Von André Hatting

In der "Zeit" erklärt ein Musiker aus dem Libanon, das Kriegsgeräusche das Ohr schulen. Die "FAZ" bedenkt den erkrankten Fidel Castro mit einem Porträt, das fast wie ein Nachruf klingt. Die Eröffnung der Olympischen Spiele 1936 in Berlin vor 70 Jahren nimmt die "SZ" zum Anlass, das damalige Kulturprogramm auf der Waldbühne näher zu beschreiben.
Die täglichen Meldungen von neuen Raketeneinschlägen, von Opfern auf israelischer und arabischer Seite prägen unseren Blick auf den Nahen Osten. Wie wenig vertraut uns die dortige Kulturszene ist, daran erinnert einmal mehr die Wochenzeitung DIE ZEIT:

"Beirut hat die lebendigste Musikszene im Nahen Osten."

Der Musikethnologie Thomas Burkhalter beschreibt in seiner eindrucksvollen Reportage, wie diese Szene auf den Krieg im Libanon reagiert.

"Jedes Geräusch lässt mich hochfahren. Die Ohren sind sensibler als sonst. ‚Ist Krieg gutes Hörtraining?’, habe ich einen Musiker noch vor ein paar Tagen gefragt, nachdem er mir mit leuchtenden Augen erzählt hatte, wie er als Kind jeden Flugzeugtyp, jede Bombe, jede Rakete, jedes Kaliber allein vom Sound her hatte benennen können. Er habe genau gewusst, ob von ihm weg oder auf ihn zu gefeuert wurde. ‚Machte es ›ziiisssssch‹, so flog die Bombe genau auf dein Haus zu, und du musstest schleunigst an einen sicheren Ort.’"

Jörg Lau fürchtet, ebenfalls in der ZEIT, um die Freiheitsbewegung im Iran. Doch die gibt es tatsächlich! Noch. Aber sie "droht zum Opfer des jüngsten Nahostkonfliktes zu werden", meint der Autor. Der Grund:

"Die demokratische Opposition im Iran ist durch den Atomkonflikt und den Libanon-Krieg in einer Zwickmühle. Denn einerseits ist jede Kritik am Westen und an der israelischen Kriegsführung Wasser auf die Mühlen des Regimes. Und wer im Gegenzug die Atompolitik und die Menschenrechtslage im Lande kritisiert, sieht sich umgehend des Verrats und der Kooperation mit den Feinden Irans beschuldigt."

In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG erfahren wir, wie arabische Intellektuelle auf die Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hizbullah reagieren. Und was wir da lesen, klingt besorgniserregend:

"Inzwischen haben die breit angelegte Zerstörung der Infrastruktur Libanons durch israelische Bombardements, der Tod zahlreicher Zivilisten und besonders das entsetzliche Blutbad von Kana die Stimmen derjenigen, welche die Aktion der Hizbullah kritisierten, weitgehend verstummen lassen."

Weitgehend verstummt ist auch einer, der sonst bekannt ist für endlos langes Reden. Woanders läuft zur besten Fernsehsendezeit "Wetten dass…?", in Kuba läuft die Rede des Staatschefs Fidel Castro. Aber zurzeit läuft nichts. Castro ist krank. Die FAZ nutzt diese Auszeit, um den greisen Revolutionsführer mit einem Porträt zu bedenken. Anders als wir es von der konservativen FRANKFURTER ALLGEMEINEN erwartet hätten, hat der Autor ordentlich Weichzeichner benutzt. Klar:

"Platz für Dissidenten gab es in seinem Land nicht."

Aber:

"Das kleine Kuba hat ein halbes Jahrhundert lang den Vereinigten Staaten, inzwischen die einzige Weltmacht, erfolgreich Paroli geboten."

Das klingt fast bewundernd. Allerdings klingt es auch verdächtig nach Nachruf.

SÜDDEUTSCHE und BERLINER ZEITUNG erinnern an die ersten Olympischen Sommerspiele auf deutschem Boden. Vor 70 Jahren begannen sie. Ein Propagandafest der Nationalsozialisten.

Das Kulturprogramm der Spiele fand auf der eigens dafür gebauten Berliner Waldbühne statt. Das Stück "Frankenburger Würfelspiel" eröffnete sie. Von Goebbels persönlich in Auftrag gegeben, der auch den Stoff selbst ausgesucht hatte. Nationalsozialistisches Avantgardetheater sollte das sein. Evelyn Annuss schildert in der SÜDDEUTSCHEN, was man sich darunter vorstellen muss:

"Inszeniert wurde die bombastische Aufführung von bekannten Theaterleuten mit Rundfunkerfahrung. Angesichts der Größenverhältnisse und der daraus resultierenden Schallproblematik war man auf Verstärker angewiesen. Die Protagonisten mussten außerdem in überdimensionierten Pappkostümen auftreten, damit die Zuschauer in der letzten Reihe zumindest ihren Umriss erkennen konnten."

Schauspieler in überdimensionierten Pappkostümen. Bert Brecht hätte es Verfremdung genannt.