Von Arno Orzessek

Der 100. Todestag Karl Mays, das Ende der Aufklärung-Ausstellung in Peking und eine Düsseldorfer Shakespeare-Inszenierung gehörten zu den Feuilleton-Themen der vergangenen Woche.
"Noch immer keine Gauck-Affäre. Ich langweile mich","

witzelte Friedrich Küppersbusch am Anfang der Woche in der TAGESZEITUNG und setzte das Gerücht in die Welt, Carsten Maschmeyer arbeite an der Kanzlerkandidatur.

Ganz im Ernst schlug sich Küppersbusch auf die Seite jener Oberbürgermeister des Ruhrgebiets, die den Solidaritätszuschlag abschaffen wollen - und er argumentierte:

""Die Wohlstandsinsel Usedom hat sich mit Transfergeldern fein herausgeputzt. Zur Belohnung liegt die NPD in den ‚Kaiserbädern’ über 22 Prozent. Dort ist der Soli der Migranten aus dem Ruhrgebiet willkommen, der Migrant selber nicht so."

"Schrei, solange du noch atmest","

empfahl die Tageszeitung DIE WELT, bezog sich damit aber nicht auf innerdeutsche Merkwürdigkeiten.

Matthias Heine kritisierte an der Düsseldorfer Inszenierung von Shakespeares "Richard III.", sie leide

""an chronischem Sauerstoffmangel"."

Eine Metaphorik, die auch wörtlich zu verstehen war…. Lässt doch Regisseur Staffan Holm die Opfer nicht, wie von Shakespeare intendiert, mittels Schwert oder Messer abmurksen, sondern durch blankes Erwürgen - so auch die Hauptfigur:

""Shakespeares Monster Richard III. wird am Ende kollektiv erwürgt. Nacheinander darf jedes verbliebene Mitglied des englischen Hochadels dem am Boden liegenden Tyrannen an den Hals gehen. Sogar seine eigene Mutter drückt mit - eine umgekehrte Presswehe, mit der sie seine Geburt ungeschehen machen will."

Klingt ganz schön aufregend. Aber insgesamt fand WELT-Autor Heine an der

"blutrünstigen Schlachte-Ballade, die der Zuschauer durchdämmern könnte, wenn nicht so viel geschrien würde","

wenig Gefallen.

Und noch weniger Martin Krumbholz, der in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG gähnte:

""Es will von dieser ordentlich bemühten Shakespeare-Darbietung nicht die mindeste Brisanz, nicht die mindeste Gefährlichkeit, nicht der mindeste Sex-Appeal ausstrahlen. Man lässt das über sich ergehen wie eine gründliche Geschichtslektion über das England des 15. Jahrhunderts an der Volkshochschule."

Ähnlich Abfälliges ist zur Eröffnung der Pekinger Ausstellung "Kunst der Aufklärung" geschrieben worden.

Nun, wo sie vorüber ist, betonte der Künstler Ai Weiwei im Berliner TAGESSPIEGEL, alles sei vergebene Liebesmüh gewesen.

"Es ist eine Ausstellung, die keinen Eindruck hinterlassen hat, es gibt kein Wissen über sie."

Ai Weiwei wusste auch, warum das Projekt "Kunst der Aufklärung" schief gegangen ist:

"Es liegt nicht am Konzept, sondern an der Natur der chinesischen Offiziellen, der Bürokraten. Niemand will die Verantwortung übernehmen, solche Dinge zu bewerben und bekannt zu machen."

In der WELT erzählte Ai Weiwei ausführlich von seiner Inhaftierung im letzten Jahr, und erklärte, "warum ich trotzdem an den Sieg der Freiheit glaube".

"Wir stammen noch aus einer alten Welt, die bereits von der neuen Politik und technischen Entwicklungen unterhöhlt wurde und im Zusammenbruch begriffen ist. Das trifft nicht nur auf die derzeitige Lage Chinas, sondern auch auf die ganze Welt zu. Diese schleichende Unterhöhlung und Verwandlung wird weitergehen, bis das alte System abgestürzt ist. Ich glaube daran, dass die Humanität siegt."

Der Menschlichkeit verschrieben, das haben sich auch viele Helden Karl Mays.

Zum 100. Todestag des Autors mit der 200-Millionen-Auflage bemerkte Georg Seesslen in der TAZ:

"Auf Karl May hat Deutschland mit einer geradezu komischen Humorlosigkeit reagiert. Damals wie heute. Einfach einen begnadeten Pulp-Fiction-Schreiber mit einer abenteuerlichen Biografie feiern, einen Kerl, der nicht trotz, sondern eben gerade wegen seiner Elendskriminalität, seiner Hochstapelei und seiner Traumtänzerei sympathisch und kreativ gewesen wäre - nicht mit uns! Nein, die deutsche Kultur kann keine subbürgerlichen Rebel Heroes gebrauchen."

Im Widerspruch zur These von Georg Seesslen fixierte Burkhard Müller in der SZ eine Wesensähnlichkeit zwischen der deutschen Nation und Karl Mays Biographie:

"Elende Ursprünge, Größenwahn, Erniedrigung, Groll, Selbstmitleid, schließlich Stabilisierung auf relativ hohem Niveau: Das ist das Zwillingsschicksal Deutschlands und seines schlechthin repräsentativen Autors."

"Der Weg zum Glück" heißt eine Erzählung Karl Mays, die in Ägypten spielt.

Derweil ist Ägyptens Weg zum Glück offenbar noch lang. Unter dem Titel "Das verlorene Lachen" veröffentlichte die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG eine Generalkritik der Bloggerin Ghada Abdelaal.

"Es gibt kein Parlament, dem an einer gesetzlichen Verankerung der bürgerlichen Rechte gelegen wäre, keine Opposition, die sich dem drohenden Verlust bürgerlicher Freiheiten entgegenstellt; es gibt keine Regierung, die für eine Reform der kollabierten Wirtschaft und eine Restitution der schwindenden sozialen Gerechtigkeit kämpft, und keine Verfassung, die auf korrekten Grundlagen fußt."

So die ägyptische Bloggerin Ghada Abdelaal.

Vom Internet ins Kino. Fast überall verrissen wurde Oliver Ziegenbalgs "Russendisko", die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Wladimir Kaminer.

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG motzte Bert Rebhandl über "leblose Figuren und verschleppte Pointen" und erteilte die Höchststrafe:

"Mal geradeaus gesagt: ‚Russendisko’, der Film, ist eine Blamage auf der ganzen Linie."

Am meisten betrauert wurde in der vergangenen Woche Antonio Tabucchi. In der FRANKFURTER RUNDSCHAU konstatierte Peter Michalzik:

"Er war wie [Fernando] Pessoa ein Melancholiker, aber trotzdem von mediterraner Eleganz, mit der funkelnden Leichtigkeit des Südens."

SZ-Autor Volker Breidecker lobte Tabucchi für die Fähigkeit, "vom Schatten der Zeit [zu] erzählen", und zitierte einen schönen Tabucchi-Schlusssatz, mit dem auch wir schließen:

"Der Rest ist Wolken."