Von Arno Orzessek
Die Feuilletons widmen sich Mario Vargas Llosa, dem diesjährigen Träger des Literatur-Nobelpreises - insgesamt dominiert ein pragmatisch-nüchterner Ton.
Unter der Überschrift "Der Souverän" und unter einem Foto, das den angesprochenen Souverän, nämlich Mario Vargas Llosa, auf einem sehr noblen, sehr konservativen Sofa zeigt, hat die BERLINER ZEITUNG die beliebten "Stimmen zur Entscheidung" gesammelt.
Hier die drei prägnantesten:
"Im Gegensatz zu früheren Jahren ist diese Entscheidung gar nicht so dumm." - Marcel Reich-Ranicki.
"Vargas Llosa ist prima, aber Julio Cortázar ist noch einen Zacken schärfer." - Clemens Meyer, ein deutscher Kollege von Vargas Llosa und Cortázar.
"Wir halten mehrere zehntausend Bücher vor. Wir sind auf eine große Nachfrage vorbereitet." - Thomas Span, Geschäftsführer des Suhrkamp Verlags.
Auch in den feuilletonistischen Würdigungen überwiegt - bei aller Hochachtung, die Mario Vargas Llosa und insbesondere seinen frühen Werken von niemandem versagt wird - ein pragmatisch-nüchterner Ton.
"Dieser Repräsentant der lateinamerikanischen Literatur wird nicht erst durch […] [den Nobelpreis] zum Weltautor, er ist es schon seit langem. Hämische Artikelüberschriften wie die über Herta Müller im vergangenen Jahr ('Herta Who?’) sind nicht zu erwarten, und man darf mit einiger Gewissheit annehmen, dass eben dies die Absicht der Akademie war","
spekuliert in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Lothar Müller.
Einen seltsamen Dreh wählt in FRANKUFERT ALLGEMEINEN ZEITUNG Paul Ingendaay. Er unterstellt, dass die hiesige Szene mit der Stockholmer Entscheidung nur unzufrieden sein könne:
""Denn Mario Vargas Llosa tritt im Maßanzug auf und speist mit den Mächtigen. Er schreibt Kolumnen für 'El Pais’, verkehrt auf zahlreichen akademischen Podien und hat einmal gesagt, er bewundere Margaret Thatcher. So einer entspricht nicht dem Image des Künstlers als wuscheliger Rebell. Nein, in [Vargas Llosa] haben wir eine Figur, die dem Kulturbetrieb fast ein wenig peinlich ist, nämlich den höflichen, rationalen, zu keinerlei Exzess neigenden Rechthabenden"","
mutmaßt der FAZ-Autor Paul Ingendaay und wir mutmaßen zurück, dass Ingendaay im Nachhinein ganz gern auf ein paar Klischees verzichten würde.
Denn, bitte schön, wer im hiesigen Kulturbetrieb würde den Nobelpreis am liebsten an wuschelige Rebellen vergeben? Gibt es überhaupt noch wuschelige Rebellen von literarischem Rang? Und wem wäre Höflichkeit peinlich, wem ein Maßanzug?
Aber lassen wir das! Am Tag nach der Nobelpreis-Vergabe wirken die Feuilletons ja oft wie Artikel im Sport nach späten Spielen mit späten Toren: ein bisschen husch husch halt.
Zurück zu Vargas Llosas, dem politischen Kopf, der über seinesgleichen gesagt hat: "Künstler und nur Künstler zu sein, kann in unseren Ländern zum moralischen Verbrechen werden."
Dass Vargas Llosa 1990 in Peru als Präsidentschaftskandidat antrat und gegen Alberto Fujimori unterlag, deutet Jan Schulz-Ojala im Berliner TAGESSPIEGEL als entscheidende Wende:
""Waren früher auch die erotisch saftigen Passagen seiner Bücher Nebenbestandteile einer überständig erhitzten und von böser sexueller Allmacht geprägten Welt, widmete sich Vargas Llosa nun mehr und mehr kalligraphisch ausgemalten Liebes- und Passionsverhältnissen. Nun, das Publikum verübelt es ihm bis heute nicht, im Gegenteil. Die Entpolitisierung seiner Stoffe ließen den furiosen, wenn auch immer leichtgewichtigeren Fabulierer in Vargas Llosa umso stärker hervortreten."
Auch Uwe Stolzmann interpretiert in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG Vargas Llosas spürbar gesteigertes Interesse an libidinösen Dingen als Auswuchs der Niederlage:
"Und nun, tatsächlich, schreibt er erotische Geschichten, freizügig und flach, sowie routiniert kunstvolle Monumentalwerke. Jedoch, der Biss ist weg. Damals [im Frühwerk] kämpfte er gegen Dämonen. Jetzt produziert er für den Markt, und dies verlässlich."
Eine Spur subtiler drückt sich Karin Caballos Betancur in der FRANKURTER RUNDSCHAU aus:
"Während der Signierstunde lächelt der attraktive, stets sehr gepflegte [Mario Vargas Llosa] seinen Lesern, vor allem aber seinen Leserinnen so charmant ins Gesicht, dass man sich immer ein wenig an Auftritte von Julio Iglesias erinnert fühlt."
Hier die drei prägnantesten:
"Im Gegensatz zu früheren Jahren ist diese Entscheidung gar nicht so dumm." - Marcel Reich-Ranicki.
"Vargas Llosa ist prima, aber Julio Cortázar ist noch einen Zacken schärfer." - Clemens Meyer, ein deutscher Kollege von Vargas Llosa und Cortázar.
"Wir halten mehrere zehntausend Bücher vor. Wir sind auf eine große Nachfrage vorbereitet." - Thomas Span, Geschäftsführer des Suhrkamp Verlags.
Auch in den feuilletonistischen Würdigungen überwiegt - bei aller Hochachtung, die Mario Vargas Llosa und insbesondere seinen frühen Werken von niemandem versagt wird - ein pragmatisch-nüchterner Ton.
"Dieser Repräsentant der lateinamerikanischen Literatur wird nicht erst durch […] [den Nobelpreis] zum Weltautor, er ist es schon seit langem. Hämische Artikelüberschriften wie die über Herta Müller im vergangenen Jahr ('Herta Who?’) sind nicht zu erwarten, und man darf mit einiger Gewissheit annehmen, dass eben dies die Absicht der Akademie war","
spekuliert in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Lothar Müller.
Einen seltsamen Dreh wählt in FRANKUFERT ALLGEMEINEN ZEITUNG Paul Ingendaay. Er unterstellt, dass die hiesige Szene mit der Stockholmer Entscheidung nur unzufrieden sein könne:
""Denn Mario Vargas Llosa tritt im Maßanzug auf und speist mit den Mächtigen. Er schreibt Kolumnen für 'El Pais’, verkehrt auf zahlreichen akademischen Podien und hat einmal gesagt, er bewundere Margaret Thatcher. So einer entspricht nicht dem Image des Künstlers als wuscheliger Rebell. Nein, in [Vargas Llosa] haben wir eine Figur, die dem Kulturbetrieb fast ein wenig peinlich ist, nämlich den höflichen, rationalen, zu keinerlei Exzess neigenden Rechthabenden"","
mutmaßt der FAZ-Autor Paul Ingendaay und wir mutmaßen zurück, dass Ingendaay im Nachhinein ganz gern auf ein paar Klischees verzichten würde.
Denn, bitte schön, wer im hiesigen Kulturbetrieb würde den Nobelpreis am liebsten an wuschelige Rebellen vergeben? Gibt es überhaupt noch wuschelige Rebellen von literarischem Rang? Und wem wäre Höflichkeit peinlich, wem ein Maßanzug?
Aber lassen wir das! Am Tag nach der Nobelpreis-Vergabe wirken die Feuilletons ja oft wie Artikel im Sport nach späten Spielen mit späten Toren: ein bisschen husch husch halt.
Zurück zu Vargas Llosas, dem politischen Kopf, der über seinesgleichen gesagt hat: "Künstler und nur Künstler zu sein, kann in unseren Ländern zum moralischen Verbrechen werden."
Dass Vargas Llosa 1990 in Peru als Präsidentschaftskandidat antrat und gegen Alberto Fujimori unterlag, deutet Jan Schulz-Ojala im Berliner TAGESSPIEGEL als entscheidende Wende:
""Waren früher auch die erotisch saftigen Passagen seiner Bücher Nebenbestandteile einer überständig erhitzten und von böser sexueller Allmacht geprägten Welt, widmete sich Vargas Llosa nun mehr und mehr kalligraphisch ausgemalten Liebes- und Passionsverhältnissen. Nun, das Publikum verübelt es ihm bis heute nicht, im Gegenteil. Die Entpolitisierung seiner Stoffe ließen den furiosen, wenn auch immer leichtgewichtigeren Fabulierer in Vargas Llosa umso stärker hervortreten."
Auch Uwe Stolzmann interpretiert in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG Vargas Llosas spürbar gesteigertes Interesse an libidinösen Dingen als Auswuchs der Niederlage:
"Und nun, tatsächlich, schreibt er erotische Geschichten, freizügig und flach, sowie routiniert kunstvolle Monumentalwerke. Jedoch, der Biss ist weg. Damals [im Frühwerk] kämpfte er gegen Dämonen. Jetzt produziert er für den Markt, und dies verlässlich."
Eine Spur subtiler drückt sich Karin Caballos Betancur in der FRANKURTER RUNDSCHAU aus:
"Während der Signierstunde lächelt der attraktive, stets sehr gepflegte [Mario Vargas Llosa] seinen Lesern, vor allem aber seinen Leserinnen so charmant ins Gesicht, dass man sich immer ein wenig an Auftritte von Julio Iglesias erinnert fühlt."