte "einen Herausforderer, der Durchhalteparolen nötig hat. Der Amtsinhaberin aber kann keiner etwas," meint Hanfeld, "schon gar keiner aus der Phalanx der Beta-Männchen. Der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch hat das begriffen und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer auch." Seehofer wird zitiert mit dem Satz: "Wenn man sie unterschätzt, hat man schon verloren."

Aus Norwegen kommt eine interessante Anregung. Um Volkes Meinung zu hören, fuhr Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg einen Tag lang Taxi, nicht als Fahrgast, sondern als Dienstleister. Der 54-Jährige chauffierte in der Uniform der norwegischen Kutscher - blaue Strickjacke und orange Krawatte -, versteckt hinter einer Sonnenbrille bei Smalltalk seine Fahrgäste. "Erst jetzt, vier Wochen vor den Parlamentswahlen, machte Stoltenberg seine Exkursion als Video öffentlich." Nun spricht man in Oslo anerkennend vom Taxi-Jens. Seine Beliebtheit schnellte nach oben. Es heißt: "Er lasse seine eigene Arbeiterpartei, die bei den Wahlen keine großen Chancen hat, weit hinter sich. Wollten in Deutschland wahlkämpfende Politiker Stoltenberg kopieren," zitiert Sven Hansen einen Verkehrsanwalt, "müssten sie ohne eigenen Taxischein mit einem Bußgeld rechnen. Ebenso das Unternehmen, das einem solchen Fahrer ein Taxi überlässt."