Von Arno Orzessek

Die "FAZ" rezensiert den ZDF-Dreiteiler über die Familie Krupp. Die "SZ" widmet sich dem neuen Album der Pet Shop Boys - und analysiert nebenbei die Unterschiede zwischen Pop und Rock. In der Tageszeitung "Die Welt" gibt die DJ-Legende Joseph Sadler seinen Hip-Hopper-Kollegen Tipps.
"Marmor, Stahl und Eisen spricht", heißt die schönste Überschrift in den aktuellen Feuilletons – und wir fragen uns, ob wirklich noch jeder den alten Drafi-Deutscher-Hit "Marmor, Stein und Eisen bricht" mithört oder ob die Zeit auch darüber hinweg gegangen ist.

Tatsächlich betitelt "Marmor, Stahl und Eisen spricht" einen Artikel in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Matthias Hannemann hat sich die am Sonntag anlaufende dreiteilige ZDF-Saga "Krupp – eine deutsche Familie" vorab angesehen und schreibt über die Verfilmung unter der Regie von Carlo Rola:

"Die deutsche Geschichte, der sie über 150 Jahre hinweg folgt, wird zur schillernden Gelegenheitskulisse reduziert. […] Dieser Dreiteiler […] stilisiert die [Kruppsche] Villa Hügel zum 'Geisterhaus' und bleibt demselben Mythos verhaftet, mit dem schon der Kaiser und Hitler die Massen bewegten – dem Mythos Krupp."

Bis dahin liest sich Matthias Hannemanns Artikel in der FAZ wie ein Verriss. Dann aber wird der Autor angesichts der vielen Drehorte und der Schauspieler-Leistungen unter anderem von Iris Berben, Benjamin Sadler und dem allgegenwärtigen Heino Ferch immer gnädiger und endet schiedlich-friedlich:

"Das ist dann die Moral von der Geschicht’: Setzt auf Freiheit und Liebe, 'hart wie Kruppstahl' lohnt sich nicht."

Unklar bleibt, ob sich der Endreim unbeabsichtigt eingeschlichen hat.

In voller Absicht eine Empfehlung aussprechen will der englische Soziologe und Pop-Kritiker Simon Frith in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Frith hat sich das neue Album des Pop-Duos Pet Shop Boys angehört – es heißt "Yes" – und nutzt die Besprechung, um die groben Unterschiede zwischen Pop und Rock zu markieren.

"Der Pop hat ein anderes Verhältnis zur Zeit als der Rock. Er erhebt keinen Anspruch auf Zeitlosigkeit, er ist naturgemäß aus der Zeit geboren. Alter Pop ist einfach nur alt und neuer Pop muss sich immer in der Soundlandschaft der Gegenwart durchsetzen."

Und genau das, betont Pop-Kritiker Simon Frith in der SZ, sei den Pet Shop Boys mit "Yes" gelungen.

"[Sie] sind eine alte Gruppe, aber sie haben eine Aufnahme gemacht, die voll und ganz ins Zeitalter des iPod passt. 'Yes' ist kein Album, das man sich als Album anhören sollte – die Aufmerksamkeit schwindet etwa bei der Mitte […]. Vielmehr haben wir es hier mit elf Songs zu tun, die – einer wie der andere – ihren Platz in ganz persönlichen Playlists einnehmen können."

Die Summe der bisherigen Einkünfte der Pet Shop Boys ist uns unbekannt. Viele Hip-Hopper jedoch sind mit ihrer Musik steinreich geworden. Darauf reflektiert in der Tageszeitung DIE WELT der dort so bezeichnete "Großvater des Hip-Hop", nämlich DJ Joseph Saddler alias Grandmaster Flash – der Künstler, der viele Techniken des schöpferischen Plattenauflegens erfunden oder wenigstens popularisiert hat.

"Es ist nicht einfach, rebellisch zu sein, wenn vor der 25-Zimmer-Villa drei Ferraris parken","

antwortet Grandmaster Flash in der WELT auf die Frage von Sascha Krüger, wo das Rebellische im Hip-Hop geblieben sei, und empfiehlt den Kollegen:

""Mehr Mut. Mehr Respekt vor den alten Werten. Mehr Facettenreichtum und den Blick über den Tellerrand. Erwachsen werden."

Wir bleiben bei der Kunst, aber wechseln das Genre und kommen zum "größten europäischen Lyriker". So nennt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Burkhard Müller den römischen Dichter Horaz, der den Beinamen "flaccus" trug – deutsch "das Schlappohr".

SZ-Autor Müller rezensiert das Buch "Horaz. Dichter und Werk", das Niklas Holzberg im Verlag C. H. Beck veröffentlicht hat. Weil Müller allerdings nicht viel von der Arbeit des klassischen Philologen Holzberg hält, tun wir es ihm nach und zitieren abschließend, was einst Friedrich Nietzsche über Horaz’ Oden geschrieben hat:

"In gewissen Sprachen ist Das, was hier erreicht ist, nicht einmal zu wollen. Dies Mosaik von Worten, wo jedes Wort als Klang, als Ort, als Begriff, nach rechts und links und über das Ganze hin seine Kraft ausströmt, dies minimum in Umfang und Zahl der Zeichen, dies damit erreichte maximum in der Energie der Zeichen – das alles ist römisch und […] vornehm par excellence. Der ganze Rest von Poesie wird dagegen etwas zu Populäres – eine bloße Gefühlsgeschwätzigkeit..."

So Nietzsche über Horaz in der SZ.

Einfach wunderbar, was man im Feuilleton so lesen kann!