Von André Hatting

Wie objektiv sind die Journalisten in ihrer Berichterstattung über den Nahost-Konflikt? Die Frage stellen sich der "Tagesspiegel" und die "Süddeutsche Zeitung" anlässlich der stark nachbearbeiteten Bilder der Nachrichtenagentur Reuters. Regina Mönch macht sich in der "FAZ" auf die Suche nach Nachhilfelehrern im Dienste der Scientology-Sekte.
Suchbilder im TAGESSPIEGEL und in der SÜDDEUTSCHEN: Beide Zeitungen drucken Stadtansichten Beiruts unmittelbar nach dem israelischen Luftangriff vom vergangenen Samstag. Davon existieren zwei Versionen: In dem von der Nachrichtenagentur Reuters veröffentlichten Bild verdunkeln tiefschwarze Rauchsäulen den Himmel. Als ob die halbe Stadt in Schutt und Asche gebombt worden wäre.

Auf dem Foto daneben erscheinen die Folgen der israelischen Attacke weitaus harmloser. Das ist die Originalaufnahme. An der anderen hat ein libanesischer Fotograf, der für Reuters arbeitet, kräftig herumgebastelt. Derselbe Journalist "hatte auch die Folgen des Bombardements von Kana festgehalten", so die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, "über dessen wahres Ausmaß bereits kurz nach dem Ereignis Streit entbrannt war." Nicht immer verrät sich journalistische Parteinahme auf so plumpe Weise. Der TAGESSPIEGEL stellt Grundsatzfragen:

"Pure Objektivität ist ein ideales Ziel, ein unerreichbares. Welcher Journalist spricht arabisch und hebräisch? Wer kennt Jahrzehnte komplexer Hintergründe? Wer lässt sich nicht vor Ort vom Leid erschüttern?"

Interessant ist eine Studie, die der TAGESSPIEGEL in diesem Zusammenhang zitiert. Sie stammt vom Bonner Medienforschungsinstitut "Media Tenor". Darin heißt es über die Fernsehberichterstattung bei ARD und ZDF:

"Die UN-Resolution (…) vom 2. September 2004, (…) welche die Entwaffnung aller libanesischen und nicht libanesischen Milizen fordert, wird in den wenigsten Beiträgen angesprochen."

Eben die aber bildet die Grundlage für das Handeln der israelischen Regierung. Auch die TAZ setzt sich kritisch mit der Berichterstattung über den Nahost-Konflikt auseinander:

"In Bild und Text kommen israelische Juden nur als Täter und Aggressoren vor, es werden vor allem Männer, Soldaten abgebildet; der Libanon hingegen scheint aus Frauen und - vorzugsweise toten - Kindern zu bestehen. Die Hisbollah kommt ebenso wenig vor wie das Flüchtlingselend auf israelischer Seite."

Das beobachtet Tjark Kunstreich in der TAGESZEITUNG. "Unheimlich daran ist" fährt er fort, "dass veröffentlichte Meinung, öffentliche Meinung und Politik weitgehend identisch sind in dem Willen, Israel zu diktieren, wie es auf die Verletzung seiner Staatsgrenze zu reagieren hat."

Die FAZ sucht am Mittwoch Nachhilfelehrer der Scientology-Sekte. Verzeihung, Scientology-Organisation muss es natürlich heißen! Wir wollen ja keine Anzeige riskieren. Einunddreißig Nachhilfelehrer soll Scientology über seine Partnerorganisation in Deutschland verteilt haben. Laut Selbstauskunft. Ein Aufschrei deutscher Sektenexperten war darob die Folge, erinnert sich Regina Mönch in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN:

"Hat sich nie jemand die Mühe gemacht, die offizielle Liste der Organisation mit den abenteuerlichen Schreibfehlern, falschen Namen, fingierten Adressen zu überprüfen?"

Anscheinend nicht, wie Regina Mönch feststellen muss. Sie selbst forscht nach und findet unter den Adressen leutselige Biertrinker in Berlin-Neukölln, eine irritierte Hausfrau in Hamburg und keinen Anschluss unter dieser Nummer in Vierkirchen-Petershausen. Aber nicht einen scientologischen Nachhilfelehrer.

Zum Abschluss ein Urlaubstipp: Suchen Sie Ihr Reiseziel doch mal nach seiner Ödnis aus!

"Seit langem bin ich dazu übergegangen, Urlaubsziele nach ihrer Spannungslosigkeit auszuwählen."

Das gesteht Rainer Moritz dem TAGESSPIEGEL in seinem amüsanten Beitrag.

"Ich fahre in die Ferien, um zu lesen und binnen zwei Wochen in die tröstliche Welt erfundener Biografien einzutauchen."

Rainer Moritz leitet das Literaturhaus Hamburg.