Von Arno Orzessek
"WELT" und "SZ" haben ein Interview mit der italienischen Mezzosopranistin Cecilia Bartoli geführt – die Kulturpresseschau vergleicht die Interviewtechniken. Die "NEUE ZÜRCHER ZEITUNG" beschäftigt sich mit Angelina Jolies Brustamputation. Und die "FAZ" geht der Frage nach: Welche Mode mögen moderne Chinesinnen?
Das, was wir gleich tun werden, liebe Hörer, haben wir an dieser Stelle noch nie getan. Erwarten Sie jetzt aber bitte keine größeren Verbalverbrechen. Wir wollen bloß zwei Fragen miteinander vergleichen. Und zwar die Fragen, mit denen die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG und die Tageszeitung DIE WELT ihre Interviews mit der italienischen Mezzosopranistin Cecilia Bartoli beginnen. In der SZ fragt Kristina Maid-Zinke:
"Signora Bartoli, wie fühlen Sie sich im zweiten Jahr Ihrer Salzburger Doppelfunktion als Intendantin und Primadonna?"
Fraglos eine hochseriöse Frage. So seriös wie das nebenstehende Bartoli-Foto mit Kostüm und Halskette. Die SZ-Frage hat allerdings den Makel, dass dieses "wie fühlen Sie sich ..." an die gleichlautende, schrecklich ideenlose Sportreporter-Frage erinnert.
In der WELT wendet sich Manuel Brug ganz anders an Cecilia Bartoli – die hier auf einem Foto als wildgewordene Wiedergängerin der von ihr verehrten Schauspielerin Anna Magnani gezeigt wird:
"Ich bin mal unhöflich: Sie sind fast 47 Jahre alt und offensichtlich nicht geliftet. In Hollywood hätten Sie länger schon ziemliche Schwierigkeiten …"
Davon abgesehen, dass Brugs Frage das Fragezeichen fehlt, ist sie natürlich schärfer als das fade "wie fühlen Sie sich…" der SZ. Allerdings könnte die Ansage "offensichtlich nicht geliftet" tatsächlich unhöflich wirken, sogar dreist, feist und tollpatschig – weshalb Manuel Brugs Airbag-Formulierung "ich bin mal unhöflich" nicht als Feigheit vor dem Star zu werten ist, sondern als Unfallverhütungsmaßnahme. Bartoli antwortet übrigens auch.
Der gefühligen "SZ" sagt sie: "Ich bin voller Tatendrang." Und einiges mehr. In der WELT aber kontert Bartoli Brugs Indiskretionen über Alter, Falten und Hollywood-Inkompatibilität ironisch und cool:
"Sehen Sie, und deshalb liebe ich die Oper und das Theater. Da wird sogar uns armen Frauen jenseits von 30 gestattet, mithilfe von Schminke und Beleuchtung sowie ohne Close-ups ein würdevolles Karriereleben zu führen."
Zu den Frauen jenseits von Dreißig gehört auch Angelina Jolie, die jüngst in der "New York Times" ihre krebsvorsorgliche Brustamputation öffentlich gemacht hat. So wie in derselben Zeitungsausgabe Christine Quinn, die Kandidatin auf das New Yorker Bürgermeisteramt, ihren früheren Alkoholismus und die überwundene Bulimie bekannt gab. Andrea Köhler zollt ihnen in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG zögernd Beifall:
"Man mag in solch vorauseilender Selbstentblößung nur eine prominente Variante des epidemischen Geständniszwangs, auch 'oversharing' genannt, erkennen. Manches spricht freilich dafür, dass auf diese Weise eine der letzten zuverlässigen Bastionen zur Unterminierung weiblichen Selbstbewusstseins geschleift wird: der kritische Blick der anderen."
In China spielt der Blick der anderen eine herausragende Rolle, weshalb die FRANKFURER ALLGEMEINEN ZEITUNG der Frage nachgeht: "Welche Mode mögen die Chinesinnen?"
Laut Mark Siemons sind sich alle Marketingstrategen darin einig, "dass Chinas Mode vor einem umfassenden Subtilisierungsschub" steht.
"Tatsächlich" [, so Siemons] "werden Louis-Vuitton-Handtaschen, die in China vor zehn Jahren noch als Inbegriff eines luxuriösen Lebensstils galten, von fortgeschrittenen Verbraucherinnen heute als Einkaufsbeutel für den Supermarkt verachtet."
Luxusbegüterte aller Länder vereinigt Euch – und zwar in Sorge! Bestimmt gibt's in Eurer Nachbarschaft auch einen "Bling Ring", wie ihn Sofia Coppola in ihrem gleichnamigen Film vorstellt. "Bling Ring" kreist um eine Jugendbande mit Vorbild in der Wirklichkeit, die in den Häusern der Celebritys von Los Angeles Rolex-Uhren, Laboutin-Schuhen, Porsches und diese Dinge klaut.
SZ-Autorin Susan Vahabzadeh lässt sich nicht blenden:
"Letztlich schwelgen" […] [Coppolas] "Bilder in jenem Reichtum, von dem ihre Jungkriminellen träumen – am Ende wird 'The Bling Ring' für Paris-Hilton-Fans ein Must."
"Ein Muss" hätte es auch getan, sagen wir – und bedauern, dass wir die heutige Presseschau nicht vorgesungen haben. Sonst könnten wir uns nun mit der "FAZ"-Überschrift verabschieden:
"Das ist das Ende vom Lied."
"Signora Bartoli, wie fühlen Sie sich im zweiten Jahr Ihrer Salzburger Doppelfunktion als Intendantin und Primadonna?"
Fraglos eine hochseriöse Frage. So seriös wie das nebenstehende Bartoli-Foto mit Kostüm und Halskette. Die SZ-Frage hat allerdings den Makel, dass dieses "wie fühlen Sie sich ..." an die gleichlautende, schrecklich ideenlose Sportreporter-Frage erinnert.
In der WELT wendet sich Manuel Brug ganz anders an Cecilia Bartoli – die hier auf einem Foto als wildgewordene Wiedergängerin der von ihr verehrten Schauspielerin Anna Magnani gezeigt wird:
"Ich bin mal unhöflich: Sie sind fast 47 Jahre alt und offensichtlich nicht geliftet. In Hollywood hätten Sie länger schon ziemliche Schwierigkeiten …"
Davon abgesehen, dass Brugs Frage das Fragezeichen fehlt, ist sie natürlich schärfer als das fade "wie fühlen Sie sich…" der SZ. Allerdings könnte die Ansage "offensichtlich nicht geliftet" tatsächlich unhöflich wirken, sogar dreist, feist und tollpatschig – weshalb Manuel Brugs Airbag-Formulierung "ich bin mal unhöflich" nicht als Feigheit vor dem Star zu werten ist, sondern als Unfallverhütungsmaßnahme. Bartoli antwortet übrigens auch.
Der gefühligen "SZ" sagt sie: "Ich bin voller Tatendrang." Und einiges mehr. In der WELT aber kontert Bartoli Brugs Indiskretionen über Alter, Falten und Hollywood-Inkompatibilität ironisch und cool:
"Sehen Sie, und deshalb liebe ich die Oper und das Theater. Da wird sogar uns armen Frauen jenseits von 30 gestattet, mithilfe von Schminke und Beleuchtung sowie ohne Close-ups ein würdevolles Karriereleben zu führen."
Zu den Frauen jenseits von Dreißig gehört auch Angelina Jolie, die jüngst in der "New York Times" ihre krebsvorsorgliche Brustamputation öffentlich gemacht hat. So wie in derselben Zeitungsausgabe Christine Quinn, die Kandidatin auf das New Yorker Bürgermeisteramt, ihren früheren Alkoholismus und die überwundene Bulimie bekannt gab. Andrea Köhler zollt ihnen in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG zögernd Beifall:
"Man mag in solch vorauseilender Selbstentblößung nur eine prominente Variante des epidemischen Geständniszwangs, auch 'oversharing' genannt, erkennen. Manches spricht freilich dafür, dass auf diese Weise eine der letzten zuverlässigen Bastionen zur Unterminierung weiblichen Selbstbewusstseins geschleift wird: der kritische Blick der anderen."
In China spielt der Blick der anderen eine herausragende Rolle, weshalb die FRANKFURER ALLGEMEINEN ZEITUNG der Frage nachgeht: "Welche Mode mögen die Chinesinnen?"
Laut Mark Siemons sind sich alle Marketingstrategen darin einig, "dass Chinas Mode vor einem umfassenden Subtilisierungsschub" steht.
"Tatsächlich" [, so Siemons] "werden Louis-Vuitton-Handtaschen, die in China vor zehn Jahren noch als Inbegriff eines luxuriösen Lebensstils galten, von fortgeschrittenen Verbraucherinnen heute als Einkaufsbeutel für den Supermarkt verachtet."
Luxusbegüterte aller Länder vereinigt Euch – und zwar in Sorge! Bestimmt gibt's in Eurer Nachbarschaft auch einen "Bling Ring", wie ihn Sofia Coppola in ihrem gleichnamigen Film vorstellt. "Bling Ring" kreist um eine Jugendbande mit Vorbild in der Wirklichkeit, die in den Häusern der Celebritys von Los Angeles Rolex-Uhren, Laboutin-Schuhen, Porsches und diese Dinge klaut.
SZ-Autorin Susan Vahabzadeh lässt sich nicht blenden:
"Letztlich schwelgen" […] [Coppolas] "Bilder in jenem Reichtum, von dem ihre Jungkriminellen träumen – am Ende wird 'The Bling Ring' für Paris-Hilton-Fans ein Must."
"Ein Muss" hätte es auch getan, sagen wir – und bedauern, dass wir die heutige Presseschau nicht vorgesungen haben. Sonst könnten wir uns nun mit der "FAZ"-Überschrift verabschieden:
"Das ist das Ende vom Lied."