Von Anke Schäfer
Die Kulturpresseschau befasst sich unter anderem mit der Hitler-Ausstellung im Deutschen Historischen Museum Berlin und der Verwicklung des Auswärtigen Amtes in die Naziverbrechen.
"Schlangen stauen sich am Eingang", lasen wir am Sonnabend in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Martin Meyer hat sich in Berlin die Ausstellung "Hitler und die Deutschen" im Deutschen Historischen Museum angeschaut und kommt, kurz gesagt, zu dem Schluss: "Doch so war es." Seine Eindrücke vom Ausstellungsrundgang mit Lektüre- und Lebenserfahrung in Verbindung bringend, schrieb Meyer in der NZZ: "Die Nazis waren Meister in der Ausstattung sowohl des öffentlichen wie des privaten Ambiente. Sie schufen Volksgemeinschaft mit einem Repertoire aus Technik, Architektur und Kitsch, dessen Funktion darin bestand, das Individuum in den sozialen Körper einzukitten, damit der Führerstaat wie ein riesiger Organismus atmete."
Ebenfalls am Sonnabend schrieb Arno Widmann in der FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Der Nationalsozialismus war kein Alien, der sich, aus einer anderen Welt kommend, in Deutschland breit machte, er war made in Germany. Es gab ihn nicht nur in Springerstiefeln. Es gab ihn auch im Cut." Der "Cut", muss man heute erklärend hinzufügen, war das Dienstgewand der Diplomatie, auch "Schwalbenschwanz" genannt wegen der vom Schließknopf an bogenförmig nach hinten geschnittenen Schöße. Der große Außenminister der zwanziger Jahre, Gustav Stresemann, trug ihn habituell, weswegen der "Cut" hierzulande auch als "Stresemann" bezeichnet wird. Gustav Stresemanns Nachfolger in der Nazizeit warfen sich in Uniformen und zeigten schon so ihre Zugehörigkeit zum System. Womit wir beim Thema der Woche wären, der Vorstellung des Buches "Das Amt und die Vergangenheit – Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik", das eine Gruppe von Historikern im Auftrag des Auswärtigen Amtes seit 2005 erarbeitet hat. Schon am vergangenen Sonntag hatte Frank Schirrmacher für die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG den Auftraggeber und damaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer zu dem Bericht befragt. Der hatte gesagt, was die ehemalige Dolmetscherin im Auswärtigen Amt, Marga Henseler, empört an den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder geschrieben hatte: "Ausgerechnet von Joschka Fischer hätte sie nicht gedacht, dass er einem alten Nazi wie dem Nüßlein, mit Blut an den Händen, einen Nachruf gewährt."
Die Zeitungen dieser Woche gingen immer wieder auf die 900 Seiten umfassende Studie der von Joschka Fischer eingesetzten Historiker-Kommission ein. Am Donnerstag schrieb Gustav Seibt unter dem schlichten Titel "Wir" in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG: "Der Widerstand war die Sache der allerkleinsten Zahl, aber bestimmt nicht irgendwelcher besserer Kreise. Unser war er nicht." Zuvor hatte er dargestellt, wie sich der aus der Emigration zurückgekehrte SPD-Außenminister Willy Brandt in der Regierungsmannschaft des einstigen hochgestellten Mitarbeiters des Rippentrop-Außenministeriums, Kurt Georg Kiesinger, arrangierte: "An moralischer Züchtigung hatte er keine Freude. Auch darum dürfte Brandt nach 1966 ein Kleinkrieg in seiner neuen, ihm noch ganz fremden Behörde herzlich gleichgültig gewesen sein." Der damalige Planungschef im Auswärtigen Amt, Egon Bahr, vertiefte dies in der Freitags-TAZ: "1966 sollte eine Regierung zur Versöhnung des Landes gebildet werden. Das heißt, ein altes Mitglied der NSDAP aus dem Auswärtigen Amt, Kurt Georg Kiesinger, wurde Bundeskanzler, und der Emigrant Willy Brandt wurde Außenminister und Vizekanzler. Und der ehemalige Kommunist Herbert Wehner wurde Mitglied der Bundesregierung. Die SPD hatte die Kröte Strauß zu schlucken." Aber kommen wir zurück auf die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vom Donnerstag. Gustav Seibt nannte auch berühmte Namen: Ernst von Weizsäcker zum Beispiel, den Staatssekretär des Rippentrop-Amtes. Wir lasen: "Mag Ernst von Weizsäcker aus höherer Staatsräson Hitlers Kriegspolitik missbilligt und teilweise sogar torpediert haben: Den Juden jedenfalls kam solches Friedensstreben nicht zugute." Auch andere unrühmliche Taten notierte Seibt: "Das letzte grüne Licht zur Ausbürgerung Thomas Manns kam vom örtlich zuständigen Diplomaten Weizsäcker."
Am Donnerstag sagte der an der Studie maßgeblich beteiligte Historiker Norbert Frei der FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Dass sich im Zuge der 68er-Bewegung im Amt viel verändert hätte, kann ich nicht sehen." Auf derselben Seite berichtete Christoph Albrecht-Heider von einer Artikelserie seiner Zeitung im Jahr 1951. Darin hatte der freiberufliche Journalist Eckart Heinze-Mansfeld aufgedeckt, dass alte Seilschaften ins neu gegründete Amt übernommen wurden. Der einstige stellvertretende Chefankläger im Nürnberger Prozeß, Robert M.W. Kempner hatte damals gewarnt: "Mit wenigen rühmlichen Ausnahmen waren die leitenden Beamten daheim und draußen teils Schwächlinge und Opportunisten ohne Charakter und Zivilcourage, teils ausgesprochene Verbrecher."
Durch die Bank waren sich die Blätter einig, dass die Studie über das Auswärtige Amt notwendig und gut ist. Nur in der Tageszeitung DIE WELT insistierte der Historiker Christian Hacke am Dienstag: "Außenpolitischer Neubeginn und Loyalität der Diplomaten trotz personalpolitischer Kontinuität – so hätte das Resümee der Arbeit lauten müssen." Aber wie schrieb der einstige israelische Botschafter Avi Primor am Donnerstag in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG? "Wenn es in einem Staat verantwortliche Staatsdiener gibt, die sich Blindheit nicht leisten können, weil ihre Blindheit für den Staat besonders verheerend sein würde, dann sind das die Diplomaten."
Ebenfalls am Sonnabend schrieb Arno Widmann in der FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Der Nationalsozialismus war kein Alien, der sich, aus einer anderen Welt kommend, in Deutschland breit machte, er war made in Germany. Es gab ihn nicht nur in Springerstiefeln. Es gab ihn auch im Cut." Der "Cut", muss man heute erklärend hinzufügen, war das Dienstgewand der Diplomatie, auch "Schwalbenschwanz" genannt wegen der vom Schließknopf an bogenförmig nach hinten geschnittenen Schöße. Der große Außenminister der zwanziger Jahre, Gustav Stresemann, trug ihn habituell, weswegen der "Cut" hierzulande auch als "Stresemann" bezeichnet wird. Gustav Stresemanns Nachfolger in der Nazizeit warfen sich in Uniformen und zeigten schon so ihre Zugehörigkeit zum System. Womit wir beim Thema der Woche wären, der Vorstellung des Buches "Das Amt und die Vergangenheit – Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik", das eine Gruppe von Historikern im Auftrag des Auswärtigen Amtes seit 2005 erarbeitet hat. Schon am vergangenen Sonntag hatte Frank Schirrmacher für die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG den Auftraggeber und damaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer zu dem Bericht befragt. Der hatte gesagt, was die ehemalige Dolmetscherin im Auswärtigen Amt, Marga Henseler, empört an den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder geschrieben hatte: "Ausgerechnet von Joschka Fischer hätte sie nicht gedacht, dass er einem alten Nazi wie dem Nüßlein, mit Blut an den Händen, einen Nachruf gewährt."
Die Zeitungen dieser Woche gingen immer wieder auf die 900 Seiten umfassende Studie der von Joschka Fischer eingesetzten Historiker-Kommission ein. Am Donnerstag schrieb Gustav Seibt unter dem schlichten Titel "Wir" in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG: "Der Widerstand war die Sache der allerkleinsten Zahl, aber bestimmt nicht irgendwelcher besserer Kreise. Unser war er nicht." Zuvor hatte er dargestellt, wie sich der aus der Emigration zurückgekehrte SPD-Außenminister Willy Brandt in der Regierungsmannschaft des einstigen hochgestellten Mitarbeiters des Rippentrop-Außenministeriums, Kurt Georg Kiesinger, arrangierte: "An moralischer Züchtigung hatte er keine Freude. Auch darum dürfte Brandt nach 1966 ein Kleinkrieg in seiner neuen, ihm noch ganz fremden Behörde herzlich gleichgültig gewesen sein." Der damalige Planungschef im Auswärtigen Amt, Egon Bahr, vertiefte dies in der Freitags-TAZ: "1966 sollte eine Regierung zur Versöhnung des Landes gebildet werden. Das heißt, ein altes Mitglied der NSDAP aus dem Auswärtigen Amt, Kurt Georg Kiesinger, wurde Bundeskanzler, und der Emigrant Willy Brandt wurde Außenminister und Vizekanzler. Und der ehemalige Kommunist Herbert Wehner wurde Mitglied der Bundesregierung. Die SPD hatte die Kröte Strauß zu schlucken." Aber kommen wir zurück auf die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vom Donnerstag. Gustav Seibt nannte auch berühmte Namen: Ernst von Weizsäcker zum Beispiel, den Staatssekretär des Rippentrop-Amtes. Wir lasen: "Mag Ernst von Weizsäcker aus höherer Staatsräson Hitlers Kriegspolitik missbilligt und teilweise sogar torpediert haben: Den Juden jedenfalls kam solches Friedensstreben nicht zugute." Auch andere unrühmliche Taten notierte Seibt: "Das letzte grüne Licht zur Ausbürgerung Thomas Manns kam vom örtlich zuständigen Diplomaten Weizsäcker."
Am Donnerstag sagte der an der Studie maßgeblich beteiligte Historiker Norbert Frei der FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Dass sich im Zuge der 68er-Bewegung im Amt viel verändert hätte, kann ich nicht sehen." Auf derselben Seite berichtete Christoph Albrecht-Heider von einer Artikelserie seiner Zeitung im Jahr 1951. Darin hatte der freiberufliche Journalist Eckart Heinze-Mansfeld aufgedeckt, dass alte Seilschaften ins neu gegründete Amt übernommen wurden. Der einstige stellvertretende Chefankläger im Nürnberger Prozeß, Robert M.W. Kempner hatte damals gewarnt: "Mit wenigen rühmlichen Ausnahmen waren die leitenden Beamten daheim und draußen teils Schwächlinge und Opportunisten ohne Charakter und Zivilcourage, teils ausgesprochene Verbrecher."
Durch die Bank waren sich die Blätter einig, dass die Studie über das Auswärtige Amt notwendig und gut ist. Nur in der Tageszeitung DIE WELT insistierte der Historiker Christian Hacke am Dienstag: "Außenpolitischer Neubeginn und Loyalität der Diplomaten trotz personalpolitischer Kontinuität – so hätte das Resümee der Arbeit lauten müssen." Aber wie schrieb der einstige israelische Botschafter Avi Primor am Donnerstag in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG? "Wenn es in einem Staat verantwortliche Staatsdiener gibt, die sich Blindheit nicht leisten können, weil ihre Blindheit für den Staat besonders verheerend sein würde, dann sind das die Diplomaten."