Von Adelheid Wedel
Der Berliner "TAGESSPIEGEL" fragt ob Günter Grass' neuestes Gedicht "Europas Schande" jetzt wirklich gebraucht wurde, in der "FRANKFURTER RUNDSCHAU" dreht sich die Debatte um das neueste Werk von Thilo Sarrazin und die "FAZ AM SONNTAG" beschäftigt sich mit der Zerstörung der Kulturlandschaft in Afghanistan.
Das Medien-Echo über das neue Gedicht von Günter Grass "Europas Schande" wird vermutlich nach Pfingsten einsetzen. Die meisten Zeitungen, ohnehin bereits am Freitag für das lange Wochenende gedruckt, hatten noch keine Gelegenheit für eine Reaktion, ausgenommen davon der TAGESSPIEGEL.
Gerrit Bartels macht sich hier Gedanken über "den passionierten Politgedichtschreiber. Günter Grass ist ein sturer Bock", ist da zu lesen. "Strategisch geschickt zum Pfingstwochenende" habe er seinen Text platziert, in dem er "einen Schnelldurchlauf durch Antike, Mythologie, jüngere Vergangenheit und Gegenwart Griechenlands" unternimmt.
Zwischen Staunen und Ablehnung heißt es: "Von Antigone über Sokrates und den Göttern des Olymp bis zu den deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg und den Obristen der Militärdiktatur der siebziger Jahre: alles drin. Tja, so kann man das irgendwie sagen - aber ob das jetzt wirklich gesagt werden musste? Und ob wir, ob Europa nun wirklich geistig verkümmern" ohne Griechenland, wie Grass am Ende prophezeit, das stellt Gerrit Bartels dann doch in Frage.
Bartels formuliert auch den Verdacht, Grass leide "mit zunehmendem Alter unter einem immer größer werdenden Aufmerksamkeitsdefizit" und schlussfolgert: "Auf weitere Grass-Gedichte sollte man sich gefasst machen."
Eine andere Lesart bietet die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG: "Dem Satiremagazin "Titanic" ist es gelungen, ein Gedicht unter dem Namen 'Günter Grass' im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung zu platzieren. Als am Freitagnachmittag die Redakteure der Humorzeitschrift die Nachricht erreichte, dass die 'SZ' dieses besonders alberne und unglaubwürdig schlechte Gedicht als echtes Grass-Gedicht in ihrer Samstagsausgabe publizieren würde, lagen sich die Kollegen der 'Titanic' lachend in den Armen. So einfach war es ihnen in all den Jahren voller lustiger Aktionen bisher noch nicht gemacht worden. Die Titanic-Redakteure haben in aller Eile alles zusammengeschrieben, was Google zu den Suchbegriffen Griechen, Antike und Europa so hergibt," haben Einiges um- und zusammengestellt und fertig. Was wohl wird Grass zu dieser Art von Kolumne sagen?
Gedanken um Europa machte sich nicht nur Günter Grass, Anfang der Woche war Thilo Sarrazin mit seinem neuen Buch in den Schlagzeilen. Die Feuilletons reagierten auf "Europa braucht den Euro nicht"- einer Kampfschrift, wie es mein Kollege Kolja Mensing nannte - durchweg kritisch. Robert von Heusinger nannte Sarrazins jüngstes Werk in der FRANKFURTER RUNDSCHAU "ein widerliches Buch, dem man nur eines wünschen kann: Möge es in den Regalen, auf den Tischen der Buchhandlungen vergammeln."
Von Heusinger wirft Sarrazin mutmaßliche Verstöße gegen die politische Korrektheit vor: "Da ist er wieder, der hässliche nationalistische Ton," und er zitiert des Buchautors schlichte Wahrheit: "Fleißig gegen faul, weiß gegen braun." Bemerkenswert hingegen, dass Henryk M. Broder in der WELT vom 22. Mai Sarrazin den Rücken stärkt. In der FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG registriert Julia Encke: "Sarrazin wurde in dieser Thilo-Sarrazin-Woche nicht müde, sich von dem Sarrazin zu distanzieren, der er einmal war: ein Mann der politischen Klasse, ein Vertreter des politischen Diskurses, der Politik im Allgemeinen. Der neue Sarrazin, wie er sich selbst erfunden hat, will "Klartext" reden. Nur tut er es gar nicht. Sein Buch ist unlesbar" - so das deutliche Urteil der Autorin.
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG vergleicht der Schriftsteller Atiq Rahimi Afghanistan mit dem Science-fiction-Film "Star Wars". Als Zwanzigjähriger hat er seine Heimat verlassen und lebt seitdem in Frankreich. Seit 2002 fährt er als genauer Beobachter regelmäßig nach Afghanistan, das, wie er sagt, "am Ende der Welt liegt. Weder die jüdische noch die christliche Kultur sind weiter gekommen als bis dorthin. Nach Afghanistan hört alles auf, da haben andere Religionen das Sagen. Afghanistan liegt also auf der Grenze zu etwas, aber auch zwischen etwas. Das schafft ein Volk mit seinem sehr speziellen Charakter. Das Land ist immer unter Spannung."
Aus eigener Anschauung weiß er: "Die französischen Soldaten sind dort beliebt, auch die deutschen, denn sie bilden die Polizei aus. Das Verhältnis zu den Amerikanern ist dagegen sehr schwierig." Allgemein lässt sich sagen: "Vor dem Krieg waren die Afghanen ein sehr gastfreundliches Volk. Heute traut man den Fremden nicht mehr." Atiq Rahimis traurige Bilanz: "Wäre das viele Geld, das für die militärischen Aktionen ausgegeben wurde, nur zu einem Bruchteil in den Wiederaufbau des kulturellen Lebens geflossen, dann wäre Afghanistan heute an einem anderen Punkt. Durch den Krieg haben die Menschen ihre Identität verloren, auch ihr Selbstvertrauen ist futsch. Sie wissen nicht mehr, welche Kultur die ihre ist, sie suchen danach. Es ist ungeheuer wichtig, dass die Richtigen sie dabei unterstützen."
Gerrit Bartels macht sich hier Gedanken über "den passionierten Politgedichtschreiber. Günter Grass ist ein sturer Bock", ist da zu lesen. "Strategisch geschickt zum Pfingstwochenende" habe er seinen Text platziert, in dem er "einen Schnelldurchlauf durch Antike, Mythologie, jüngere Vergangenheit und Gegenwart Griechenlands" unternimmt.
Zwischen Staunen und Ablehnung heißt es: "Von Antigone über Sokrates und den Göttern des Olymp bis zu den deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg und den Obristen der Militärdiktatur der siebziger Jahre: alles drin. Tja, so kann man das irgendwie sagen - aber ob das jetzt wirklich gesagt werden musste? Und ob wir, ob Europa nun wirklich geistig verkümmern" ohne Griechenland, wie Grass am Ende prophezeit, das stellt Gerrit Bartels dann doch in Frage.
Bartels formuliert auch den Verdacht, Grass leide "mit zunehmendem Alter unter einem immer größer werdenden Aufmerksamkeitsdefizit" und schlussfolgert: "Auf weitere Grass-Gedichte sollte man sich gefasst machen."
Eine andere Lesart bietet die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG: "Dem Satiremagazin "Titanic" ist es gelungen, ein Gedicht unter dem Namen 'Günter Grass' im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung zu platzieren. Als am Freitagnachmittag die Redakteure der Humorzeitschrift die Nachricht erreichte, dass die 'SZ' dieses besonders alberne und unglaubwürdig schlechte Gedicht als echtes Grass-Gedicht in ihrer Samstagsausgabe publizieren würde, lagen sich die Kollegen der 'Titanic' lachend in den Armen. So einfach war es ihnen in all den Jahren voller lustiger Aktionen bisher noch nicht gemacht worden. Die Titanic-Redakteure haben in aller Eile alles zusammengeschrieben, was Google zu den Suchbegriffen Griechen, Antike und Europa so hergibt," haben Einiges um- und zusammengestellt und fertig. Was wohl wird Grass zu dieser Art von Kolumne sagen?
Gedanken um Europa machte sich nicht nur Günter Grass, Anfang der Woche war Thilo Sarrazin mit seinem neuen Buch in den Schlagzeilen. Die Feuilletons reagierten auf "Europa braucht den Euro nicht"- einer Kampfschrift, wie es mein Kollege Kolja Mensing nannte - durchweg kritisch. Robert von Heusinger nannte Sarrazins jüngstes Werk in der FRANKFURTER RUNDSCHAU "ein widerliches Buch, dem man nur eines wünschen kann: Möge es in den Regalen, auf den Tischen der Buchhandlungen vergammeln."
Von Heusinger wirft Sarrazin mutmaßliche Verstöße gegen die politische Korrektheit vor: "Da ist er wieder, der hässliche nationalistische Ton," und er zitiert des Buchautors schlichte Wahrheit: "Fleißig gegen faul, weiß gegen braun." Bemerkenswert hingegen, dass Henryk M. Broder in der WELT vom 22. Mai Sarrazin den Rücken stärkt. In der FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG registriert Julia Encke: "Sarrazin wurde in dieser Thilo-Sarrazin-Woche nicht müde, sich von dem Sarrazin zu distanzieren, der er einmal war: ein Mann der politischen Klasse, ein Vertreter des politischen Diskurses, der Politik im Allgemeinen. Der neue Sarrazin, wie er sich selbst erfunden hat, will "Klartext" reden. Nur tut er es gar nicht. Sein Buch ist unlesbar" - so das deutliche Urteil der Autorin.
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG vergleicht der Schriftsteller Atiq Rahimi Afghanistan mit dem Science-fiction-Film "Star Wars". Als Zwanzigjähriger hat er seine Heimat verlassen und lebt seitdem in Frankreich. Seit 2002 fährt er als genauer Beobachter regelmäßig nach Afghanistan, das, wie er sagt, "am Ende der Welt liegt. Weder die jüdische noch die christliche Kultur sind weiter gekommen als bis dorthin. Nach Afghanistan hört alles auf, da haben andere Religionen das Sagen. Afghanistan liegt also auf der Grenze zu etwas, aber auch zwischen etwas. Das schafft ein Volk mit seinem sehr speziellen Charakter. Das Land ist immer unter Spannung."
Aus eigener Anschauung weiß er: "Die französischen Soldaten sind dort beliebt, auch die deutschen, denn sie bilden die Polizei aus. Das Verhältnis zu den Amerikanern ist dagegen sehr schwierig." Allgemein lässt sich sagen: "Vor dem Krieg waren die Afghanen ein sehr gastfreundliches Volk. Heute traut man den Fremden nicht mehr." Atiq Rahimis traurige Bilanz: "Wäre das viele Geld, das für die militärischen Aktionen ausgegeben wurde, nur zu einem Bruchteil in den Wiederaufbau des kulturellen Lebens geflossen, dann wäre Afghanistan heute an einem anderen Punkt. Durch den Krieg haben die Menschen ihre Identität verloren, auch ihr Selbstvertrauen ist futsch. Sie wissen nicht mehr, welche Kultur die ihre ist, sie suchen danach. Es ist ungeheuer wichtig, dass die Richtigen sie dabei unterstützen."