Von Arno Orzessek

Die "Süddeutsche" würdigt die verstorbene Schauspielerin Gisela Stein als "stolze Pathos-Kämpferin und Siegesgöttin des Theaters". Die "Frankfurter Rundschau" stellt Ottmar Ettes Buch "Alexander von Humboldt und die Globalisierung" vor. Und die "FAZ" zeigt sich belustig angesichts des Debakels beim Wettbewerb zum deutschen Einheitsdenkmal.
Der Tod der Tragödin Gisela Stein spornt den Theaterkritiker Gerhard Stadelmeier in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zu einem stilistisch teils atemberaubenden, teils albern aufgeplusterten Nachruf an.

"Zusammen mit Cornelia Froboess [schreibt Stadelmeier] bildete Gisela Stein ein postklimakterisches Megären-Paar, das sich verzweifelt um letzte Lebens- und Liebesreste balgte. Aber noch in der hämischen Pointe eines Männerwegschnapptriumphs meißelte Gisela Stein ihrer Figur […] eine Fremdheit ins wächsern glühende Gesicht, mit der sie in eine Seelenmördergrube hinunterschaudernd blickte."

Wer diesen Ton schätzt, dürfte auch Gefallen daran finden, dass FAZ-Autor Stadelmeier Gisela Stein als "ein Würdewunder an Unsentimentalität" auszeichnet.

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG wird die Verstorbene von Christopher Schmidt spürbar anders charakterisiert, nämlich als "stolze Pathos-Kämpferin und Siegesgöttin des Theaters".

SZ-Autor Schmidt schreibt:

"Als Engel hat sie angefangen, zu den Teufeln fühlte sie sich hingezogen – die laue Mitte, der feste Boden unter den Füßen hat sie nie interessiert. Die Bühne war für Gisela Stein immer mehr als die Bretter, die die Welt bedeuten. Für sie bedeutete vielmehr die Welt selbst nur ein paar Bretter, zugige Notunterkunft für die verlorene Zeit, in der sie nicht Theater spielte."

Die Welt als Bretterbude – das ist eine defätistische Ansicht, die kaum von Alexander von Humboldt stammen könnte, dem naturbegeisterten Forschungsreisenden und Autor des "Kosmos", der vor 150 Jahren gestorben ist.

Arno Widmann nimmt in der FRANKFURTER RUNDSCHAU Ottmar Ettes Buch "Alexander von Humboldt und die Globalisierung" zum Anlass, selbst grundsätzlich zu werden:

"Bei Alexander von Humboldt sind der Trieb die Welt zu sehen und zu begreifen eins. […] Die überwältigende Schönheit des Chimborazo bleibt. Auch nachdem man ihn vermessen hat, nachdem man weiß, aus welchen Gesteinen er sich zusammensetzt […]. [Die Schönheit] bleibt. Aber als eine radikal veränderte. […] An die Stelle der Schönheit der Überwältigung tritt bei Alexander von Humboldt die Schönheit der Aufklärung."

FR-Autor Widmann schreibt wie im Schatten des Erhabenen – wozu Alexander von Humboldt mit seinen oft magischen Naturbeschreibungen viel Anlass bietet.

Widmanns Schwärmerei indessen, Humboldt sei als "Denker der Bewegung […] moderner nicht nur als seine Zeitgenossen, sondern auch als die meisten von uns" – ist genau das, was Jens Bisky in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG kritisiert:

"Die Aktualität Humboldts […] wird durch ungebremstes Lob und fortwährende Behauptung nicht erwiesen. Man lernt vom Vergangenen noch immer am besten durch Historisierung."

Doch von den Toten zu den Lebenden.

Der geächtete Historiker Ernst Nolte ist 86 Jahre alt. Sein neues Buch "Die dritte radikale Widerstandsbewegung: Der Islamismus" ist fast überall besprochen worden – nun tut es auch die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG in Person von David Motadel.

Das meiste, was man über Ernst Noltes Buch und die Tendenz der SZ-Besprechung wissen muss, steht bereits in der Überschrift:

"Den Wunsch nach dem Skandal sollte man [Nolte] nicht erfüllen."

Zur Lektüre empfohlen sei der Verriss des Tages: Jutta Persons Kritik von Alexa Henning von Langes Roman "Peace" – ebenfalls nachzulesen in der SZ.

"Am 26. Oktober 1991 sah ich meine Mutter in ihrer Kotze liegen" beginnt Henning von Langes Buch über die geschundenen Kinder der 68er – und Jutta Person finde es richtig blöd:

"Alexa Henning von Lange hat mit 'Peace' einen Roman geschrieben, der vor allem eins bestätigt: literarische Einfallslosigkeit."

Die Nähe von Einfall und Einfalt dokumentiert im Berliner Kronprinzenpalais die Ausstellung von 532 Entwürfen zum deutschen Einheitsdenkmal – die Jury hat sie alle abgelehnt.

Belustigt schreibt Andreas Kilb in der FAZ über den Bewerber, der eine goldene Banane auf zwei Säulen gehievt und erklärt hat, er wolle damit "Mündigkeit, nicht falsches Pathos" fördern.

Das Wettbewerbsresümee von FAZ-Autor Kilb lautet:

"Die Banane des Einheitsdenkmals [ist] in den Brunnen der nationalen Symbolik gefallen."

Uns selbst gefällt Andreas Kilbs kindliche Freude am Gaga besser als Stadelmeiers gesalbte Albernheit, die wir eingangs zitierten. Die feinen Unterschiede genauer zu erläutern, bleibt hier aber keine Zeit.